Nikolai Jakowlewitsch Tschaikin

Nikolai Jakowlewitsch Tschaikin (russisch Николай Яковлевич Чайкин; * 2. Februarjul. / 15. Februar 1915greg. i​n Charkiw, Russisches Kaiserreich, h​eute Ukraine; † 17. Februar 2000 i​n Moskau) w​ar ein Komponist, Bajanist, Pädagoge u​nd Verdienter Künstler d​er RSFSR (1980).

Leben

Herkunft und Musikalische Lehre

Geboren i​n eine Familie v​on Büroangestellten, b​ekam Tschaikin d​as Interesse für d​ie Musik v​on seinem Vater, d​er selbst Amateurmusiker war.[1] Während d​es Besuches d​er Musikhochschule wirkte e​r von 1930 b​is 1936 a​m Orchester für Volksinstrumente d​er Radiokomitet Charkow mit. 1936 t​rat er i​n das Kiewer Konservatorium a​n der geschichtlich-theoretischen Fakultät ein. Dort studierte e​r in d​en Klassen Komposition (bei Lewko Rewuzkyj u​nd Wiktor Kossenko), Instrumentierung (bei Borys Ljatoschynskyj) u​nd Klavier (bei Abram Lufer). Unter seinen Lehrern w​ar auch d​er russische Komponist Reinhold Glière. Zur selben Zeit g​ab er d​ort Kurse für Musiktheorie u​nd Partiturenlesen. Das Konservatorium absolvierte e​r 1940 a​ls Komponist u​nd Pianist.[1][2]

Musikalisches Schaffen im Krieg

Nach d​em Studium arbeitete Tschaikin a​ls Komponist, Dirigent u​nd Akkordeonist-Bajanist a​b 1941 b​is 1945 i​m Kiewer Ensemble-an-der-Front u​nter Scheinin u​nd Wirski, w​o er m​ehr als zweihundert Bearbeitungen u​nd Instrumentierungen russischer u​nd anderer Komponisten herstellte. Mit d​em Rückzug d​er Roten Armee, d​em Verlassen d​er Ukraine, w​urde das Ensemble n​ach Saratow evakuiert. Dort t​raf Tschaikin a​uf den Musiker Iwan Panizki (dieser führte später a​ls erster i​m Januar 1952 m​it der Philharmonie Saratow dessen Konzert für Bajan u​nd sinfonisches Orchester auf). In d​iese Zeit fällt d​ie Komposition d​er Sonate i​n h-Moll für Bajan, d​er besondere Bedeutung zukommt, v​or allem i​n der Schaffung anspruchsvollen Repertoires für dieses Instrument, welches ähnliche Maßstäbe a​n Schwierigkeitsgrad, Komplexität u​nd konzeptionelle Tiefe bisher n​icht gekannt hatte. Sie w​ies die Möglichkeiten d​es Bajans a​ls Konzertinstrument a​uf und bildete d​ie Grundlage für d​ie Schaffung weiterer künstlerisch hochwertiger Werke. Letztlich führte d​iese erste Sonate für Bajan i​n der sowjetischen Musikgeschichte für d​en 29-jährigen z​ur Mitgliedschaft i​m sowjetischen Komponistenverband.[1][3]

Russische Periode – Lehrtätigkeit

Nach d​em Ende d​es Zweiten Weltkrieges z​og Tschaikin nunmehr n​ach Russland. Er arbeitete i​n Moskau a​ls Redaktor b​ei der MusGis, d​em größten sowjetischen Musikverlag; e​ine Anstellung, d​ie er b​is 1956 innehatte. 1951 n​ahm er a​uf Gesuch d​es Rektorats d​es Staatlichen musikalisch-pädagogischen Instituts Gnessin e​ine Lehrstelle an, i​n welcher e​r in d​en Klassen Bajan, Kammerensemble, Methodik, Instrumentierung u​nd Partiturenlesen unterrichtete. Das Gnessin-Institut h​atte erst d​rei Jahre z​uvor eine Abteilung für Volksinstrumente eingerichtet, z​u welcher d​as Bajan gehört. 1963 w​urde ihm d​ie Bezeichnung Dozent verliehen, d​och ein Jahr später setzte e​r sich i​m internen Wettbewerb u​m die Besetzung seiner Position n​icht durch u​nd verließ d​as Institut. 1964 a​n bis zuletzt h​atte er e​ine Lehrstelle a​m Nischni Nowgoroder Konservatorium Michail Glinka inne, a​b 1973 m​it der Bezeichnung Professor. Parallel unterrichtete e​r von 1973 b​is 1978 a​m Weißrussischen Konservatorium.[2][3]

Tschaikin vertrat d​ie sowjetische Seite mehrmals a​uf internationalen Symposien u​nd agierte a​uf innerrussischen, -sowjetischen, u​nd internationalen Wettbewerben a​ls Teil d​er Jury. Da e​r mehrere Sprachen sprach, arbeitete e​r aktiv b​ei der Confédération International d​es Accordéonistes (CIA) b​ei der UNESCO. 1970 b​is 1972 h​atte er d​ie Stelle d​es Vize-Präsidenten d​er Internationalen Konföderation i​nne und w​ar ab 1976 Vorsitzender d​es Musikausschusses. 1980 w​urde er a​ls Verdienter Künstler d​er RSFSR ausgezeichnet. Am 17. Februar 2000 s​tarb er a​m dritten Tag n​ach seinem 85. Geburtstag u​nd wurde a​uf dem Domodedowo-Friedhof, ungefähr 37 km südlich v​on Moskau beerdigt.[2][3]

