Offizier im besonderen Einsatz
Offizier im besonderen Einsatz, auch OibE abgekürzt, war seit den 1960er Jahren die Bezeichnung für hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) in den Bereichen Abwehr und Aufklärung, die meist in für die Auslandsaufklärung nutzbaren oder für sicherheitsrelevant erachteten Positionen im Staatsapparat (z. B. Außen- und Außenhandelsministerium, Apparat des Ministerrats, Ministerium des Innern), in Institutionen, Betrieben (z. B. Außenhandelsbetrieben) und Organisationen eingesetzt wurden.
Das Dienstverhältnis
Der größte Teil der durch veröffentlichte Listen bekannt gewordenen OibE ist der HVA zuzurechnen (hierzu sind auch die OibE der Abt. XI – Chiffreure – und der Abt. N – Funker – zu zählen, die bei ihren Auslandseinsätzen den Residenten der HVA unterstellt waren). Ihre Anzahl wird auf ca. 3000 geschätzt. Das Dienstverhältnis wurde dabei strikt in der Form eines Doppeldienstverhältnisses legendiert. Dabei war jedem OibE bewusst, dass sein eigentlicher Dienstherr das MfS blieb, während die offizielle Funktion nur zur Abdeckung der operativen Arbeit diente. Interessenkonflikte z. B. mit dem Vorgesetzten in der offiziellen Funktion und dessen Erwartungen an offizielle Arbeitsergebnisse waren deshalb an der Tagesordnung, wie auch innere Konflikte beim OiBE selbst, wenn die Abdecktätigkeit interessant und mit öffentlich anerkanntem Prestige verbunden war, z. B. im diplomatischen Dienst. Zum regulären Gehalt aus ihrer offiziellen Abdecktätigkeit, das dem Führungsoffizier durch Beleg nachzuweisen war, erhielten OibE einen Gehaltsausgleich von ihrer MfS-Dienststelle, so dass in der Summe ein Gehalt zur Auszahlung kam, das ihrem Dienstgrad und ihrer Dienststellung im MfS entsprach. Überzahlungen über dieses Gehalt hinaus waren entgegen anderslautenden Publikationen zu dieser Frage nicht zulässig. Ohnehin war das MfS-Gehalt in jedem Fall höher als das Gehalt in der Abdeckfunktion, selbst wenn diese mit leitender bzw. verantwortlicher Tätigkeit verbunden war. Es kam durchaus vor, dass der tatsächliche Rang des Mitarbeiters nicht dem der legendierten Position entsprach (soweit ein solcher Vergleich möglich ist, z. B. bei Gegenüberstellung des diplomatischen Rangs oder einer anderen zivilen offiziellen Abdeckfunktion mit dem militärischen Dienstgrad bzw. der Dienststellung). Dennoch war auch in solchen Fällen das MfS-Gehalt stets höher.
Der Begriff
Der Begriff und die Angehörigkeit als OibE war bis zur Wende von 1989 in der DDR weitgehend unbekannt. Bereits 1965 hieß es in einem Grundsatzdokument der Stasi, „dass an wichtigen Stellen in den Organen des Staates, der Wirtschaft, in gesellschaftlichen Organisationen und Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik zur inneren und äußeren Abwehr Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit eingesetzt werden. Diese Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit werden under der Bezeichnung ‚Offizier im besonderen Einsatz‘ geführt“.[1] Die Arbeit mit den OibE wurde in der OibE-Ordnung vom 17. März 1986 geregelt.
Bekannte OibEs
Einer der prominentesten bekannt gewordenen OibE war der Devisenbeschaffer Oberst Alexander Schalck-Golodkowski als Staatssekretär, stellvertretender Minister und Leiter des Bereichs Kommerzielle Koordinierung im Ministerium für Außenhandel. Dieser Fall war andererseits für die übliche Praxis untypisch, wie auch der des Staatssekretärs Harry Möbis, der als Leiter der Inspektion beim Ministerrat einen Bereich leitete, welcher als abgedecktes Funktionalorgan des MfS auch Außenstehenden weitgehend bekannt war. Ihm waren die offiziell dem MfS zuarbeitenden Sicherheitsbeauftragten in Ministerien und Betrieben (zum großen Teil OibE) nachgeordnet. Üblicherweise vermied es das MfS, OibE in exponierten offiziellen Funktionen zu installieren, die mit hoher Verantwortung und direkter Rechenschaftspflicht gegenüber den zuständigen Partei- und Staatsorganen verbunden waren, und platzierte sie auf nachgeordneten Ebenen.
Als Offizier im besonderen Einsatz des Ministeriums für Staatssicherheit fungierte auch der ehemalige Fußballschiedsrichter Adolf Prokop.
Literatur
- Jens Gieseke: Die DDR-Staatssicherheit: Schild und Schwert der Partei, Bundeszentrale für Politische Bildung, Bonn 2000, ISBN 3-89331-402-4.
Weblinks
- OibE-Ordnung des MfS (PDF-Datei; 1,47 MB)
- Liste der »Offiziere im besonderen Einsatz« (OibE) des MfS der DDR, veröffentlicht in: tageszeitung Berlin (taz) vom 30. März 1991.
- OibE bei ddr-wissen.de
- OibE bei runde-ecke-leipzig.de
- OibE bei stasiopfer.de
Einzelnachweise
- Grundsätze zur Regelung des Dienstverhältnisses und der Arbeit mit den auf dem Gebiet der Abwehr tätigen „Offizieren im besonderen Einsatz“ des Ministeriums für Staatssicherheit vom 1. März 1965, BStU, ZA DSt 102131, S. 3.