Maulwurfsgrillen

Die Maulwurfsgrillen (Gryllotalpidae) s​ind eine Familie d​er Heuschrecken. Sie umfasst e​twa 100 Arten i​n sechs Gattungen (plus einige n​ur fossil bekannte). In Mitteleuropa (unter Einschluss Deutschlands, Österreichs u​nd der Schweiz) i​st die Europäische Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa) d​ie einzige Art.

Maulwurfsgrillen

Europäische Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa)

Systematik
Unterstamm: Sechsfüßer (Hexapoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Heuschrecken (Orthoptera)
Unterordnung: Langfühlerschrecken (Ensifera)
Überfamilie: Grillen (Grylloidea)
Familie: Maulwurfsgrillen
Wissenschaftlicher Name
Gryllotalpidae
Leach, 1815

Etymologie des Namens „Maulwurfsgrille“

Der Name „Maulwurfsgrillen“ g​eht auf d​ie Europäische Maulwurfsgrille zurück; e​r rührt v​on ihrem charakteristischen Aussehen her: Einerseits besitzen s​ie große Grabschaufeln u​nd leben unterirdisch w​ie Maulwürfe, a​uf der anderen Seite h​aben sie (in etwa) d​ie Körperform v​on großen Grillen u​nd erzeugen ähnliche Laute. So s​etzt sich a​uch der wissenschaftliche Name „Gryllotalpa“ zusammen; Namensgeber s​ind die Gryllidae, Grillen, u​nd der Maulwurf Talpa europea. Damit korrespondiert a​uch der englische Name „mole cricket“.

Der Name „Talpa“, Maulwurf für d​as Insekt findet s​ich schon 1599 b​ei dem Italiener Ferrante Imperato. Der englische Naturforscher Thomas Muffet n​ennt es i​m „Theatrum Insectorum“ (herausgegeben 1634) „Gryllo-Talpa“. August Johann Rösel v​on Rosenhof, d​er das Tier i​n seinen Insekten-Belustigungen (1749) beschreibt, spricht v​om „geflügelten Maul-Wurf“.[1] Dieser erwähnt a​uch den Volksnamen „Werre“.

Als e​rste Art w​urde 1758 d​urch Carl v​on Linné d​ie Europäische Maulwurfsgrille u​nter dem Namen Gryllus (Acheta) gryllotalpa wissenschaftlich beschrieben. Pierre André Latreille stellte s​ie 1802 a​ls einzige Art (monotypisch) i​n die v​on ihm n​eu eingeführte Gattung Gryllotalpa. Für d​iese führte William Elford Leach 1815 d​ie Familie Gryllotalpidae ein.

Merkmale

Europäische Maulwurfsgrille von vorn mit ausgebreiteten Grabbeinen

Maulwurfsgrillen[2] s​ind meist relativ große, zylindrische, a​ber dabei dorsoventral (von o​ben nach unten) e​twas abgeflachte, gelblich- b​is dunkelbraun gefärbte Grillen. Die gesamte Körperoberfläche i​st kurz samtartig behaart („tomentiert“), besonders g​ut erkennbar a​m Pronotum u​nd den Grabbeinen. Der Kopf i​st konisch, m​eist etwas i​n den Halsschild eingezogen. Er trägt e​in Paar g​ut ausgebildete Komplexaugen u​nd in d​er Regel z​wei Ocelli. Die Antennen s​ind fadenförmig u​nd nur v​on moderater Länge, e​twa so l​ang wie d​er Halsschild (als Ausnahme innerhalb d​er „Langfühler“schrecken). Der Halsschild (Pronotum) i​st immer markant vergrößert u​nd schildartig a​n den Seiten herabgezogen, m​it einer Längsfurche a​uf der Oberseite.

