Montevideo Estación Central General Artigas
Der Bahnhof Estación Central General Artigas war der Hauptbahnhof der uruguayischen Hauptstadt Montevideo. Nach verschiedenen, kleineren Bahnhöfen im Umfeld des heutigen Bahnhofes wurde der Bau des italienischen Architekten Luis Andreoni am 15. Juli 1897 in Betrieb genommen. Bedingt durch das Urbanisierungskonzept „Plan Fénix“ wurde der Bahnhof zum 1. März 2003 stillgelegt und durch einen wesentlich kleineren Bahnhof 500 Meter weiter nördlich ersetzt. Bis heute ist das denkmalgeschützte Gebäude ungenutzt.
Geschichte
Vorgänger
Den ersten Bahnhof erhielt Montevideo im Jahr 1871, nachdem die erste uruguayische Eisenbahnstrecke zwischen Las Piedras und Bella Vista (heute Bahnhof Lorenzo Carnelli, inzwischen nach Montevideo eingemeindet) zum 16. Juli bis in die Innenstadt von Montevideo verlängert wurde. Die erste Eisenbahnstrecke selbst war bereits zwei Jahre vorher, am 1. Januar 1869, zwischen den beiden Bahnhöfen eröffnet worden. Der Bahnhof befand sich an der Straßenkreuzung Sur-Oeste de Orillas del Plata (heute Calle Galicia) und Calle del Río Negro.
Der erste Gebäude wurde im Jahr 1874 durch einen zweistöckigen Neubau in der Calle Río Negro (zwischen der heutigen Calle La Paz und Calle Valparaíso) ersetzt, da erst in diesem Jahr die Eisenbahnstrecke in ihre endgültige Lage gelegt wurde. Der Bahnhof besaß zur heutigen Calle Paraguay einen Güterbahnsteig sowie und einen einzigen Bahnsteig für Personenzüge.
Eröffnung des Neubaus
Am 14. Dezember 1891 wurde das Bahnhofsgebäude durch einen Brand vollständig zerstört. Daraufhin beschloss die Ferrocarril Central, am gleichen Ort einen neuen Bahnhof zu errichten. Die Eisenbahngesellschaft beauftragte den Architekten Luis Andreoni mit dem Bau. Die Arbeiten begannen dafür 1892, am 27. August 1893 wurde der Grundstein für das neue Bahnhofsgebäude gelegt. Andreoni entwarf einen Kopfbahnhof nach europäischem Vorbild im eklektizistischen Stil mit einem Querriegel sowie zwei parallel zu den Gleisen liegenden Bahnhofsflügeln. Das 47 Meter mal 120 Meter große Hallendach des Bahnhofs wurde nicht komplett verglast, sondern größtenteils mit Zinkplatten gedeckt. Am 23. Juni 1897 eröffnete die Ferrocarril Central feierlich den Bahnhof, den Zugbetrieb nahm die Eisenbahngesellschaft am 15. Juli desselben Jahres auf. 1930 zogen die Fahrkartenschalter, die sich zu dem Zeitpunkt weiterhin außerhalb des Bahnhofes in der Calle Río Negro befanden, in die große Bahnhofshalle, nachdem ein Großrestaurant ausgezogen war.
Am 31. Januar 1949 wurde der Verstaatlichung der uruguayischen Eisenbahnen durch eine Gedenktafel im Bahnhof gedacht, bevor diese 1952 mit der Vereinigung der Ferrocarril Central del Uruguay (FCCU) und der Ferrocarriles y Tranvías del Estado (FTE) zur Administración de Ferrocarriles del Estado (AFE) abgeschlossen werden konnte. 1955 benannte die uruguayische Staatsregierung den Bahnhof, der bis dahin einfach Estación Central hieß, zu Ehren des Nationalhelden Uruguays, José Artigas, in Estación Central José Artigas um. 1974 wurde dies in Estación Central General Artigas geändert.
Mit dem Beschluss 1097/975 vom 8. Juli 1975 wurde der Bahnhof als Nationaldenkmal (Monumento Histórico Nacional) eingestuft, es erhielt die Nummer 019-139.
Mit der Aufnahme des Expresszug-Betriebs mittels der Ganz-Mavag-Züge wurde auch die Bahnsteighalle 1977 modernisiert.
