Michael Brodsky
Michael Mark Brodsky (* 2. August 1948 in New York) ist ein amerikanischer Schriftsteller und Sachbuchautor im medizinischen Bereich.
Leben und Werk
Nach Absolvierung der Bronx High School of Science erwarb er 1969 einen Bachelor an der Columbia University und unterrichtete Französisch und Englisch in Cleveland. 1976 kehrte er nach New York zurück und arbeitete an einem Forschungszentrum für Rheuma-Erkrankungen. Zwischen 1985 und 1991 arbeitete er beim Springer-Verlag. Michael Brodsky lebt auf Roosevelt Island, New York.
In Michael Brodskys Romanen müssen sich orientierungslose Helden mit einer diffusen Außenwelt herumschlagen. Während sich die Tagesabläufe in unzählige Kleinigkeiten aufsplitten, sollen psychologische Strategien aus dem Verkehrswesen (Umleitung, Kreisverkehr) Orientierung verschaffen. In Detour versucht der Held, mit der medizinischen Forscherwelt zurechtzukommen, aber er verliert sich in Einzelheiten und gibt auf. Im „Drei-Sternchen-Roman“ *** wird der Erzählvorgang selbst zerlegt und in Frage gestellt. Im Sinne der Metafiktion entsteht eine Textur, deren Held, Absicht oder Ideologie nicht ausgesprochen werden darf und mit den drei Sternchen als Platzhalter umschrieben wird. In Xman wird ein universeller Nobody zerrieben zwischen Locations, Argumenten und zeitgeistigen Setups, er versickert in einer Welt voller Fallen, durchsetzt mit Unfällen und grausamen Anekdoten. In einer medizinischen Gegenwelt wird schließlich 'lege artis' zu Ende gebracht, was in der Alltagshektik übriggeblieben ist. Überleben kann nur der Typus Xman.
Romane
- Detour, 1978 (erweitere Ausgabe Del Sol Press, 2003)
- Circuits, 1983
- Xman, Four Walls Eight Windows, 1987
- Dyad, Four Walls Eight Windows, 1989
- ***, Four Walls Eight Windows, 1994
- We Can Report Them, Four Walls Eight Windows, 1999
Erzählungen, Kurzgeschichten
- Wedding Feast, 1981
- Project, 1982 (darin: The Envelope of the Given; ins Deutsche übersetzt von Jürg Laederach unter dem Titel “Der Tatbestand und seine Hülle”, 1982)
- X in Paris, 1988
- Three Goat Songs, 1991
- Southernmost, 1996
- Limit Point, 2007
Übersetzung ins Amerikanische
- Eleuthéria von Samuel Beckett, 1995 (Original auf Französisch, 1947)
Literatur
- Helmut Schödel: Michael Brodsky Der Tatbestand und seine Hülle In: DIE ZEIT, 16. September 1983
- Helmuth Schönauer: Tagebuch eines Bibliothekars. Band 1. 1982–1998. Klagenfurt 2015. Darin: Michael Brodsky, X in Paris (S. 248); Sündenbockgesänge, Three Goat Songs (S. 376)
Zitate aus Original-Klappentexten übersetzt
Detour (Auflage 1979)
Dieser Roman eines einzigartig begabten und originellen amerikanischen Schriftstellers wird jeden faszinieren, der bereit ist, sich auf eine psychologisch und künstlerisch kompromisslose Selbstanalyse einzulassen unter dem Aspekt, was es heißt, in den Siebzigern erwachsen zu werden. Völlig auf die eigenen Ressourcen zurückgeworfen, ohne Rückgriff auf eine „Bewegung“ mit Sex, Drogen und Bewusstseinserweiterung, die in eine Sackgasse geraten ist, befinden sich die jungen Menschen in den Siebzigern in einer viel problematischeren Situation als die existenziell Gestrandeten in den Fünfziger Jahren oder jene in den berauschenden Sechzigern. Der familiäre Druck auf die Begabten und Sensiblen ist ebenso erschütternd wie die daraus resultierenden Hemmungen und Wut: Die Freiheit der Sexualität existiert wieder so verlockend und destruktiv wie zu Zeiten der Repression in den 1950er Jahren. Der Drang nach Freiheit und zur Selbstentfaltung ist ebenso groß wie eh und je, aber unendlich schwieriger, da die Möglichkeit und der Imperativ der Revolte der sechziger Jahre zur bloßen Mode verkommen sind. In einem solchen Gesamtzusammenhang gilt es die „Umwege“ des Protagonisten zu verstehen, die sozial, psychologisch und existentiell bedingt sind. Künstlerische Umwege sind auch erforderlich, um nach einer kompliziert-schmerzhaften und frustrierenden Reifung der Außenwelt gerecht zu werden.