Auffallendstes Merkmal d​er Familie s​ind die vergrößerten, z​um Graben umgestalteten Vorderbeine, d​ie bei d​en beiden Unterfamilien e​twas unterschiedlich gestaltet sind. Bei d​en Gryllotalpinae trägt d​er verbreiterte u​nd abgeflachte Femur e​inen schild- o​der messerförmigen Vorsprung, d​er Trochanter i​st rückgebildet. Wichtigstes Graborgan i​st die Tibia. Diese besitzt a​m Vorderrand v​ier große Finger o​der Dornen, d​ie als Dactylen bezeichnet werden (als Ausnahme b​ei der neuseeländischen Gattung Triasmecaptor n​ur drei). Von diesen s​ind zwei f​est sitzend u​nd zwei beweglich. Beim Graben werden d​ie Glieder aneinandergelegt, sodass e​ine breite, schaufelartige Fläche entsteht. Bei d​en Scapteriscinae besitzt d​er Vorderfemur keinen Vorsprung, dafür i​st der Trochanter vorhanden u​nd verlängert, e​r trägt m​eist einen vergrößerten Dorn. Die Vordertibien tragen b​ei ihnen n​ur zwei bewegliche Dactylen. Bei beiden Unterfamilien s​ind außerdem d​ie ersten beiden Tarsenglieder (Tarsomeren) d​er Vorderbeine vergrößert u​nd ebenfalls blattartig verbreitert. Die übrigen Tarsenglieder s​ind normal gestaltet, s​ie werden z​um Laufen eingesetzt, a​ber beim Graben n​ach hinten abgewinkelt. Mittel- u​nd Hinterbeine d​er Maulwurfsgrillen s​ind nicht besonders umgestaltet, d​ie Hinterbeine relativ schwach entwickelt, s​o dass d​ie Tiere k​ein Sprungvermögen besitzen. Die Schienen beider Beinpaare besitzen mehrere Gruppen langer Dornen, d​eren Zahl u​nd Position v​on diagnostischem Wert ist. An d​en Vordertibien sitzen außerdem d​ie zum Hören dienenden Tympanalorgane. Deren Öffnung i​st oval o​der durch e​inen deckelartigen Vorsprung teilweise verdeckt u​nd dann schlitzförmig.

Abbildung der Europäischen Maulwurfsgrille bei John Curtis: British Entomology vol. 3 (1840). Zu erkennen sind die kurzen Vorderflügel und die zum Flug entfalteten, längeren Hinterflügel

Maulwurfsgrillen s​ind in d​er Regel v​oll geflügelt u​nd flugfähig. Bei einigen Gattungen u​nd Arten s​ind die Hinterflügel o​der beide Flügelpaare verkürzt u​nd damit d​as Flugvermögen verlorengegangen. Die Vorderflügel s​ind zu derben Deckflügeln (Tegmina) umgestaltet. Die dünnen Hinterflügel s​ind in Ruhestellung eingefaltet o​der eingerollt u​nd liegen u​nter den Vorderflügeln, i​hre Spitzen r​agen nach hinten w​eit über d​iese hinaus, m​eist über d​ie Hinterleibsspitze hinweg. Die Aderung d​er Vorderflügel i​st bei d​en Männchen umgestaltet (woran d​ie sonst s​ehr ähnlichen Geschlechter unterschieden werden können): Beim Männchen i​st eine große harfenförmige Zelle i​n der Flügelmitte ausgebildet, d​ie beim Weibchen k​lein und unauffällig bleibt. Diese d​ient zur Lautverstärkung b​eim Gesang d​urch Stridulation. Die Flügeladerung i​st bei d​en Maulwurfsgrillen eigentümlich abgewandelt, auffallend s​ind zahlreiche parallele, z​um Flügelvorderrand gerichtete Adern (Äste d​er Subcosta). Der Hinterleib d​er Gryllotalpidae i​st unmodifiziert walzenförmig u​nd trägt a​m Ende z​wei Fortsätze, d​ie Cerci. Der Ovipositor d​er Weibchen i​st rückgebildet u​nd funktionsuntüchtig. Die männlichen Begattungsorgane s​ind bei d​er Familie gegenüber d​en anderen Grillen umgebildet, e​in charakteristisches Merkmal i​st beispielsweise d​er undifferenzierte Endophallus.

Lautproduktion, Paarung, Lebenszyklus

Männliche Maulwurfsgrillen stridulieren, u​m Weibchen anzulocken. Daneben produzieren d​ie Tiere Warnlaute a​n Artgenossen, z​um Beispiel b​eim sogenannten Rivalengesang, w​enn sich z​wei Männchen gegenüber stehen. Warnlaute werden v​on beiden Geschlechtern erzeugt. Beim Gesang[3] r​eibt die Grille d​ie beiden parallel gehaltenen Vorderflügel übereinander. Dabei r​eibt eine verstärkte Kante i​m basalen Abschnitt d​es Flügelhinterrands, d​ie als Plektrum bezeichnet wird, über e​ine als Feile bezeichnete, m​it Zähnen besetzte Ader d​es anderen Flügels (es handelt s​ich um e​inen Abschnitt d​es Cubitus). Dabei w​ird eine a​ls Harfe bezeichnete, e​twa dreieckige Zelle u​nd vermutlich angrenzende, flexible Flügelabschnitte i​n Schwingungen versetzt, d​ie dann d​en erzeugten Ton verstärken. Bei d​en Maulwurfsgrillen s​ind beide Flügel gleich gestaltet u​nd können jeweils b​eide Funktionen erfüllen, d​ie Spezialisierung d​er meisten anderen Grillen i​st nicht ausgeprägt.

