Morgue des Hospizes auf dem Grossen St. Bernhard
Die Morgue des Hospizes auf dem Grossen St. Bernhard ist ein 1476 nahe dem Hospiz auf dem Grossen St. Bernhard errichtetes Ossuarium. Nach der Überlieferung wurden in ihm die Gebeine der am 17. und 19. April 1476 auf dem Pass gefallenen piemontesischen Soldaten bestattet. Bis in die Neuzeit wurde die Morgue zur Aufbewahrung für im Winter aufgefundene Bergopfer genutzt.
Geschichte
Im Rahmen der Burgunderkriege kam es am 17. und am 19. April 1476 auf dem Grossen St. Bernhard zu Kampfhandlungen zwischen den mit Bern verbündeten Wallisern und mit Burgund verbündeten Piemontesen unter der Anführung des Herzogs Louis de Challant. Die nach den Urkunden 1476 errichtete Neue Morgue des Hospizes diente der Überlieferung nach als Ossuarium für die Gefallenen.[1] In den folgenden Jahrhunderten wurden in dem kleinen Gebäude Bergopfer bestattet. Das Gelände des Hospizes ist weitgehend felsig. Zudem ist der Boden für sieben Monate im Jahr gefroren. Eine Bestattung der am Pass im Winter umgekommenen Reisenden und Bergopfer war somit vor Ort mit vertretbarem Aufwand nicht möglich. Die Toten wurden daher aus Platzgründen, so wie sie aufgefunden wurden, zunächst in Laken gehüllt auf einem Tisch aufgebahrt, dann mit Schnüren an Brettern fixiert und senkrecht in der hinteren Kammer des Gebäudes aufgestellt. Durch die trockene Luft, die durch zwei gegenüber liegende vergitterte Wandöffnungen zog, und die Kälte mumifizierten die Körper und bewahrten über viele Jahre weitgehend ihr Aussehen und ihre Gesichtszüge. Mit der Zeit lösten sich die Schnüre und die zusammengefallenen Körper verrotteten aufgrund der Bodenfeuchte. Die Gebeine wurden dann in der vorderen Kammer gestapelt.[2] Pater Detry berichtete 1949 ein Besucher habe noch nach vielen Jahren seinen Onkel erkannt.
Die Morgue als touristisches Ziel
Bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Morgue eine beliebte touristische Attraktion auf dem Weg über den Pass. Das zuweilen ungebührliche Verhalten der Besucher bis hin zur Entwendung von Leichenteilen als Souvenir führte dazu, dass die Morgue 1950 zugemauert wurde. Ende der 1970er Jahre wurde für eine Filmdokumentation eine kleine Tür eingebaut. Die Räumlichkeiten sind jedoch nicht mehr öffentlich zugänglich. Aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert stammen etliche lithographierte Darstellungen und Fotoansichten der Mumien auf Postkarten.
Literatur
- Louis Blondel: L’Hospice du Grand St-Bernard – Étude archéologique, S. 39f. (Online, PDF, abgerufen am 23. Juni 2018)
- Théo Wyler: Die Morgue auf dem St. Bernhard. In: Als die Echos noch gepachtet wurden: aus den Anfängen des Tourismus in der Schweiz, Neue Zürcher Zeitung, 2000, S. 49ff.
Weblinks
- La morgue de l’Hospice du Grand-Saint-Bernard auf notrehistoire.ch
- Der Mönch Jules Detry erklärt die Funktion der Morgue (französisch)
Einzelnachweise
- Louis Blondel: L'Hospice du Grand St-Bernard - Étude archéologique, S. 39f.
- Francis Wharton: Wharton and Stille’s Medical jurisprudence. V. 2, Band 2, Teil 1, Kay, 1873, Anmerkung p auf S. 265.