Oratorio de Noël
Das Oratorio de Noël (deutsch: „Weihnachtsoratorium“) ist ein im Jahr 1858 entstandenes Werk des damals 23-jährigen französischen Komponisten Camille Saint-Saëns (1835–1921). Es trägt die Opuszahl 12 und wird seit einigen Jahren auch im deutschen Sprachraum des Öfteren aufgeführt.
Entstehung
Camille Saint-Saëns wirkte ab 1858 an der Kirche La Madeleine in Paris als Organist, eine Stellung, die er fast 20 Jahre innehaben sollte. Bis zu diesem Zeitpunkt war er bereits u. a. als Komponist dreier Sinfonien (davon nur eine nummeriert: A-Dur, ca. 1850 / Nr. 1 op. 2 Es-Dur, 1853 / Urbs Roma, 1856) und einer Messe (1857) hervorgetreten. Im Advent 1858 komponierte er innerhalb von 12 Tagen sein Oratorio de Noël op. 12. Die Komposition war am 15. Dezember 1858 abgeschlossen und erlebte am 25. Dezember 1858 in der Madeleine ihre Uraufführung. Gewidmet ist sie seiner Schülerin Madame de Vicomtesse de Grandval.
Besetzung und Aufführungsdauer
Das Werk sieht eine Besetzung mit 5 Vokalsolisten (Sopran, Mezzosopran, Alt, Tenor und Bariton), vierstimmigem gemischten Chor, Streichorchester, Harfe und Orgel vor. Blasinstrumente fehlen.
Die Aufführungsdauer des für ein Oratorium vergleichsweise kurzen Werkes beträgt etwa 35 bis 40 Minuten.
Inhalt und Satzfolge
Der Katholik Saint-Saëns stellte für sein 10-teiliges Oratorio de Noël Texte aus der Vulgata und der lateinischen Weihnachtsliturgie zusammen. Auf die dem Lukasevangelium entnommene Verkündigung der Geburt Christi folgen Psalmtexte sowie den Evangelien nach Matthäus und Johannes entnommene Verse. Mit wenigen Ausnahmen herrscht in der Komposition eine lyrisch-kontemplative Grundstimmung vor.
- Nr. 1 Prélude (dans le style de Seb. Bach). Instrumentales Vorspiel, das in seiner Anlage als wiegendes, siciliano-artiges Pastorale (im 12/8-Takt) auf barocke Vorbilder verweist, ohne jedoch eine tatsächliche Stilkopie Johann Sebastian Bachs darzustellen.
- Nr. 2 Récit et Chœur „Et pastores erant/Gloria in altissimis Deo“. Die Engelsbotschaft ist einem Solistenquartett (Sopran, Alt, Tenor und Bariton) anvertraut, das nachfolgende Gloria dem Chor, wobei der zunächst einfache Satz durch Fugierungen an Komplexität gewinnt.
- Nr. 3 Air „Expectans, expectavi Dominum“. Arie des Mezzosoprans.
- Nr. 4 Air et Chœur „Domine, ego credidi/Qui in hunc mundum venisti“. Arie des Tenors im Wechsel mit dem geteilten Frauenchor.
- Nr. 5 Duo „Benedictus, qui venit in nomine Domini“. Duett für Sopran und Bariton, in der Einleitung tritt erstmals die Harfe hervor.
- Nr. 6 Chœur „Quare fremuerunt gentes“. Eine kurze dramatische Episode des Chores („Warum toben die Heiden“) wandelt sich rasch in eine feierlich-ruhige Anrufung der Dreifaltigkeit.
- Nr. 7 Trio „Tecum principium“. Terzett (Sopran-, Tenor- und Baritonsolo), begleitet durch Figurationen der Harfe.
- Nr. 8 Quatuor „Alleluia“. Solistenquartett (Sopran, Mezzosopran, Alt, Bariton).
- Nr. 9 Quintette et Chœur „Consurge, Filia Sion“. Das Orchester greift die Pastoralmelodie des 1. Teils wieder auf, in die zunächst das Solistenquintett, dann auch der Chor einstimmen.
- Nr. 10 Chœur „Tollite hostias“. Ein kurzer homophoner Schlusschor beschließt das Werk festlich.
Das in Frankreich häufig aufgeführte Werk hat auch im deutschen Sprachraum seit einigen Jahren zunehmend Eingang in das weihnachtliche Chorrepertoire gefunden und ist in mehreren CD-Einspielungen verfügbar (eine CD-Rezension von 2010 listet sieben Aufnahmen[1]).
Literatur
- Howard E. Smither: A History of the Oratorio. Vol. 4: The Oratorio in the Nineteenth and Twentieth Centuries, Univ. Of North Carolina Pr., 2000, ISBN 978-0-8078-2511-2, S. 566ff.
- George P. Upton: Standard Oratorios, The Echo Library, 2010, ISBN 978-1-4068-5458-9, S. 140
- Alfred Beaujean: CD-Beilage zu Capriccio LC 8748 (Saint-Saëns: Oratorio de Noël, Mendelssohn: Vom Himmel hoch; Dresdner Philharmonie, Dresdner Kreuzchor, Martin Flämig. 1987)