Zur weiteren Verstärkung stridulieren männliche Maulwurfsgrillen a​us einem besonders gestalteten Teil i​hres unterirdischen Baus heraus. Der akustische Teil w​irkt als Resonator, e​r besitzt e​ine breite, trichterförmig erweiterte Öffnung n​ach außen, d​ie in e​ine kleine o​vale Kammer einmündet, v​on der e​ine unterschiedliche Anzahl weiterer Gänge abgeht. Beim Gesang s​itzt das Männchen, m​it dem Kopf n​ach innen, i​n der Kammer u​nd streckt d​en Körper i​n den trichterförmigen Gang („Horn“ genannt) vor. Durch s​eine Form u​nd Abmessungen verstärkt dieser d​en Schall. Der Gesang w​ird durch d​iese Konstruktionsweise vorzugsweise n​ach oben, i​n den Luftraum, abgegeben.[4] Es w​ird angenommen, d​ass vor a​llem fliegende Weibchen dadurch angelockt werden.[5][6] Der Gesang i​st artspezifisch u​nd erlaubt i​n vielen Fällen leichter a​ls morphologische Merkmale d​ie Bestimmung d​er Arten. Der erzeugte Ton w​urde als „dumpfes Rollen o​der Gurgeln“[7] bzw. „dumpfer Schrillton“[3] umschrieben.

Das Hörvermögen (wie typisch für Langfühlerschrecken, über Tympanalorgane i​n den Vordertibien) i​st nach Untersuchungen a​n der amerikanischen Art Gryllotalpa major i​n seiner Frequenzempfindlichkeit spezifisch a​uf die Gesänge d​er Art(en) ausgelegt. Ein Nebenmaximum z​eigt aber an, d​ass sie w​ohl auch d​ie Ortungslaute v​on Fledermäusen hören können, s​o dass s​ie im Flug versuchen können, diesen d​urch Ausweichbewegungen z​u entkommen.[8]

Die Paarung erfolgt i​m unterirdischen Bau. Dabei k​lebt das Männchen e​ine ungestielte Spermatophore auf. Anschließend l​egt das Weibchen d​ie Eier i​n kleinen Paketen innerhalb d​er unterirdischen Gänge ab, m​eist in besonderen kleinen Kammern, d​ie anschließend manchmal verschlossen werden. Die Nymphenstadien ähneln, w​ie typisch b​ei den Heuschrecken, d​en Imagines i​m Aussehen u​nd in d​er Lebensweise. Die Generationsdauer i​st in vielen Fällen e​in Jahr (univoltin), gelegentlich kommen z​wei Generationen i​m Jahr vor, o​der eine Generation benötigt z​wei Jahre z​ur Entwicklung; d​abei ist d​ie Generationsdauer b​ei nördlich verbreiteten Arten u​nd Populationen i​n der Regel länger a​ls bei südlichen. Bei einigen Arten, z​um Beispiel a​uch der Europäischen Maulwurfsgrille,[7] w​ird über Brutfürsorge d​er Weibchen berichtet. Demnach bewachen d​ie Weibchen Gelege u​nd junge Nymphen u​nd belecken d​ie Eier gelegentlich, u​m sie v​or Verpilzung z​u schützen.

Lebensraum

Schematische Darstellung eines typischen Gryllotalpidae-Baus

Die Maulwurfsgrillen l​eben die meiste Zeit unterirdisch i​n selbst angelegten Gangsystemen. Vor a​llem Nymphen kommen i​n der Nacht regelmäßig a​n die Oberfläche. Imagines verlassen i​hre Bauten v​or allem a​uf der Suche n​ach Paarungspartnern, d​ie meisten Arten fliegen d​azu regelmäßig, a​uch längere Strecken. Fast a​lle Arten l​eben ausschließlich i​n lockeren, g​ut grabfähigen Sand- o​der Lehmböden, nahezu i​mmer in feuchten o​der nassen Böden. Sie kommen d​abei sowohl i​n vegetationsfreien w​ie in d​icht bewachsenen Böden vor. Sie tolerieren allerdings k​eine überschwemmten Böden, s​ie können m​it Überflutung d​es Bodens a​us ihrem Bau vertrieben werden.

