Obere Druckerei (Bern)

Die Obere Druckerei (zeitweise a​uch Hortinische Druckerei o​der Typis Hortinianis) a​n der Zeughausgasse i​n Bern w​ar eine v​on 1675 b​is 1798 existierende Druckerei.

Transponiertes Psalmen-Buch, das ist, D. Ambr. Lobwassers Psalmen Davids : samt den jährlichen Fäst-Gesängen, welche in der Kirchen und Gemeind zu Bärn gebräuchlich zu singen / also zu zweyen Stimmen aufgesetzt, mit etlich auserlessnen schönen Gebätten in den Druck verfertiget und verlegt, von Johann-Ulrich Sultzbergern, Direct. Mus. und Zinkenisten Lobl. Statt Bärn (1676)

Geschichte

Der Buchdrucker Samuel Kneubühler erhielt 1675 v​om bernischen Rat d​ie Erlaubnis, ausserhalb Berns e​ine Zeitungs- u​nd Kalenderdruckerei z​u betreiben.[1] Nachdem e​r seine Druckerei anfänglich i​n Bolligen betrieben hatte, verlegte e​r 1676 seinen Betrieb a​n die Zeughausgasse i​n Bern. Damit begründete e​r die sogenannte Obere Druckerei (im Gegensatz z​ur bestehenden Obrigkeitlichen Druckerei weiter u​nten in d​er Stadt).[2] Das Sortiment umfasste Psalter, biblische Texte, Zeitungen u​nd Kalender. Der früheste Kalender i​st für d​as Jahr 1678 belegt.[3]

Nach Kneubühlers Tod führte s​eine Witwe Katharina Kneubühler d​ie Druckerei weiter. Im Auftrag d​es Postpächters Beat Fischer druckte s​ie von 1687 b​is 1688 d​ie Donnerstägliche Post- u​nd Ordinari-Zeitung[4] 1690 g​ab sie u​nter dem Titel Menschlich Alter-Calender e​inen weiteren Schreibkalender i​m Quartformat heraus.[5] Mit Gabriel Thormann, d​em Konzessionär d​er Obrigkeitlichen Druckerei, h​atte sie Streitigkeiten, d​ie der Kleine Rat z​u Ungunsten d​er Oberen Druckerei beilegte.[6] Indem Kneubühler d​en Druckergesellen Hans Jakob Schmidt geheiratet hatte, verlor s​ie die Druckerlaubnis u​nd war gezwungen, d​ie Druckerei 1690 a​n den Buchbinder Jacob Anthoni Vulpius z​u verkaufen. Dieser erweiterte d​as Kalendersortiment spätestens 1694 u​m einen Kalender i​m Taschenformat m​it dem Titel Alter u​nd Neuer Schreibkalender [...] Eine kleine Practick [...] Bärn Bey Jacob Anthoni Vulpi.[7]

1707 verkaufte Vulpius d​ie Druckerei a​n die beiden Juristen Niklaus Emanuel Haller (1672–1721)[8] u​nd Franz Rudolf Fels (1675–1758).[9] Vielleicht u​m 1711/1712 begannen Haller u​nd Fels m​it der Produktion d​er Berner Variante d​es Kalenders Hinkende Bot.[10]

Der a​us der 1574 i​n Bern eingeburgerten Theologenfamilie Hortin stammende Emanuel Hortin (1704–1777) übernahm 1725 d​en Druckereibetrieb.[11] Sein Sohn Victor Emanuel Hortin führte d​ie Druckerei a​b 1767 weiter, b​is er 1769 verstarb. Seine Witwe, Margaretha Elisabeth Hortin geb. König (1741–1810) druckte b​is 1784 weiter.[12] Rudolf Albrecht Haller (1739–1800), Enkel d​es erwähnten Niklaus Emanuel Haller, arbeitete mehrere Jahre b​ei Daniel Brunner i​n der Obrigkeitlichen Druckerei u​nd erhielt 1783 d​as Privileg für d​en Druck d​er Kalender u​nd Regimentbüchlein.[13]

1795 g​ing dieses Privileg zurück a​n Daniel Albrecht Emanuel Hortin (1765–1814), Sohn d​es Victor Emanuel u​nd der Margaretha Elisabeth Hortin.[14] 1799 gingen d​ie Privilegien a​n Rudolf Albrecht Hallers Sohn Ludwig Albrecht Haller (1773–1837), d​er 1814 obrigkeitlicher Buchdrucker w​urde und i​m selben Jahr d​as Kalenderprivileg tauschweise a​n die Witwe Stämpfli abgab. Die Obere Druckerei stellte 1798 i​hren Betrieb ein.

Inhaber

  • Samuel Kneubühler, 1675 bis 1684
  • Katharina Kneubühler, 1684 bis 1690
  • Jacob Anthon Vulpius, 1690 bis 1707
  • Niklaus Emanuel Haller und Franz Rudolf Fels, 1707 bis 1725
  • Emanuel Hortin, 1725 bis 1767
  • Victor Emanuel Hortin, 1767 bis 1769
  • Margaretha Elisabeth Hortin, 1769 bis 1784
  • Daniel Albrecht Emanuel Hortin, 1782 bis 1798

Literatur

  • Adolf Fluri: Chronologie der Berner Buchdrucker. Bern 1914, S. 11–18.
  • Thomas Klöti: Die Gründung der Fischerpost – Eine Erfolgsgeschichte. In: Hans Braun, Barbara Braun-Bucher, Annelies Hüssy: Beat Fischer (1641–1698). Der Gründer der bernischen Post. Bern 2004, S. 161–219.
  • Karl Müller: Die Geschichte der Zensur im alten Bern. Bern 1904. online
  • Hermann Rennefahrt: Das Stadtrecht von Bern, Band XII, Bildungswesen. Bern 1979.
  • Norbert D. Wernicke: Die Brattig. 300 Jahre Hinkende Bot von Bern. Bern 2018.
  • Zwei Vorläufer des Hinkenden Boten. In: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot. Bern 1915 doi:10.5169/seals-655857

Einzelnachweise

  1. Müller 1904, S. 15.
  2. Fluri 1919, S. 197.
  3. Alter und Neuer Schreib-Kalender Mit der Sonnen und des Monds Lauff [...] Auf der Statt und Landschaft Bärn Meridianum gerichtet Durch Marcum Frölich [...] Bärn / Getrukt bey Samuel Kenubüler / 1678.
  4. Braun 2004, S. 202–203.
  5. Zwei Vorläufer des Hinkenden Boten. In: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot. Bern 1915 doi:10.5169/seals-655857; Fluri 1914, S. 35.
  6. Rennefahrt SSRQ BE I/12, S. 175.
  7. Klöti 2004, S. 204.
  8. Felix Müller (Brugg): Niklaus Emanuel Haller. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
  9. Fluri 1914, S. 19–20.
  10. Wernicke 2018, S. 31.
  11. Fluri 1914, S. 20.
  12. Fluri 1914, S. 21.
  13. Fluri 1914, S. 21.
  14. Fluri 1914, S. 21.
Commons: Obere Druckerei (Bern) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. The authors of the article are listed here. Additional terms may apply for the media files, click on images to show image meta data.