Musculus vastus medialis
Der Musculus vastus medialis (lateinisch, wörtlich: „zur Mitte [lat. medius zentral, mittig, dazwischenliegend] gelegener breiter [lat. vastus riesig, weit] Muskel“, deutsch: „innerer Schenkelmuskel“;[1] alter Name: Musculus vastus tibialis[2]) ist einer der vorderen Muskeln des Oberschenkels. Er ist ein Kopf des Musculus quadriceps femoris[3] („vierköpfiger Oberschenkelmuskel“). Dieser Quadriceps hat, wie sein Name (lateinisch quadr- vier- und -ceps -köpfig) aussagt, vier Köpfe. Der Musculus vastus[4] hat drei dieser vier Köpfe. Es handelt sich dabei um den Musculus vastus intermedius, den Musculus vastus lateralis und um den Musculus vastus medialis. Diese drei Einzelmuskeln sind eingelenkige Muskeln, indem sie nur auf das Kniegelenk wirken.[5]
Musculus vastus medialis |
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vordere Oberschenkelmuskulatur |
Ursprung |
Innenfläche des Femur, distaler Teil der Linea intertrochanterica |
Ansatz |
Außenfläche der Kniescheibe, Tuberositas tibiae des Schienbeins |
Funktion |
Strecker des Kniegelenks |
Innervation |
Nervus femoralis |
Spinale Segmente |
L2-L4 |
In die Ansatzsehne des Quadriceps ist die Kniescheibe als Sesambein eingelagert. Über das Ligamentum patellae ist die Sehne schließlich an der Tuberositas tibiae des Schienbeins befestigt und bildet so den Ansatz des Muskels.[6] Der Bauch des Musculus vastus medialis reicht weiter kniewärts als der des Musculus vastus lateralis, wodurch der sogenannte Suprapatellarwulst entsteht, eine Vorwölbung oberhalb der Kniescheibe.
Der Musculus vastus medialis kann funktionell in zwei Portionen untergliedert werden, die aber anatomisch weder durch eine Sehneneinstrahlung getrennt sind noch eine getrennte Innervation aufweisen. Der Hauptteil, der Musculus vastus medialis longus (lat. longus ‚lang‘), hat seinen Ursprung mit etwa vertikalem Faserverlauf an der Innenfläche des Oberschenkelknochens (Linea aspera am Femur bis zur Crista intertrochanterica am Trochanter major hinauf) und seinen Ansatz an der Kniescheibe. Der kniewärts gelegene Muskelabschnitt, der Musculus vastus medialis obliquus (lat. obliquus ‚schräg‘; hellrot in der nebenstehenden Abbildung), entspringt dagegen von der Sehne des Musculus adductor magnus und zieht mit schrägem bis fast horizontalen Faserverlauf an die Innenseite der Kniescheibe.[7] Beide Muskelanteile unterscheiden sich auch in der Muskelfaserzusammensetzung: Im schrägen Anteil dominieren schnell kontrahierende Typ-2-Fasern.[8] Die beiden Portionen sind jedoch (ebenso wie auch der Oberbegriff Musculus vastus) nicht in der aktuellen Terminologia Anatomica ausgewiesen.[9]
Funktion
Der Musculus vastus medialis streckt zusammen mit den drei anderen Anteilen des Musculus quadriceps femoris das Kniegelenk (Streckung des Unterschenkels).[10] Zudem wirkt insbesondere der Zug der horizontal in Richtung Kniescheibe verlaufenden Muskelfaserzüge des Muskels (Musculus vastus medialis obliquus) stabilisierend auf die Kniescheibe.[11] Dieser Zug (horizontale Kraftkomponente) wirkt dem nach lateral gerichteten Seitwärtszug der übrigen Quadriceps-Anteile entgegen und zentriert die Kniescheibe in der Gelenkfläche des Oberschenkelknochens. Eine Schädigung des Muskels führt zu einer Seitwärtsverkippung und zu einer Verlagerung der Kniescheibe mit Erhöhung des Anpressdrucks ihrer Außenseite, mit einer Verminderung des Gelenkkontakts an ihrer Innenseite und mit einer dadurch verringerten Stabilität des Kniegelenks.[12]
Der Musculus vastus medialis wird vom Oberschenkelnerv (Nervus femoralis) innerviert,[13] der einen eigenen Ramus muscularis (Muskelast) in den Muskel entsendet, welcher sich dort verzweigt.[14]
Literatur
- Michael Schünke: Funktionelle Anatomie – Topographie und Funktion des Bewegungssystems. Georg Thieme, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-13-118571-6, S. 344.
Einzelnachweise
- Duden: Das Wörterbuch medizinischer Fachausdrücke. 4. Auflage. Bibliographisches Institut, Mannheim / Wien / Zürich 1985, ISBN 3-411-02426-7, ISBN 3-13-437804-3, S. 462.
- Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 61. bis 84. Auflage. Walter de Gruyter Verlag, Berlin 1944, S. 487.
- Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Wörterbuch der Medizin. 15. Auflage. Verlag Ullstein Mosby, Berlin 1992, ISBN 3-86126-015-8, ISBN 3-86126-018-2, S. 1413.
- Hexal Lexikon Orthopädie, Rheumatologie. Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore 1992, ISBN 3-541-16421-2, S. 200.
- Johannes Sobotta, Hellmut Becher: Atlas der Anatomie des Menschen, Band I. 17. Auflage. Urban & Schwarzenberg, München / Berlin / Wien 1972, ISBN 3-541-02817-3, Nachdruck 1979, S. 233.
- Günter Thiele (Hrsg.): Handlexikon der Medizin. Urban & Schwarzenberg, München / Wien / Baltimore ohne Jahr, Band 3 (L–R), S. 1647.
- H. B. Rajput, S. J. Rajani, V. H. Vaniya: Variation in Morphometry of Vastus Medialis Muscle. In: Journal of clinical and diagnostic research: JCDR. Band 11, Nummer 9, September 2017, S. AC01–AC04, doi:10.7860/JCDR/2017/29162.10527, PMID 29207687, PMC 5713709 (freier Volltext).
- L. Travnik, F. Pernus, I. Erzen: Histochemical and morphometric characteristics of the normal human vastus medialis longus and vastus medialis obliquus muscles. In: Journal of anatomy. Band 187 (Pt 2), Oktober 1995, S. 403–411, PMID 7592003, PMC 1167435 (freier Volltext).
- Terminologia Anatomica
- Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 264. Auflage. Walter de Gruyter Verlag, Berlin / Boston 2012, ISBN 978-3-11-027788-3, S. 1384. Gemeint ist wohl die Streckung des Beins im Kniegelenk.
- Michael Schünke: Funktionelle Anatomie – Topographie und Funktion des Bewegungssystems. Georg Thieme, Stuttgart 2000, ISBN 978-3-13-118571-6, S. 344.
- J. Stephen, A. Alva, P. Lumpaopong, A. Williams, A. A. Amis: A cadaveric model to evaluate the effect of unloading the medial quadriceps on patellar tracking and patellofemoral joint pressure and stability. In: Journal of experimental orthopaedics. Band 5, Nummer 1, September 2018, S. 34, doi:10.1186/s40634-018-0150-8, PMID 30203221.
- Roche Lexikon Medizin. 5. Auflage. Urban & Fischer, München / Jena 2003, ISBN 3-437-15156-8, S. 1262.
- Frank Henry Netter: Farbatlanten der Medizin. Band 5. Georg Thieme Verlag, Stuttgart / New York 1987, ISBN 3-13-524401-6, S. 123.