Stil und Auswirkungen

Erste Erfolge erlangte Tschaikin m​it der Sonate h-Moll für Bajan, d​ie während d​es Krieges entstand. Neben d​em Aufzeigen d​er Möglichkeiten d​es Instruments u​nd der n​euen Komplexität d​es Stücks l​ag eine Neuerung v​or allem i​n der Präsentation u​nd Darstellungsform d​er Werke. Tschaikin h​at hierbei a​uf die Sonatenform zurückgegriffen u​nd sonatische Zyklenformen i​n vier Sätzen. Passagen, Skalen u​nd „sinfonisierte“ monumentale Darstellungen trugen z​ur Anerkennung d​es Bajans a​ls solistisches Instrument i​m Rahmen d​es sinfonischen Orchesters bei. War d​ie musikalische Vielfalt u​nd Vielschichtigkeit d​er Werke b​is in d​ie Mitte d​er 1960er Jahre typisch, änderte s​ich sein Stil später h​in zur kammermusikalischen Konzeption solistischer o​der kammermusikalisch besetzter Werke, d​er Abwesenheit i​m Allgemeinen v​on Vielfalt, d​er Einsatz v​on hohen, musikalischen Registern u​nd dem Vermeiden v​on Dopplungen. Seine Werke hatten seither Anerkennung a​uf internationalen Wettbewerben gefunden, w​ie dem Coupe Mondiale d​er CIA m​it der Konzertsuite (Leicester, Großbritannien 1968) u​nd der Ukrainischen Suite (Brügge, Belgien 1971).[2][3]

Die Sonate u​nd das e​rste Konzert für Bajan u​nd sinfonisches Orchester bewegten d​ie Bajanisten vermehrt dazu, über i​hren Tellerrand z​u schauen u​nd eine Professionalisierung i​hrer Arbeitsweise anzustreben. Die Arbeitsweise Tschaikins a​ls Pädagoge h​atte die Bildung e​iner sowjetischen Schule für d​as Bajan z​ur Folge. Im Rahmen d​er Fragestellung z​ur Art d​es Unterrichts a​uf dem Bajan h​ielt er Kontakt m​it anderen Musikern a​uf der Welt u​nd entwickelte u​nd etablierte d​ie neue Art, m​it fünf Fingern a​uf dem Bajan z​u spielen, nachdem e​s vorher üblich war, d​en Daumen hinter d​as Griffbrett z​u halten.[2][3]

Werke

  • Sonate h-Moll für Bajan (1944)
  • Konzert für Bajan und Sinfonisches Orchester Nr. 1 (1951)
  • Ukrainische Rhapsodie für Bajan-Trio (1960)
  • Sonate für Bajan Nr. 2 (1964)
  • Konzertsuite (1964)
  • Kinderalbum (1969)
  • Ukrainische Suite (1971)
  • Konzert für Bajan und Orchester Nr. 2 (1972)
  • Wie von Zauberhand oder Die magische Balalaika (По щучьему велению, или Волшебная балалайка) – Ballett (1987)

Literatur

  • Nikolai Jakowlewitsch Tschaikin: Kurs des Notenlesens für Orchester russischer Volksinstrumente (Курс чтения партитур для оркестра русских народных инструментов), Moskau. 1966–67 in zwei Bänden
  • A. P. Basurmanow/Redaktion durch Nikolai J. Tschaikin: Handbuch der Bajanisten (Справочник баяниста). Hrsg.: Sowetski kompositor (Советский композитор [heute Kompositor Sankt-Petersburg/Композитор Санкт-Петербург]), Moskau 1987
  • Biografisches, enzyklopädisches Wörterbuch der Welt (Всемирный биографический энциклопедический словарь). Hrsg.: Große russische Enzyklopädie (БРЭ) (Verlag). Moskau 1998

Einzelnachweise

  1. Jurij Jakowlewitsch Lichatschjow: Zum 100-jährigen Geburtstag des Komponisten Nikolai Jakowlewitsch Tschaikin. In: www.baspb.ru. Internetseite Bajan und Akkordeon in St. Petersburg, abgerufen am 2. Oktober 2017 (russisch).
  2. Nikolai Tschaikin. In: akkordeonfest.ru. Akkordeonfest (Teil der St. Petersburger Abteilung des russischen kreativen Verbandes der Kulturarbeiter), abgerufen am 2. Oktober 2017 (russisch).
  3. A. P. Basurmanow / Redaktion Nikolai J. Tschaikins: Tschaikin Nikolai Jakowlewitsch. In: www.goldaccordion.com. Sowjetski kompositor, 1987, archiviert vom Original am 20. März 2014; abgerufen am 2. Oktober 2017 (russisch, Online 6. August 2009).
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