Nordische Universität
Die Nordische Universität (NU) in Flensburg und Neumünster war eine im Jahr 1985 gegründete und schon im Jahr 1989 aufgrund mangelnder Liquidität geschlossene Universität in privater Trägerschaft. Nach der Universität Witten/Herdecke und der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung in Vallendar war die NU die dritte private Hochschule Deutschlands.
Nordische Universität | |
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Motto | International, interdisziplinär und intermenschlich denken[1] |
Aktivität | 1985 – 1989 |
Trägerschaft | Nordische Universität e. V. (privater Träger) |
Ort | Flensburg und Neumünster |
Bundesland | Schleswig-Holstein |
Land | Deutschland |
Leitung | Rolf Wolff (Dekan)
Claus Bahne Bahnson (Universitätspräsident) |
Studierende | 86 (1989)[2] |
Mitarbeiter | 100 (1987)[3] |
Geschichte
Gründung
Die Universität wurde im Juni 1985 gegründet, vorläufig staatlich anerkannt und auch mit einem Promotionsrecht bedacht. Als Verwaltungssitz diente der Westindienspeicher in Flensburg. Als Träger wurde ein Verein gegründet, dem Jürgen Westphal vorsaß, auf dessen Initiative die Hochschulgründung maßgeblich zurückging.[4] Ursprünglich wurde bei der Gründung, welche sich die Universität Witten/Herdecke als Vorbild nahm, davon ausgegangen, die Kosten für den Hochschulaufbau und -betrieb ausschließlich aus eigenen Einnahmen, Spenden aus der Wirtschaft, Studiengebühren sowie Honoraren und Forschungsaufträgen zu bestreiten.[3] Björn Engholm, zum Zeitpunkt der Hochschulgründung noch SPD-Oppositionsführer im Landtag, warnte jedoch schon im Frühjahr 1986, dass die Hochschule auf staatliche Zuschüsse angewiesen sei, die er weder gutheißen noch unterstützen werde.[5]
Lehrbetrieb
Der Lehrbetrieb sollte ursprünglich zum Sommersemester 1986 an den Standorten Flensburg und Neumünster aufgenommen werden.[6] Mit 31 Studierenden, welche für die erfolgreiche Bewerbung neben der Allgemeinen Hochschulreife auch eine kaufmännische Ausbildung vorweisen mussten, begann die Hochschule jedoch erst zum Wintersemester 1986/1987 mit ihrem Lehrbetrieb in Flensburg. Er fand in einem Gebäude auf dem Museumsberg, das heute den Namen Hans-Christiansen-Haus trägt, statt. Jürgen Westphal, der damalige schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Verkehrsminister und Vorsitzender des Trägervereins der NU, bezeichnete die Universitätsgründung während eines Festaktes zur Eröffnung noch als ein „Experiment“. Peter Bendixen, damaliger Kultusminister, freute sich zur Eröffnung über eine Stärkung des Wettbewerbs und eine differenziertere Hochschul- und Forschungslandschaft in Schleswig-Holstein.[7]
In der Anfangsphase wurde nur eine wirtschaftswissenschaftliche Fakultät mit dem Standort Flensburg etabliert.[8][9] Geplant war zu diesem Zeitpunkt noch, am Standort Neumünster eine Technische Fakultät einzurichten, an der dann Elektrotechnik, Medizintechnik sowie später Kommunikationstechnik und Thermodynamik als Studienfächer folgen sollten. Die Wirtschaftlichkeitskalkulation plante mit bis zu 2000 eingeschriebenen Studenten im Endausbau.
Gründungsdekan war der damals 33-jährige Professor Rolf Wolff, der von der Handelshochschule Stockholm nach Flensburg wechselte.
Von der Politik wurde die Hochschulgründung anfänglich sehr positiv interpretiert. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel bezeichnete die NU beispielsweise als Bestandteil „des neuen zukunftsträchtigen Wirtschaftsprogramms in Schleswig-Holstein“.[10]
Leitidee der Hochschule war von Anfang an, eine intensive Verbindung zwischen Wissenschaft und Praxis herzustellen. Insbesondere erhoffte sich die Universität dadurch auch neue Finanzierungsquellen, indem Beratungsdienstleistungen nach dem Modell von Unternehmensberatungen in der Praxis angeboten werden sollten.[11] Im August 1987 wurde hierzu beispielsweise eine Beteiligungsgesellschaft mit dem Namen „Nordische Universität Beteiligungsgesellschaft mbH“ gegründet, welche sich an Unternehmen beteiligen sollte, die aus den Instituten und Fakultäten der NU ausgegründet werden sollten.[12]
Die Kosten für den Aufbau und die Einrichtung des Studien- und Forschungsbetriebes überstiegen in der Folge die ursprünglichen Planungen deutlich. Nachdem innerhalb des Jahres 1987 weit weniger Forschungsmittel und Förderungen aus der Wirtschaft zu verzeichnen waren, erhielt die Universität von der Kieler Landesregierung finanzielle Soforthilfen in Höhe von 1,2 Millionen DM. Parallel dazu beantragte die Hochschule 5 Millionen DM öffentliche Zuschüsse für das Jahr 1988.[3]
Einstellung der Universität
Nach dem Regierungswechsel in Schleswig-Holstein betonte die neue Finanzministerin Heide Simonis im Jahr 1988, dass die neue und nun SPD-geführte Landesregierung unter Ministerpräsident Björn Engholm wenig Zukunftspotential für das Universitätskonzept sehe. Die öffentliche Hand hatte den Aufbau der Universität bis dahin mit jährlich 5,6 Millionen DM gefördert, während der Trägerverein nur rund 1,2 Millionen DM an privaten Spenden hatte aufbringen können.[13] In der Folge setzte die Landesregierung eine Kommission ein, die mögliche Fortführungs- und Zukunftskonzepte erarbeiten sollte.[14]
Dieses Gutachten, das maßgeblich von Mitarbeitern der Fraunhofer-Gesellschaft und unter Leitung von Max Syrbe erarbeitet wurde, beurteilte die Zukunftsperspektive der Universität als äußerst negativ. Von Anfang an sei die Universität mit einem zu geringen Gründungskapital ausgestattet gewesen. Die Landesregierung konstatierte auf Basis dieses Gutachtens, dass die finanzielle Basis insbesondere aufgrund mangelnder Förderung durch die Wirtschaft nicht gegeben sei, und stellte mit sofortiger Wirkung die öffentliche Förderung ein. Zum 14. Juli 1989 wurde zudem die vorläufige staatliche Anerkennung zurückgezogen. Den zu diesem Zeitpunkt noch eingeschriebenen rund 90 Studenten wurde angeboten, ihr Studium an Landesfachhochschulen oder der Universität Kiel fortzusetzen.[15][16] Burkhard Schwenker, wissenschaftlicher Mitarbeiter von Rolf Wolff, war während der kurzen Geschichte der NU der einzige Mitarbeiter, der durch die Universität promoviert wurde.[17][18]
Die SPD-Landesregierung wollte die gegründete Nordische Universität durch die ortsansässigen Pädagogischen Hochschule ersetzen, welche sie letztlich am Ende der 1990er Jahre in Universität Flensburg umbenennen ließ.
