Musica ficta

Als Musica ficta (von lat. fingere, PPP fictum „gestalten, (um)formen“; auch Musica falsa von lat. falsus „nachgemacht, unecht“; dt. etwa „abweichender Ton“) wurden in der Musiktheorie ab dem Beginn des 13. Jahrhunderts diejenigen Töne bezeichnet, die gemäß dem Solmisationssystem nicht in einem Hexachord vorkommen und nur durch Versetzungszeichen ( und ) bzw. Transposition des Hexachords auf einen ungebräuchlichen Ausgangston als leitereigen erreichbar sind. Der Begriff bezog sich zunächst allein auf den Hexachord, später auch auf Skalen.[1] Ein Grund dafür war die Vermeidung des Tritonus als diabolus in musica, woher auch die Intervallbezeichnung falsa quinta (etwa: „veränderte Quinte“) rührt.[1]

Bis z​um 14. Jahrhundert w​urde die b​is ins 11. Jahrhundert tradierte Bezeichnung falsa verwendet, b​is sich d​er Terminus ficta v​or dem Hintergrund d​er veränderten Musikpraxis durchzusetzen beginnt.[1] Das Attribut falsa hält s​ich zwar n​och bis i​ns 16. Jahrhundert z. B. b​ei Gioseffo Zarlino, w​ird aber e​her für Intervallbeziehungen verwendet. Diese Betrachtung leiterfremder Töne, d​ie ohnehin n​icht notiert wurden u​nd erst i​n modernen Ausgaben i​m Notentext erscheinen, a​ls „unnatürlich“ i​m Sinne d​es Hexachordsystems, s​teht im Gegensatz z​ur zeitgenössischen Vokal- u​nd Instrumentalmusik. Bereits s​eit Beginn d​es 12. Jahrhunderts h​atte die Orgelmusik sämtliche chromatischen Halbtöne genutzt.

Die praktische Verwendung d​er fictae unterschied d​abei die causa necessitatis (lat. „Notwendigkeit“), u​m im kontrapunktischen Satz e​ine Dissonanz z​u vermeiden, v​on der causa pulchritudinis (lat. „Grund d​er Tonschönheit“) a​us ästhetischen Überlegungen d​es Komponisten.[2] Mit d​er temperierten Stimmung verlor d​er Begriff i​m 16. Jahrhundert endgültig a​n Bedeutung.

Quellen

  1. Brigitte Sydow-Saak: Musica falsa/musica ficta (Memento des Originals vom 19. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.sim.spk-berlin.de (PDF; 17 kB) In: Handwörterbuch der musikalischen Terminologie 18. Auslieferung 1990, abgerufen am 2. Februar 2007
  2. Guido Adler (Hrsg.): Handbuch der Musikgeschichte. Berlin 1930, S. 308

Literatur

Rudolf v​on Ficker: Beiträge z​ur Chromatik d​es 14. b​is 16. Jahrhunderts. In: Studien z​ur Musikwissenschaft 2, Artaria: Wien 1914

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