Mietlager
Ein Mietlager, auch Selbstlagerzentrum, Miet-Box, Selfstorage ist ein Angebot bzw. ein Ort zur Lagerhaltung nicht ständig benötigter Möbel und anderer Dinge, das in den 1960ern als Self Storage erstmals in Nordamerika angeboten wurde.
Der englische Begriff Self Storage bedeutet so viel wie „selbst einlagern“. Es handelt sich nicht um Wohnräume. Laut dem Verband deutscher Self Storage Unternehmen e.V. wird unter Selfstorage „das Selbst-Einlagern von Gegenständen durch Privatleute oder Firmen in abgeschlossenen, sicheren, sichtgeschützten und bequem zugänglichen individuellen Mieteinheiten unterschiedlicher Größe bei sehr flexiblen Mietzeiten“ verstanden. Die Errichtung von Selbstlagerzentren erhält ihren Sinn vor allem vor dem Hintergrund, dass gerade in Großstädten Bewohnern oft nicht ausreichend Platz zur Lagerung von nicht nutzbarem Wohnungsinventar zur Verfügung steht. So verfügt beispielsweise jeder fünfte Haushalt der wesentlichen deutschsprachigen Großstädte über nur mangelhafte Stauraummöglichkeiten.[1] Neben dem Mangel an ausreichendem Stauraum kann auch die zunehmende berufliche Flexibilität die Nutzung eines Selbstlagers notwendig machen, etwa wenn bei einem längeren Auslandsaufenthalt die heimische Wohnung aufgelöst wird, eine Mitnahme des Mobiliars aber nicht möglich oder unerwünscht ist.
Geschichte
Bereits Ende der 1960er Jahre begannen Landbesitzer im Westen der USA, kleine Schuppen zu bauen, um sie lokal den Bewohnern von Appartements als Stau- und Lagerraum anzubieten. Das wahrscheinlich erste Self Storage in Europa war das von Ingo Protz 1979 eröffnete Ministorage in Zürich-Oerlikon,[2] das laut Firmenangabe 2008 in der Firma Zebrabox Ministorage AG aufging. Für 1984 ist ein ähnliches Projekt in England bekannt, in dem der Engländer Carl Hanauer einen Stall in London umbaute und als Lagerraum vermietete. Über Frankreich, Belgien und die Niederlande fand Selfstorage schließlich den Weg nach Deutschland[3] und hat inzwischen auch Österreich, die Schweiz, Spanien und Portugal erreicht. Auch in Skandinavien finden sich mittlerweile erste Anbieter von Lagerhäusern. Der Kunde ist hier sein eigener Lagerist.
Seit einigen Jahren macht sich auch im Selfstorage ein Trend hin zur Digitalisierung sichtbar. Von der Online-Buchung bis hin zur hin zum digitalen Zutritts-System, mit welchem 24/7 Zugang zum Lager gewährleistet, vereinfacht Prozesse für den Kunden sowie den Lageranbieter. Vorreiter mit einem solchen System war die Schweizer Storage Anbieterin placeB.[4]
Die Selfstorage-Industrie in den USA und Europa
USA
Im Jahr 2011 gab es in den USA 50.048 Selfstorage-Standorte mit etwa 237 Mio. m² vermietbarer Lagerfläche, was einem Standort pro 6.876 US-Bürgern bzw. 0,69 m² vermietbare Selfstorage-Lagerfläche pro Bürger entspricht. Ist der Markt in den Jahren 2004 bis 2007 mit durchschnittlich 14,8 % p. a. verhältnismäßig stark gewachsen, so waren die Steigerungsraten der zu vermietenden Flächen in den Jahren 2008 bis 2011 mit durchschnittlich 5,36 % p. a. deutlich geringer. Von 2009 auf 2010 ist die vermietbare Fläche sogar geringfügig zurückgegangen, während die Anzahl der Standorte aber weiterhin wuchs. Der US-amerikanische Markt scheint dennoch nicht vollkommen saturiert zu sein. Basierend auf der durchschnittlichen Industrie-Auslastung von 79,7 % im Jahr 2011, ergibt sich somit eine tatsächlich vermietete Fläche von 0,55 m² für jeden US-Bürger oder eine Penetration des Produkts „Selfstorage“ von rund 6,5 % an der Gesamtbevölkerung der Vereinigten Staaten.