Mit der NU verbundene Personen
- Kurt Boysen, damaliger Geschäftsführer der Nordische Universität Beteiligungsgesellschaft mbH. Ehemaliger Staatssekretär im Kultusministerium im Kabinett Stoltenberg, Chef der Staatskanzlei des Landes Schleswig-Holstein
- Konrad Schily, zeitweiliges Vorstandsmitglied im Trägerverein
- Burkhard Schwenker, ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand[19]
- Jürgen Westphal, Vorsitzender des Trägervereins
- Rolf Wolff, Professor und Gründungsdekan
Siehe auch
Einzelnachweise
- Zittriges Findelkind. Die Nordische Universität, die erste schleswig-holsteinische Privathochschule, ist pleite. Der Spiegel (17/1989), 24. April 1989, abgerufen am 24. Januar 2013.
- Handelsblatt (28. April 1989 S. k03): Bewegung an den Privatunis. Probleme an der Nordischen und in Witten -Anerkennung fuer EBS.
- Handelsblatt (27. November 1987, S. 4)nordische Universität: Forschungsmittel der Industrie fließen spärlicher als geplant.
- Wirtschaftswoche (4. Dezember 1987, S. 11): Zuschüsse aus Kiel.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (3. November 1986, S. 3): In Schleswig-Holstein hat die Regierung versucht, das Bild des Landes zu ändern. Der SPD bieten sich nur wenige Angriffspunkte.
- Wirtschaftswoche (22. November 1985 Seite 106): Schleswig-Holstein – die vergessene Provinz.
- Handelsblatt (5. November 1986, S. 8): NORDISCHE UNIVERSITAET. Lehrbetrieb begann.
- Wirtschaftswoche (21. Februar 1986): Bald Nordische Universität.
- Handelsblatt (29. August 1986): Im hohen Norden.
- Wirtschaftswoche (27. Februar 1987, S. 37): Der Norden gewinnt an Dynamik. Gastbeitrag von Uwe Barschel.
- manager magazin (1. Juni 1988, Nr. 6, S. 179–192): Professoren beraten Unternehmen und Topmanager.
- Handelsregister-Bekanntmachungen vom 24. September 1987 (HRB1697): Nordische Universität Beteiligungsgesellschaft mbH.
- Wirtschaftswoche (4. November 1988, S. 10): Nord-Uni wackelt.
- Handelsblatt (8. November 1988, S. 7): Kommission soll eine tragfaehige Konzeption fuer die Nordische Universitaet erarbeiten.
- Handelsblatt (20. April 1989, S. 7): "Aus" fuer Flensburger Privatuniversität. Plan zur Finanzierung durch die Wirtschaft ging nicht auf.
- Universität Flensburg: 60 Jahre Universität Flensburg. (Nicht mehr online verfügbar.) 18. Februar 2011, archiviert vom Original am 14. Oktober 2012; abgerufen am 24. Januar 2013. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Wirtschaftswoche (8. Februar 1996, S. 54): Privatuniversitäten rar wie Juwelen.
- o. V.: Roland Bergers unprätentiöser Erbe. Handelsblatt, 18. Juni 2003, abgerufen am 26. Januar 2013.
- Burkhard Schwenker: Auf der Suche nach zukünftigen Forschungsfeldern im Dienstleistungsbereich: e.Meta-Analyse der neueren Literatur. In: Arbeitspapier der Nordischen Universität, Fakultät Wirtschaftswissenschaft.
Weblinks
- Dorothea Hilgenberg: Der gute Geist, der Gutes will. Die Nordische Universität setzt neue Akzente in der Hochschul-Ausbildung. Die Zeit, 19. Juli 1985, abgerufen am 26. Januar 2013.
- Dorothea Hilgenberg: Wenig Geld – große Ziele. Nach Witten und Koblenz hat nun auch Flensburg eine Privatuniversität. Die Zeit, 7. November 1986, abgerufen am 24. Januar 2013.
- Zittriges Findelkind. Die Nordische Universität, die erste schleswig-holsteinische Privathochschule, ist pleite. Der Spiegel (17/1989), 24. April 1989, abgerufen am 24. Januar 2013.