Mulgrew Miller
Mulgrew Miller (* 13. August 1955 in Greenwood, Mississippi; † 29. Mai 2013 in Allentown, Pennsylvania[1]) war ein US-amerikanischer Jazzpianist und Komponist.
Leben
Mulgrew Miller war in seiner Jugend früh von vielfältiger Musik umgeben. Er spielte Gospelmusik in der Kirche in Memphis und Rhythm & Blues auf Tanzveranstaltungen. Jazzplatten seines Bruders erweckten sein Interesse für Jazz, und er bewegte sich als Schüler auf der High School mit einer eigenen Band, die auf Cocktailpartys spielte, in Richtung Jazz.[2] Sein entscheidendes Hörerlebnis war ein Fernsehauftritt von Oscar Peterson, den er mit 14 Jahren sah und der in ihm den Entschluss reifen ließ, Jazzpianist zu werden. Er besuchte die Memphis State University, wo er sich mit seinen Mitstudenten, den Jazzpianisten James Williams (dessen Kompositionen er nach dessen Tod 2004 ein eigenes Album[3] widmete) und Donald Brown, anfreundete. Zusammen hörten sie häufiger Auftritte von Phineas Newborn im Gemini, der neben Peterson ein prägender Einfluss auf Miller war. Mit Brown und Williams spielte er dessen Musik in den 1990er Jahren im Contemporary Piano Ensemble.
Am 29. Mai 2013 erlag Miller den Folgen eines Schlaganfalls.[4]
Wirken
1977 wurde er, nachdem er nach Los Angeles gezogen war, Pianist in der von Mercer Ellington geführten Ellington-Ghostband; bei ihnen blieb er drei Jahre. 1977 tourte er in Europa. Zuvor war er als Student für deren Pianisten eingesprungen. Im Jahr 1980 begleitete er (auf Empfehlung von Cedar Walton) acht Monate lang Betty Carter und kam bei dieser Gelegenheit in die New Yorker Jazzszene. Nach kurzer Zeit mit Johnny Griffin war er 1981 bis 1983 Mitglied des Quintetts von Woody Shaw, zu hören auf Basel 1980 und Lotus Flower. Von 1983 bis 1986 war er Mitglied von Art Blakeys Jazz Messengers. Dann spielte er sieben Jahre (1986 bis 1994) in Tony Williams' Quintett, der ihn anfangs für eine Blue-Note-Session holte und mit dem er Mitte der 1980er Jahre u. a. in Köln gastierte.
Gleichzeitig begann Miller als Bandleader Aufnahmen zu machen, zuerst 1985 bei Landmark (Keys to the City). Als Leader spielte er sowohl im Trio als auch im Quintett. Sein Trio bestand lange Jahre aus Richie Goode am Bass und Karriem Riggins am Schlagzeug, später mit Riggins und Derrick Hodge am Bass (bei den Aufnahmen Live at Yoshi’s 2004, 2005). Weitere Mitglieder seiner Rhythmusgruppen waren der Bassist Ira Coleman und der Schlagzeuger Marvin Smitty Smith (z. B. auf seinem Debütalbum), sowie der Bassist Charnett Moffett und die Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington (z. B. auf ihrem zweiten Album Work) und der aus Memphis stammende Schlagzeuger Tony Reedus, mit dem er schon bei Woody Shaw spielte. Ein weiteres langjähriges Projekt war sein Quintett Wingspan mit (in der ursprünglichen Besetzung) zusätzlich zu Goode und Riggins Steve Wilson am Altsaxophon und Steve Nelson am Vibrafon, mit denen er zuerst 1987 aufnahm (Wingspan, gefolgt von The Sequel 2002). Miller trat auch als Komponist hervor – beispielsweise auf seinem Album Hand in Hand (u. a. mit Kenny Garrett und Joe Henderson) von 1992 spielt er Eigenkompositionen.
Miller begleitete die Sängerinnen Dianne Reeves und Cassandra Wilson und spielte u. a. mit Donald Byrd, Terell Stafford, Toots Thielemans, Wallace Roney, Gary Bartz (im Quintett 1987), Gary Thomas, Bobby Hutcherson, Joe Lovano.[5]
Anlässlich der Feiern zu Duke Ellingtons 100. Geburtstag 1999 spielte Mulgrew Miller mit dem Bassisten Niels-Henning Ørsted Pedersen im Duo (nach dem Vorbild des Duette Ellingtons mit Jimmy Blanton, veröffentlicht als The Duets, 1999) und tourte in Deutschland. Danach war er mit Steve Turre zusammen auf Festivals zu hören. Sie spielten Musik von Rahsaan Roland Kirk und knüpften an ihre frühere Zusammenarbeit an. 2006 trat er auf dem JazzBaltica-Festival in Salzau mit seinem Trio auf. 2012 entstand mit Klüvers Big Band das Album Grew’s Tune. Posthum erschien 2021 das Album In Harmony, ein Konzertmitschnitt mit dem Trompeter Roy Hargrove 2006/07.