Die Größe und Attraktivität der Branche haben für einen intensiven Wettbewerb gesorgt: Die „Top 10“-Gesellschaften besitzen nur 12,42 % Marktanteil (vermietbare Fläche). Public Storage mit 5,29 % Marktanteil und 2.241 Selfstorage-Standorten ist bei weitem der größte Anbieter, etwa dreimal so groß wie „Extra Storage“, der zweitgrößte Marktteilnehmer, und bereits mehr als 18-mal so groß (Fläche) wie der zehnt-größte Anbieter.[5]
Europa
Im Vergleich zu den USA steht der europäische Selfstorage-Markt mit seinen knapp 3.247 Selfstorage-Standorten im Jahr 2017 und ca. 8,7 Mio. m² vermietbarer Fläche noch am Anfang. Derzeit gibt es in Europa 6,6 Selfstorage-Standorte pro 1 Mio. Einwohner, bzw. 0,018 m² vermietbare Selfstorage-Fläche pro europäischem Bürger. Das bedeutet, dass die Bewirtschaftungsdichte in Europa erst bei rund 1,5 % des US-Markts liegt. Shurgard mit fast 200 Standorten im Vereinigten Königreich, Frankreich, Belgien, Niederlande, Deutschland, Dänemark und Schweden ist klarer Marktführer in Europa.
Auch wenn Europa wegen geringerer Mobilität, anderer Wohn-/Lebenskultur und besserer Verfügbarkeit von Kellern in Häusern wahrscheinlich nie die Marktdurchdringung der USA erreichen wird, zeigt sich am Vergleich dieser Zahlen doch das ein Wachstumspotential der Branche in Europa vorhanden ist.
Innerhalb von Europa ist Großbritannien am stärksten ausgebaut mit ca. 1432 Standorten und rund 4 Mio. m² vermietbarer Lagerfläche. Das entspricht etwa 26,6 Selfstorage-Standorten pro 1 Mio. Einwohner, bzw. 0,06 m² vermietbarer Selfstorage-Lagerfläche pro Bürger. Safe Store mit knapp 100 Standorten war im Jahr 2013 klarer Marktführer in UK, gefolgt von Big Yellow Selfstorage mit 67 Standorten, Access Selfstorage mit 55 Standorten, Storage King (24 Standorte) sowie Lok'n Store (24 Standorte) und Shurgard mit 22 Standorten in UK.
Der deutschsprachige Raum mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern steht mit derzeit knapp 300 Standorten und über 0,6 Mio. m² vermietbarer Selfstorage-Fläche noch ganz am Anfang der Marktentwicklung. In Deutschland (202 Standorte), Österreich (32 Standorte) und der Schweiz (59 Standorte) kommen etwa 0,5 Mio. Bürger auf einen Selfstorage-Standort respektive 0,006 m² vermietbare Selfstorage-Lagerfläche auf jeden Bürger. Potenzial wird insbesondere in Ballungsräumen vermutet, da die meisten Bewohner großer Städte in einem Mietverhältnis leben und deutlich begrenztere Lagermöglichkeiten haben, als es in ländlichen Regionen der Fall ist.
Erhebungen der FEDESSA ergeben, dass für Gesamteuropa im Jahre 2014 etwa 750.000 Mieter von Selfstorage-Lagermöglichkeiten einen Jahresumsatz von mehr als 900 Mio. Euro herbeiführten.
Lagerarten
- Outdoor-Lager
- Günstige, meist nicht beheizte, Lagervariante mit Betonwänden und Metalltüren- sowie Blechdächern.
- Indoor-Lager
- Meist klimatisierte, videoüberwachte und mit Sprinkleranlagen vor Feuer geschützte Räume.
- Driveup-Lager
- Einheiten ähneln einer Garage und verfügen über ein Rolltor zur Be- und Entladung.[6]
- Paketdienste
- Die zu lagernden Artikel werden in einem Paket verpackt und von einem Paketdienst abgeholt, um diese dann in einem zentralen Lager einzulagern. Sobald das Paket wieder benötigt wird, erfolgt die Rücklieferung ebenfalls wieder über den Paketdienst.
