Maurice Delafosse
Maurice Delafosse (* 20. Dezember 1870 in Sancergues, Département Cher; † 13. November 1926 in Paris) war ein französischer Ethnograph, Orientalist und Kolonialbeamter, der auch auf dem Gebiet der afrikanischen Sprachen arbeitete und sich als einer der ersten Europäer mit der vorkolonialen Geschichte Afrikas befasste.
Leben
In einer Besprechung seiner von seiner Tochter geschriebenen Biographie wird er beschrieben als „einer der herausragendsten französischen Kolonialverwaltungsbeamten und Ethnologen seiner Zeit.“[1] Delafosse hatte Meinungsverschiedenheiten mit der französischen Regierung über die Verwaltung von Französisch-Afrika, und wurde in der Folge für einen Großteil seines Lebens „mehr oder weniger aus den Kolonien verbannt“.[2]
In seinem Hauptwerk Haut-Sénégal-Niger (1912) versuchte Delafosse, die Geschichte Westafrikas, vor allem das Gebiet der alten Großreiche Ghana, Mali und Songhai, zu rekonstruieren. Zusammen mit seinem Schwiegervater, dem Professor an der École des langues orientales, Octave Houdas, gab er die beiden wichtigsten Chroniken Westafrikas, Tarikh al-Fettash und Tarikh al-Soudan (15./17. Jhd.) in Übersetzung heraus.
Kritik
Delafosse war spezialisiert auf orientalische Sprachen und arabische Quellen wie Ibn Chaldun. Er ignorierte er die mündlichen Überlieferungen der Westafrikaner. So glaubte er als Gründer der Ghana-Reiches hellhäutige Einwanderer aus dem Vorderen Orient annehmen zu müssen und konstruierte groß angelegte Wanderungen von jüdischen Stämmen quer durch die Sahara bis ins heutige Mauretanien. Damit schuf er den Mythos von jüdischen Siedlungen in ganz Westafrika.
Er neigte auch dazu, um der Stimmigkeit seines Systems willen spekulative Schlüsse zuzulassen, ohne diese quellenmäßig zu belegen. So ist die später von vielen Autoren und auch im Internet übernommene Liste der Könige von Mali teilweise zweifelhaft, da scheinbar konkrete Daten passend gemacht wurden, um ein schlüssiges Bild zu ergeben. So fügte er, um eine zweifelhafte Anekdote in seinen arabischen Quellen glaubwürdig erscheinen zu lassen, einen Herrscher namens Abubakari II. in die Herrscherliste ein und versah ihn sogar mit konkreten Regentschaftsdaten (1310–1312), obwohl es keine Beweise gab, die einer seriösen historischen Kritik hätten standhalten können.[3]
Werke
- Essai de manuel pratique de la langue mandé ou mandingue (1901) Ernest Leroux
- Les frontières de la Côte d'Ivoire de la Côte d'or et du Soudan (1908) Masson
- Haut Sénégal-Niger, 3 tomes (1912) (réédition chez Maisonneuve & Larose en 1972)
- Traditions historiques et légendaires du Soudan occidental (1913)
- Les langues de l'Afrique (1920)
- L'âme nègre (1921) Payot Digitalisat
- Les Noirs de l'Afrique (1922) Payot Digitalisat
- Terminologie religieuse au Soudan (1923)
- Broussard ou les états d'âme d'un colonial (1923) Emile Larose Digitalisat (Ausgabe 1909)
- Les civilisations disparues, les civilisations négro-africaines (1925) Librairie Stock Digitalisat
- Les Nègres (1927) Rieder et Cie (réédition chez l'Harmattan en 2005)
Literatur
- Maurice Delafosse: entre orientalisme et ethnographie; l'itinéraire d'un africaniste, 1870-1926. Sous la direction de Jean-Loup Amselle, Emmanuelle Sibeud. Paris, France : Maisonneuve et Larose, [1998]; ISBN 2-7068-1356-3 (Collection „Raisons ethnologiques“) (Bibliography of the writings of Maurice Delafosse: p. 307–319 / Includes bibliographical references (p. 273–305)) (Review)
- Pekka Masonen: The Negroland Revisited: Discovery and Invention of the Sudanese Middle Ages. Helsinki 2000.
Weblinks
Einzelnachweise
- William B. Cohen: Maurice Delafosse, le Berrichon Conquis par l'Afrique by Louise Delafosse. In: The International Journal of African Historical Studies. Bd. 11, Nr. 2 (1978), S. 302–305, doi:10.2307/217447.
- Karel Arnaut: Maurice Delafosse. Entre orientalisme et ethnographie : l'itinéraire d'un africaniste (1870-1926). In: Cahiers d'études africaines. Nr. 157 (2000). (Abgerufen am 23. Sept. 2013)
- Nehemia Levtzion, The Thirteenth- and Fourteenth-Century Kings of Mal. Journal of African History 4 (1963), 341–353, spez. S. 345 ff