Maximilian Kronberger
Maximilian Kronberger, eigentlich Max Konrad August Kronberger (* 14. April[1] 1888 in Berlin; † 15. April 1904 in München) war eine bedeutende Person des George-Kreises.
Bekanntschaft mit Stefan George
Kronberger war der Sohn des Würzburger Kaufmanns Alfred Kronberger.[2] Er wuchs in München-Schwabing auf, wo er das Gymnasium besuchte. Der Dichter Stefan George traf ihn 1902 in München auf der Straße und sprach ihn wenig später das erste Mal an. George zeichnete Kronberger, der erst nach dem Treffen herausfand, dass er es mit einem bekannten Dichter zu tun hatte. Im Januar 1903 trafen sich die beiden wieder auf der Straße, und nun trafen sie sich häufiger. Kronberger lernte Freunde Georges kennen, teilweise bereits bekannte Lyriker wie Hugo von Hofmannsthal, Friedrich Gundolf oder Karl Wolfskehl. George nahm ihn auch mit zu gesellschaftlichen Veranstaltungen der Schwabinger Bohème, etwa zu einem Kostümfest bei Henry von Heiseler. George versuchte auch, sich mit den Eltern Kronbergers gutzustellen, er besuchte sogar die Konfirmation Maximilians. Kronberger hatte bereits begonnen, Gedichte zu schreiben und erhoffte sich von der Bekanntschaft mit dem Lyriker eine Vervollkommnung seiner Gedichte.
Schon 1904 kam es aber zu ersten Spannungen. George war verstimmt, weil ihn Kronberger mehrmals versetzt hatte. Kronberger notierte bei der nächsten Begegnung in sein Tagebuch:[3]
„[George] liess […] mich ungewöhnlich lange warten, obwohl er im Nebenzimmer war. Endlich kam er, reichte mir die Hand und sah mich lange an … Dass ich am Sonntag keine Zeit gehabt hätte, sei eine blosse Ausrede, er kenne das aus seiner Jugend etc. Auch für den kommenden Sonntag sei es eine dumme Ausrede. Ich sagte ihm, ich hätte in der Tat keine Zeit, er tue mir Unrecht. Da drehte er sich zu mir, legte die Stirn in Falten und drohte mir mit dem Finger. Dann setzte er sich an den Schreibtisch und begann, wenn ich keine Zeit resp. nicht den Willen habe zu kommen, wenn er Zeit habe, so habe auch er nicht Zeit noch Willen mich zu empfangen, wenn ich komme. […] Ich sagte kalt adieu und reichte ihm die Hand, er aber sah absolut nicht her … Ich brauche mich doch nicht von ihm da zusammenschimpfen lassen wie ein Schuljunge?“
Kronberger wollte den Kontakt bereits abbrechen, George konnte dies jedoch verhindern. Schon kurz darauf verliebte sich Maximilian Kronberger in ein gleichaltriges Mädchen, mit dem er nun viel Zeit verbrachte und dem er fast alle seine Gedichte widmete. Im April 1904 reiste er nach Wien zu einem Vetter. Dort traf er noch einmal Stefan George. Kurz darauf reiste er nach München zurück, noch in Wien hatte er erste Symptome einer Krankheit gezeigt. Er war an Meningitis erkrankt und starb schon bald darauf, am 15. April 1904, einen Tag nach seinem 16. Geburtstag. Im Sterberegistereintrag Nr. 719 vom 15. April ist außerdem eingetragen, dass er protestantischer Religion und von Beruf Gymnasiast war. Er wohnte mit seinen Eltern in der Nikolaistraße 9 in München.
Künstlerisches Werk
Maximilian Kronberger verfasste 241 Gedichte. Hier sein erstes und sein letztes Gedicht (nach der Veröffentlichung von Georg Peter Landmann):
GOTT
Gibt’s einen Gott? Ihr grübelt hin und her
Und kommt doch nur zu einem Ziel:
Geht hin an das tosende Meer
Seht an den Wechsel der Natur.
O sehet an das wachsende Geschlecht.
Stellt euch den Gang der Geschichte dar.
Denkt an den Wechsel von Gut und Schlecht.
Geht im Frühling hinaus in den Wald –
Aus jeder Errettung aus Not
Aus jedem Elend auf Erden
Tönt’s laut heraus: Es ist ein Gott!
(21. November 1901)
Der dichter (erhebt sich)
Ihr flöten, klagt! Ihr zimbeln, rauscht hervor!
Ihr knaben schwingt den grünumwundnen Stab!
Noch tönen ihre worte mir im ohr.
Ihr flötenspieler, leitet sie ins grab!
Doch nicht mit erde decket ihre glieder
Mit blüten hüllt sie, bis der morgen naht
Dann sehe die geliebte ja ich wieder.
Dann bin auch ich zum leben aufgewacht.