Weiterentwicklung bis zur Schließung
Nachdem am 2. Januar 1988 alle Fahrgastzüge eingestellt wurden, nutzt die AFE die Bahnsteighalle für verschiedene Ausstellungen, während die Verwaltungsbüros und der Güterterminal weiterhin in gewohntem Maße genutzt wurden. Nachdem 1991 erste Sonderzüge in verschiedene Teile des Landes fuhren, begann am 25. August 1993 ein Vorortbahnrumpfbetrieb zwischen dem Hauptbahnhof und 25 de Agosto.
1996 wurde ein Teil des Güterterminals an die ANTEL verkauft, die auf diesem Gelände Teile des Komplexes um den Torre de las Telecomunicaciones errichtete. 1998 verkaufte der Staat das Bahnhofsgebäude an die Banco Hipotecario del Uruguay, da das gesamte Gebiet Teil des neuen Plan Fénix war. Dieser Plan Fénix sah ein Urbanisierungskonzept für den nördlichen Teil des Zentrums um den Hauptbahnhof vor, das Gebäude sollte in ein kulturelles Einkaufszentrum umgebaut werden, Teile der vorhandenen Güterterminals in einen Großsupermarkt. Da in dem Plan kein Eisenbahnverkehr im Hauptbahnhof vorgesehen war, begann 1999 der Bau eines Ersatzbahnhofes 500 Meter weiter nördlich des Bahnhofes. Nach zahlreichen Baumängeln und Verzögerungen konnte der Ersatzbahnhof mit drei Bahngleisen seinen Betrieb am 1. März 2003 aufnehmen. Seitdem befand und befindet sich der alte Hauptbahnhof außer Betrieb und ohne Gleisanschluss. Da die Bank 2003 der AFE die Erlaubnis entzog, den Bahnhof zu nutzen, musste auch die Verwaltung der AFE ausziehen. Gleichzeitig brachte die Schließung zahlreiche Nachteile mit sich. Zum einen gingen dem uruguayischen Eisenbahnverkehr aufgrund der erheblich größeren Distanz zum Zentrum mehr als 100.000 Fahrgäste pro Jahr verloren, außerdem mussten für die Verwaltung neue (angemietete) Räumlichkeiten gesucht werden und der Güterverkehr zur uruguayischen Hauptstadt verzögert sich seitdem regelmäßig, da es nicht mehr genug Aufstell- und Abladeflächen für die Güterwaggons gibt.[1] Aufgrund der uruguayischen Bankenkrise 2002 wurde der „Plan Fénix“ bis heute nicht vollendet.
Im Februar 2007 wurde der Bahnhof wieder an das nationale Eisenbahnnetz angeschlossen. Ende 2008 wurde das Bahnhofsvorfeld hergestellt, um wiederum Verkehr in Richtung des benachbarten Hafens aufnehmen zu können. Bis heute kämpft eine uruguayische Bürgervereinigung für eine Reaktivierung des Bahnhofes, konnte sich jedoch bisher nicht mit ihrem Anliegen durchsetzen. Verschiedene Pläne zur Wiedernutzung des Bahnhofes, unter anderem als Sitz des uruguayischen Intendentenkongresses,[2][3] scheiterten bisher. Von zahlreichen Seiten wird die Verwahrlosung des ehemaligen Hauptbahnhofes der uruguayischen Hauptstadt als symptomatisch für den Zustand des Eisenbahnnetzes in Uruguay gesehen.[1]
Literatur
- Guía Arquitectónica y Urbanística de Montevideo. 3. Auflage. Intendencia Municipal de Montevideo u. a., Montevideo u. a. 2008, ISBN 978-9974-600-26-3, S. 89, 157.
Weblinks
- Fotos des Bahnhofes aus den 1950er/1960er Jahren
- Seite der Bürgerbewegung, die für eine Wiedereröffnung des Bahnhofes kämpft (spanisch)
Einzelnachweise
- Fernán R. Cisnero: El monstruo lento, [Das langsame Monster], El País, 19. September 2009
- Marcelo Bustamante: Vieja estación de AFE servirá de sede del Congreso de Intendentes, [Alter AFE-Bahnhof wird Sitz des Intendentenkongresses], La República, 20. September 2008
- Nueva vida para edificio de Estación Central, [Neues Leben für das Gebäude des Hauptbahnhofes], El País, 6. August 2009