An der William Paterson University war Mulgrew Miller (als Nachfolger des verstorbenen James Williams) Leiter des Jazzstudienprogramms.
Stilistische Einordnung
Joachim-Ernst Berendts und Günther Huesmanns Jazzbuch ordnet Mulgrew Miller in den Neo-Hardbop ein, beeinflusst u. a. von der Coltrane-McCoy Tyner Tradition. „Miller emotionalisiert das klassizistische Jazz-Piano mit vitaler attacca und einem wogenden Sinn für musikalische Höhepunkte: eindrucksvolle spritzige, agile Linien und pralle Akkorde voll unerwarteter Wendungen.“[6] Brian Priestley sieht Miller als „brillanten Techniker, der wesentliche Einflüsse des Jazzpianos der 60er und 70er Jahre verarbeitet hat“.[7] Nach Richard Cook und Brian Morton ist der Hard Bop Millers „natürliches Metier“.[8]
Ein prinzipielles Beispiel für Mulgrew Millers Stimmführung in einer VI – II – V – I Akkordverbindung (in G-Dur).
Durch die tiefe Quinte im A-7 ergeben sich beim Übergang zu D7 wichtige Stimmkreuzungen, wobei sich die zweite und fünfte Stimme abwechselnd in Terzen und Sekunden bewegen. Die Verdoppelungen der wichtigen Töne Terz und Septime oder nur der Septime sind auffallend. Es gibt Pianisten, die einen ähnlichen Klang erzeugen, weil sie eine ähnliche Stimmführung verwenden: Horace Silver, Walter Davis Jr., Sam Dockery oder Ray Charles.
Diskografische Hinweise
Als Leader
Albumtitel | Albumdetails |
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Keys to the City |
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Work! |
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Wingspan |
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The Countdown |
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From Day to Day |
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Time and Again |
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Hand in Hand |
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With our own Eyes |
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Getting to Know You |
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Radiomitschnitt |
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The Duets |
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The Sequel |
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Live at the Kennedy Center, Volume One |
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Live at Yoshi’s |
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The Duo - Live! |
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Als Sideman
Woody Shaw
- Lotus Flower, 1982, Enja
- Live in Bremen 1983, Elemental Muaic (ed. 2018)
Mit Tony Reedus
- The Far Side, 1988, Jazz City (mit Bill Evans am Sopransaxophon)
Mit Art Blakey und den Jazz Messengers
- Live at Kimball’s, 1986, Concord
- The New York Scene, 1984, Concord
Mit Cassandra Wilson
- Blue Skies, 1988, JMT
Mit Kenny Garrett
- Garrett 5, 1989, Bellaphon
- African Exchange Student, 1990, Atlantic Jazz
Mit Dianne Reeves
- That Day, 1997, Blue Note.
Mit Tony Williams
- Young at Heart, 1996, Columbia
Mit David Klein Quintet feat. Miriam Klein
- My Marilyn, 2001, Enja
Literatur
- Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley: Rough Guide Jazz. Der ultimative Führer zum Jazz. 1800 Bands und Künstler von den Anfängen bis heute. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2004, ISBN 3-476-01892-X.
- Richard Cook, Brian Morton: The Penguin Guide to Jazz on CD. 6. Auflage. Penguin, London 2002, ISBN 0-14-051521-6.
- Joachim-Ernst Berendt, Günter Huesmann: Das Jazzbuch. Fischer TB, Frankfurt 1991.
Weblinks
- Literatur von und über Mulgrew Miller im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Reshaping the familiar, Interview 2006 bei All About Jazz
- Interview 2002 bei All About Jazz
- Michael Fitzgerald: Diskografie.
- weltanschauliches Interview
- Nachruf in JazzTimes
- Terence Blanchard: Nachruf.
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Nachruf. In: the New York Times
- Interview, All About Jazz, 2002
- Live at Yoshi’s, Volume 2
- Nachricht in The Jazz Line
- jazzdiscography.com
- vgl. Berendt/Huesmann S. 377
- Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley: Rough Guide Jazz. Der ultimative Führer zum Jazz. 1800 Bands und Künstler von den Anfängen bis heute. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2004, ISBN 3-476-01892-X, S. 440.
- Cook/Mortons Artikel zum Album Milestones.