- Home-Selfstorage
- Von verschiedenen Logistik-Unternehmen betriebenes Einlagern von Kundenmöbeln. Die Gegenstände werden in der Regel durch Mitarbeiter der Unternehmen eingelagert. Zum Teil fahren die Unternehmen mit einem Fahrzeug mit Wechselaufbau vor, in das die Güter vor Ort eingelagert und abtransportiert werden.
- Convenience Storage/Home Service Box/On Demand Storage
- Einlagern in mobilen Boxen, von handlich bis groß wie eine Garage. Die Boxen werden direkt nach Hause geliefert, abgeholt, in einem Lagerhaus eingelagert und zu einem Wunschtermin zum Kunden zurücktransportiert (beim On Demand Storage innerhalb von 24 Stunden). Für mehrmalige Anlieferung und Abholung entstehen bei vielen Anbietern Zusatzkosten.[7]
Wissenschaftliche Betrachtung von Mietlagern und Selfstorage
Seit einigen Jahren wird Selfstorage auch von Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen als gesellschaftlich relevantes Thema betrachtet. 2011 starteten das Institut für Europäische Ethnologie an der Humboldt-Universität zu Berlin unter Leitung von Wolfgang Kaschuba und MyPlace-SelfStorage die Online-Plattform „Platzprofessor“. Dort werden Texte und wissenschaftliche Arbeiten zum Thema Mietlager und Selfstorage gesammelt und veröffentlicht. Die ersten umfassenden wissenschaftlichen Arbeiten stammen von der Ethnologin Petra Beck[8] und der Soziologin Carmen Keckeis.[9] Mittlerweile wird zu Selfstorage auch von Wissenschaftlern aus den Bereichen Stadtplanung, Architektur und Ökonomie intensiv geforscht.[10]
Siehe auch
- Keller
- Bankschließfach
- Speicher, Dachspeicher
Weblinks
- badische-zeitung.de, 10. März 2018, Kirsten Stuckenhoff: Das Selfstorage-Geschäft wächst – Anbieter auch in Südbaden
- Bauwelt 10.2013, bauwelt.de: Themenheft Selfstorage
- Verband deutscher Self Storage Unternehmen e. V.: selfstorage-verband.de
Quellen
- ssauk.com: Deloitte Real Estate, SSA: The Self Storage Association UK – Annual Survey 2014
- FEDESSA: European Self Storage Annual Survey 2014
- fedessa.org: JLL, SSA: The Self Storage Association UK – Annual Survey 2017
- FEDESSA: European Self Storage Annual Survey 2017
Einzelnachweise
- Stock-world.de: ‚MyPlace-SelfStorage‘ schließt Geschäftsjahr erfolgreich ab — Unternehmen zieht 10-Jahresbilanz vom 24. Juni 2010, zitiert von DJ pressetext.de
- Mini-Storage - auch in der Schweiz im Kommen in Neue Zürcher Zeitung, 30. Juni 2005
- Selfstorage: So schaffen Sie schnell mal Platz, test.de, 10. September 2014, abgerufen am 21. Januar 2015
- Andrea Martel: Self-Storage - voll digitalisiert | NZZ. In: Neue Zürcher Zeitung. (nzz.ch [abgerufen am 11. Februar 2020]).
- 20th Annual Edition Self-Storage Almanac 2012
- Outdoor, Indoor und Drive-Up: Selbstlagerarten im Vergleich. In: selbstlagerbox.de. Abgerufen am 15. Januar 2013 (deutsch).
- On Demand Storage und Selfstorage | STORITY. In: STORITY. (stority.de [abgerufen am 14. September 2018]).
- Petra Beck: Restopia – Self-Storage as Urban Practice »Like a hotel – but for things«. In: Müll. (academia.edu [abgerufen am 7. Mai 2021]).
- Carmen Keckeis: Selfstorage. Wien 2012 (univie.ac.at [abgerufen am 7. Mai 2021] uniwien).
- Wissenschaftliche Arbeiten | MyPlace DE. Abgerufen am 7. Mai 2021.