(verfasst 2 Wochen vor seinem Tod)
Maximin-Mythos
Der Tod des Jungen traf George schwer, an Sabine Lepsius etwa schrieb er: „Ich trauere über einen unbegreiflichen und frühen tod der auch mich an die lezten klüfte hinführen wollte“.[4] Aus der Zeit unmittelbar nach Kronbergers Tod sind sonst nur wenige Quellen überliefert, die Aufschluss über Georges Gedanken geben könnten. Schon bald begann er mit den Vorbereitungen für einen Maximilian gewidmeten Gedenkband, der bereits im April 1905 fertig vorlag. Er selbst hatte neben einer Vorrede mehrere Gedichte beigesteuert, weitere lyrische Beiträge stammten von Friedrich Gundolf, Karl Wolfskehl und Lothar Treuge, die kunstvolle Aufmachung des Bandes übernahm Melchior Lechter. Auch einige Gedichte aus dem Nachlass Kronbergers wurden schließlich Ende 1906 in dem Band Maximin. Ein Gedenkbuch veröffentlicht.[5] In Georges Vorrede heißt es:[6]
„Wir stürzten nieder in der dumpfen verzweiflung der zurückgelassenen gemeinde, wir wanden uns in sinnlosem schmerz dass wir niemals wieder diese hände berühren dass uns niemals wieder diese lippen küssen dürften. Da drang seine lebendige stimme in uns und belehrte uns über unsre torheit die ihn hier noch zwingen wollte … Wir können nun gierig nach leidenschaftlichen verehrungen in unsren weiheräumen seine säule aufstellen uns vor ihm niederwerfen und ihm huldigen woran die menschliche scheu uns gehindert hatte als er noch unter uns war.“
Unter dem Namen „Maximin“ stilisierte George Kronberger von nun an zu einer menschgewordenen Gottheit. 1907 folgte Der siebente Ring, der sich ebenfalls zentral mit Georges Maximin-Mythos befasst. Der Mythos war besonders in den nächsten Jahren ein zentrales Identifikations- und Integrationsmerkmal des George-Kreises.
Werke
- Maximin. Ein Gedenkbuch. Hrsg. von Stefan George. Berlin, 1907 (Digitalisierte Ausgabe unter: urn:nbn:de:s2w-5456; in diesem Band enthaltene Gedichte Maximilian Kronbergers)
- Nachlass. Privatdruck 1937 („Zu beziehen durch Adolf Bürdeke, Zürich“). (Digitalisierte Ausgabe unter: urn:nbn:de:s2w-5822)
- Gedichte. Tagebücher. Briefe. Herausgegeben von Georg Peter Landmann. Klett-Cotta, Stuttgart 1987, ISBN 3-608-95535-6
Literatur
- Claus-Artur Scheier: Maximins Lichtung. Philosophische Bemerkungen zu Georges Gott. In: George-Jahrbuch, Band 1, 1996/1997, S. 80–106.
- Thomas Karlauf: Stefan George. Die Entdeckung des Charisma. Pantheon, München 2008, ISBN 978-3-570-55076-2, insbesondere S. 342–353.
Weblinks
Anmerkungen
- Dieser Geburtstagstermin wird in "Gedichte. Tagebücher. Briefe" von Georg Peter Landmann (Hrsg.), Stuttgart 1987, S. 6 genannt
- „Maximilian Kronberger entstammte einer grossbürgerlichen Familie. Der Grossvater Konrad Kronberger, Sohn eines »Pflästerermeisters«, war als Ingenieur durch den Bau von Strassen, Schleusen, Eisenbahnbrücken zu Namen und Vermögen gekommen, Der Vater, Alfred Kronberger, geboren 1857, hatte sich zum Kaufmann ausgebildet und wurde nach manchen Zwischenstationen 1884 Mitinhaber einer Möbelfabrik in Berlin. Dort heiratete er die Fabrikantentochter Christina Buch und hatte von ihr die drei Kinder Max, geboren am 14. April 1888, Johanna und Lisa. Sie wohnten in Berlin am Mariannenplatz. Später wurde Alfred Kronberger zusammen mit seinem jüngeren Bruder, der das Handwerk gelernt hatte, Mitinhaber und Leiter einer Brauerei in Würzburg, zog sich aber zu Anfang des Jahres 1900 beinahe ganz aus dem Erwerbsleben zurück uns übersiedelte mit seiner Frau nach München in eine Stockwerkwohnung, erst Nicolaiplatz 1, im Laufe des Jahres 1902 Nicolaistrasse 9. Seine Schwester war in Wien mit einem Goldschmied Oskar Dietrich verheiratet und hatte drei Söhne, Oskar, Arthur und Walter.“ Aus: Georg Peter Landmann (Hrsg.): Gedichte. Tagebücher. Briefe. Stuttgart 1987, S. 6.
- Maximilian Kronberger, Gedichte. Tagebücher. Briefe. Hrsg. von Georg Peter Landmann. Stuttgart 1987, S. 104 f. Thomas Karlauf, Stefan George, S. 346 sieht hier einen Hinweis auf die Verliebtheit Georges.
- Sabine Lepsius, Stefan George. Geschichte einer Freundschaft, Stuttgart 1935, Faksimile-Mappe.
- Stefan George (Hrsg.), Maximin. Ein Gedenkbuch, Berlin 1907 (erschienen Ende 1906 mit der Jahresangabe 1907).
- Stefan George, Vorrede zu Maximin, in: Gesamt-Ausgabe der Werke, Band 17, S. 31 f.