Circuits (Auflage 1991)
Dieser verblüffende Roman ist bislang der Höhepunkt von Brodskys dynamischer und einzigartiger Vision. Mit einer wechselnden Gruppe von Charakteren ‒ Mazel Tov Jones, Neddie und Eddie, Vladimir und Mr. und Mrs. Stein-Brodsky ‒ erforscht er den Denkprozess eines Protagonisten, der eines Mordes beschuldigt wird, sich aber seines Verbrechens oder seiner Anklage nie sicher ist. Brodskys Charakter wird zum Vorbild für alle Menschen, die versuchen, eine Selbstidentität zu finden. Die Suche reduziert sich auf das einfache, aber tragische Dilemma, dass mit den Mitmenschen kommuniziert werden soll. Ohne überflüssige Handlung und Schauplatz erweitert dieser Roman die Visionen von Beckett und Kafka, aber mit einer einzigartigen amerikanischen Stimme. Circuits werden den Leser auf einem Niveau überraschen und fesseln, das nur wenige zeitgenössische Schriftsteller erreichen. Brodsky wird der berühmten Herausforderung von Ezra Pound („Mach es neu!“) gerecht und bringt die Fiktion und den Roman mit Elan an neue Grenzen.
Dyad (Erstausgabe 1989)
Michael Brodskys neuester Roman zeigt die grundlegendste und widerstrebendste aller Fragen: die Suche nach sich selbst. Die offensichtliche Bereitschaft eines Mannes, einen anderen zurückzuholen – den entfremdeten Sohn eines zum Scheitern verurteilten Geschäftsmanns –, wird zum Anlass für eine Erkundung des Geschichtenerzählens und, was dem Geschichtenerzählen im Wege steht. Dyad ist eine verwinkelte Erzählung, die mit Anekdoten gespickt ist, die für den Stoff der Geschichte möglicherweise entscheidend sind oder nicht. Dyad zerlegt das Detektiv-Genre und unterzieht seine durchgedrehte Alltagswelt einer obsessiven Prüfung. Das Ergebnis ist eine der kompliziertesten amerikanischen Fiktionen, die heute geschrieben werden.
*** (Erstausgabe 1994)
Im Grunde ist *** eine Detektivgeschichte. Stu Pott, der naive und sentimentale Held, wird (dank der Absprachen einer eifersüchtigen Frau, einer räuberischen Geliebten und einer Horde schlangenhaft ehrgeiziger Mitläufer) zu Unrecht des Mordes verdächtigt, des Mordes an seinem Meister, dem überragenden Industriekapitän und Hersteller von ***. Das Buch entpuppt sich als viel mehr als eine Detektivgeschichte und viel mehr als eine Kritik der kapitalistischen Gesellschaft. Dieser Roman ist „ein weitaus größeres Spiel als die bloße Identität eines Schuldigen“, wie Brodsky sagt. Als Triumph der postmodernen Literatur wirkt *** sowohl barock, als auch seriell in seinem präzisen Sprachgebrauch, der eine komplizierten Analyse der Natur und des Prozesses der Geschichte und des Geschichtenerzählens selbst zulässt.