Naranjo (Guatemala)
Naranjo (ursprünglich Sa’aal = „Platz der reich ist an Maisgrütze“) ist eine bedeutende archäologische Stätte der klassischen Mayakultur im Nationalpark Yaxhá-Nakum-Naranjo (Cultural Triangle Yaxha-Nakum-Naranjo National Park) im Departamento Petén, Guatemala.
Kurzbeschreibung
Naranjo liegt ca. 100 km (Fahrtstrecke) östlich von Tikal nahe der Grenze zu Belize. Die Stätte umfasst in einem Einzugsgebiet von ca. 8 km² etwa 900 Gebäude, wovon im urbanen Zentrum etwa 400 dokumentiert sind.
Geschichte
Die Geschichte der Stadt lässt sich wenigstens abschnittsweise aus zahlreichen Hieroglyphen-Inschriften rekonstruieren. Demnach war Naranjo nach anfänglichen Aufstieg zu einem bedeutenden Zentrum früh in den Konflikt zwischen Tikal und Calakmul geraten. Naranjo gehörte trotz mehrfachem Souveränitätsverlust an je einen der beiden Kontrahenten zu den bedeutenden Zentren der Hochklassik.
Im Jahr 546 wurde Aj Wosal als 35. Herrscher von Calakmul inthronisiert, womit der finale Anstoß zum Dauerkonflikt mit Tikal gegeben war. Um das Jahr 600 wurde in Holmul von Naranjo aus mit Och Chan Yopaat ein willfähriger Herrscher eingesetzt.[1] Nach dem Tod von Aj Wosal versuchte sein Nachfolger sich von Calakmul abzuwenden, was Caracol, einen engen Verbündeten von Calakmul, im Jahre 626 zur Intervention veranlasste. Für die Folgejahre versank Naranjo in der politischen Bedeutungslosigkeit, konnte sich aber dennoch soweit regenerieren, dass es 680 einen Vergeltungsschlag gegen Caracol führte und den dortigen Herrscher ins Exil trieb. Dieser Erfolg war jedoch kurzlebig, Naranjo unterlag letztlich. Im Jahre 682 entsandte der Herrscher von Dos Pilas Balaj Chan K’awiil, ein weiterer Verbündeter von Calakmul, seine Tochter Wac Chanil Ajaw („Sechs Himmel“) zwecks Heirat nach Naranjo. Sie wirkte nachfolgend als Regentin für ihren Sohn K’ak Tiliw Chan Chaak („Rauchendes Eichhörnchen“). Sie führte mehrere Feldzüge durch, so in den Jahren 695 gegen Tikal, 698 siegreich gegen Ucanal und 710 gegen Yaxha.
Yax Mayuy Chan Chaak, der neue Herrscher von Naranjo, der auch auf einer Vase, die in Buenavista del Cayo gefunden wurde, genannt ist, wurde 744 von Tikal besiegt, gefangen und ebendort geopfert. In der Folge versank Naranjo erneut in der politischen Bedeutungslosigkeit. Gleichwohl konnte Itzamnaaj K’awiil noch einmal einen, diesmal jedoch siegreichen, Feldzug gegen Yaxha durchführen. Weiterhin litt die Stadt um 810 unter einer schweren Dürre. Das letzte dokumentierte Datum der Langen Zählung stammt aus dem Jahr 849. Wenig später muss Naranjo verlassen worden sein.
Bekannte Herrscher
- Tzik’in Bahlam
- Naatz Chan Ahk
- K’inich Tajal Chaak
- Aj Wosal, 35. Herrscher, genannt 546–615
- Wac Chanil Ajaw († 741), Regentin nach 682
- K’ak Tiliw Chan Chaak, 38. Herrscher, genannt 693–728
- Yax Mayuy Chan Chaak († 744)
- K’ak’ Yipiiy Chan Chaak, genannt 746–748
- K’ak’ Ukalaw Chan Chaak, genannt 755–780
- Bat K’awiil
- Itzamnaaj K’awiil, genannt 784–810
- Waaklajuun Ub’aah K’awiil, genannt 814
Erforschung
Zum Endes des 19. Jahrhunderts besuchten Alfred Maudslay und Teobert Maler die Stätte. Sie fanden zahlreiche Stelen und Gebäude noch unbeschädigt vor. Sylvanus Griswold Morley konnte noch die zahlreichen Inschriften vor Ort untersuchen.[2] Ab den 1960er-Jahren kam es zu zahlreichen und massiven Raubgrabungen, aus denen sich vor allem polychrome Keramik und einige Stelen heute in Privatbesitz befinden. Seit im Jahre 2002 Naranjo bei World Monuments Fund gelistet und als UNESCO-Welterbe nominiert war, fanden umfassende Untersuchungen und Restaurierungsarbeiten statt, die 2006 soweit abgeschlossen waren. Im Jahr 2008 unterstützte der U.S. State Department Ambassadors Fonds für kulturelle Erhaltung die Restaurierung des Tempels mit Hieroglyphen-Treppe. Naranjo bildet mit Yaxha und Nakum ein gemeinsames Forschungsgebiet.[3]
Literatur
- Vilma Fialko, Eduardo Williams: Archaeological Research and Rescue Project at Naranjo: Emerging Documentation in Naranjo's, Palacio de la Realeza, Petén, Guatemala. 2009 (PDF; 4,2 MB)
- Nikolai Grube (Hrsg.): Maya, Gottkönige im Regenwald. Potsdam 2012, S. 118, 162–167, 173, 245, 251–252 u. 446f
- Simon Martin/Nikolai Grube: Chronicle of the Maya Kings and Queens. Deciphering the Dynasties of the Ancient Maya. Thames & Hudson, 2. Aufl., London 2008, ISBN 978-0-500-28726-2, S. 68–83.
- Linda Schele, David Freidel: Die unbekannte Welt der Maya. Das Geheimnis ihrer Kultur entschlüsselt. Weltbild Verlag, Augsburg 1995, ISBN 3-89350-737-X.
Einzelnachweise
- Giant Maya Carvings Found in Guatemala. In: National Geographic, August 07, 2013.
- Sylvanus Griswold Morley: 1909 The Inscriptions of Naranjo, Northern Guatemala. In: American Anthropologist, 11(4), S. 543–562.
- Cultural Triangle Yaxha-Nakum-Naranjo National Park.