Olaikirche
Die Olaikirche (estnisch Oleviste kirik) in Tallinn, Estland, ist eine Kirche im Norden der Altstadt. Benannt ist die Kirche nach dem norwegischen König Olav II. Haraldsson, der als ein Beschützer der Seefahrer betrachtet wird.
Geschichte
Die älteste Erwähnung der Kirche ist datiert auf 1267. Damals überließ die dänische Königin Margarete dem Zisterzienserinnenkloster St. Michael zu Reval das Pfarrrecht an der Olaikirche. Über die frühen Jahre dieser gotischen Kirche ist nur wenig bekannt, aber es wird davon ausgegangen, dass an gleicher Stelle schon vor dem 12. Jahrhundert eine Kirche gestanden hat. Baunachrichten des 14. und 15. Jahrhunderts zeugen vom Ausbau der Kirche, 1364 wird der Turm erwähnt. 1625 legte ein Brand sie in Schutt und Asche. Der Wiederaufbau schloss 1649–1651 mit dem Turmbau ab, der unter der Leitung von Hans Kohseler aus Kulmbach aufgeführt wurde. Nach seiner Angabe erreichte der Turm eine Höhe von 444 Fuß, nach dem rheinischen Fußmaß sind dies umgerechnet 139 m. Im Zuge dieser Baumaßnahmen entstanden wohl die vier charakteristischen Ecktürmchen, die erstmals 1663 abgebildet sind. Nach einem erneuten Turmbrand 1820 erfolgte der Wiederaufbau mit Förderung des Zaren bis 1834. Der Turm erreichte nunmehr 138,68 m.[1]
Die von verschiedenen Stellen aufgestellte Behauptung, die Kirche sei zwischen 1549 und 1625 mit einem angeblich 159 Meter hohen Turm das höchste Gebäude der Welt gewesen, beruht auf einem Irrtum. Tatsächlich lag die Höhe des 1549 erbauten Kirchturms nach neuen Schätzungen bei 115 bis 125 Meter, also ähnlich wie der heutige Turm. Damit war der Kirchturm immer noch hoch genug, um als Signal für die Seefahrt zu dienen. Somit war die Hansestadt schon von weitem auf See zu erkennen. Allerdings brachte ein hoher Turm auch Risiken mit sich, mindestens acht Mal schlug ein Blitz in den Kirchturm ein und drei Mal brannte die Kirche komplett nieder. Die Flammen waren selbst auf der anderen Seite des Finnischen Meerbusens in Finnland zu sehen.
Heinrich Stiehl war von 1880 bis zu seinem Tod 1886 Organist an der Olaikirche und führte hier 1883 zum ersten Mal im Baltikum Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion auf.
Die Kirche ist heute ein Gotteshaus der Baptisten.
Aussicht auf die Stadt vom Turm der Olaikirche (Mai 2016)
Orgel
Die Orgel wurde 1840 bis 1842 von Friedrich Hermann Lütkemüller gebaut und mit Johann Eberhard Walcker und drei weiteren Gehilfen von der Orgelbaufirma Walcker aufgestellt. Aus Lütkemüllers Autobiografie von 1869:
- „Bei Erbauung der beiden großen Werke für St. Petersburg 1838–1840 und für Reval 1840–1842 schritt meine Ausbildung mehr und mehr vor, so dass während einer achtmonatigen Abwesenheit Walckers mir die Leitung ganz selbstständig anvertraut werden konnte. Intonation und Abstimmung der Revaler Orgel war schon mein Werk. Zu Aufstellung der Orgel für die St.-Olai-Kirche zu Reval ging ich mit anderen drei Gehilfen neben Herrn Walcker mit nach Reval.“
- „Die Orgel in der Olaikirche und ein achtfüßiges Werk auf dem Lande wurden in vier Monaten aufgestellt. Außerdem intonierte ich noch eine andere Orgel in Reval, die von einem einheimischen Orgelbauer Tanton repariert war und zu welchem Werke wir verschiedene neue Register mitgebracht hatten und welcher mir ganz gestattete, die ganze Stimmung auszuführen, weil ich es sicherer und besser konnte als er …“[2]
1914 erfolgte ein Umbau. Das Instrument hat 76 Register auf drei Manualen und Pedal. Die Trakturen sind pneumatisch.[3]
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- Koppeln:
- Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P,
- Superoktavkoppeln: II/I, II/II, III/I, III/II, III/III, II/P, III/P
- Suboktavkoppeln: II/I, II/II, III/I, III/II, III/III, III/P
Einzelnachweise
- Eugen von Nottbeck, Wilhelm Neumann: Geschichte und Kunstdenkmäler der Stadt Reval. Reval 1896, S. 101–108. Andere Quellen nennen 123,7 m als Turmhöhe. Heinrich W. J. Rickers: Etwas über die St. Olai-Kirche in Reval, die durch einen Blitzstrahl in der Nacht vom 15. zum 16. July 1820 zerstört wurde. Reval 1820 (Online bei books.google), S. 16, berichtet zum Brand von 1625, "vor dem Brande war der Thurm 84 Faden hoch, ...nun wurde er 10 Faden kürzer, also nur 74 Faden hoch." S. 43 reiht er den Olaiturm in die Liste der höchsten Gebäude der Welt ein: "Der Olaithurm hat immer in dem Rufe gestanden, dass er einer der höchsten Türme wäre", er sei als dritt- oder fünfthöchster Turm der Christenheit verzeichnet worden. Richter (S. 43–44) postuliert, die überlieferte Angabe von 74 "Faden" Höhe für den Turm von 1651 meine tatsächlich 74 "Klafter" zu 6 rheinischen Fuß (31,385 cm, seit 1793 auch als preußischer Fuß verbreitet) und kommt so auf 444 Fuß Höhe (= 139 m). Die historische Überlieferung, die Turmhöhe habe vor dem Brand von 1625 84 Faden betragen, brächte nach dieser Berechnung die Höhe auf 504 Fuß, was umgerechnet 158 m gewesen wären und den Olaikirchenturm vor 1625 zum höchsten Gebäude der Welt gemacht hätten. Abgesehen von der Frage nach der Glaubwürdigkeit der überlieferten Maßzahlen ist auch die Umwandlung der Faden in rheinische Klafter nicht stichhaltig.
- Autobiografie F. H. Lütkemüller. Abschrift im Besitz der Firma Schuke Orgelbau Potsdam.
- Informationen zur Domorgel
Literatur
Eugen von Nottbeck, Wilhelm Neumann: Geschichte und Kunstdenkmäler der Stadt Reval. Reval 1896, S. 101–108. Online (The Internet Archive) Heinrich W. J. Rickers: Etwas über die St. Olai-Kirche in Reval, die durch einen Blitzstrahl in der Nacht vom 15. zum 16. July 1820 zerstört wurde. Reval 1820 (Online bei books.google)