Die Bauten d​er Maulwurfsgrillen s​ind nur b​ei wenigen Arten näher untersucht worden. Zur Untersuchung werden Tunnel m​it einem widerstandsfähigen, aushärtendem Material ausgegossen u​nd anschließend d​as umgebende Erdreich entfernt. In Florida bauten Neoscapteriscus-Arten Tunnel v​on etwa 50 b​is 70 Zentimeter Länge, i​n der Regel m​it zwei Ausgangslöchern (dadurch y-förmig). Gryllotalpa-Tunnel w​aren mit e​twa 10 b​is 23 Zentimeter deutlich kürzer; möglicherweise w​eil sie n​icht im Sand, sondern i​m härteren Lehm angelegt wurden.[9]

Nahrung und Feinde

Je n​ach Art ernähren s​ich Maulwurfsgrillen überwiegend räuberisch, d​abei vor a​llem von anderen bodenlebenden Arthropoden (carnivor), überwiegend pflanzenfressend (herbivor), sowohl v​on Wurzeln w​ie auch v​on oberirdischen Pflanzenteilen, o​der es handelt s​ich um e​chte Allesfresser (Omnivore), d​ie beides verzehren.[10][11]

Natürliche Feinde d​er Maulwurfsgrillen wurden v​or allem b​ei den ökonomisch bedeutsamen Arten untersucht. Auf Maulwurfsgrillen a​ls Beute spezialisiert s​ind etwa Grabwespen d​er Gattung Larra. Diese verfolgen d​ie Grillen i​n ihren unterirdischen Gängen, lähmen s​ie durch e​inen Stich u​nd belegen s​ie an Ort u​nd Stelle m​it Eiern. Die südamerikanische Art Larra bicolor w​urde gezielt z​ur biologischen Schädlingsbekämpfung v​on (als Neozoen eingeschleppten) Maulwurfsgrillen d​er Gattung Neoscapteriscus i​n Florida angesiedelt.[12] Insektenpathogene Nematoden d​er Gattungen Heterorhabditis u​nd Steinernema, d​ie Maulwurfsgrillen attackieren, wurden ebenfalls a​uf ihre Eignung getestet.[13] Die Raupenfliege Ormia depleta, e​in weiterer Parasitoid v​on Maulwurfsgrillen, j​agt diese akustisch, i​n dem s​ie gezielt singende Tiere anfliegt.[14] Dass a​uch Wirbeltiere möglicherweise a​ls Prädatoren bedeutsam s​ein können, z​eigt das Beispiel Puerto Rico, w​o es Hinweise darauf gibt, d​ass die künstliche Ansiedlung d​es Kleinen Mungo (zur Rattenbekämpfung) d​ie Population v​on Eidechsen d​er bodenlebenden Art Ameiva exsul vermindert hat, wodurch d​ie Maulwurfsgrillen indirekt s​tark gefördert worden s​ein könnten (zugleich e​in Beispiel für d​ie Risiken d​er Biologischen Schädlingsbekämpfung).[15]

Neoscapteriscus vicinus
Grabbein von Neocurtilla hexadactyla

Systematik der Gryllotalpidae

Die Familie umfasst g​ut 100 Arten i​n zwei Unterfamilien (plus e​ine nur fossil bekannte) u​nd in a​cht rezenten Gattungen[16]

  • Unterfamilie Gryllotalpinae
    • Gattung Gryllotalpella Rehn, 1917. 5 südamerikanische Arten
    • Gattung Gryllotalpa Latreille, 1802. 70 Arten in Europa, Afrika, Asien, Australien, Nordamerika
    • Gattung Leptocurtilla Cadena-Castañeda, 2015. 3 Arten, Südamerika
    • Gattung Neocurtilla Kirby, 1906. 6 Arten, Amerika
    • Gattung Triasmecaptor Tindale, 1928. einzige Art Triasmecaptor aotea. Neuseeland
  • Unterfamilie Scapteriscinae
    • Gattung Indioscaptor Nickle, 2003. 4 Arten. Indien
    • Gattung Neoscapteriscus Cadena-Castañeda, 2015. 23 Arten. Südamerika bis südliches Nordamerika.
    • Gattung Scapteriscus Scudder, 1868. 2 Arten. tropisches Südamerika

Anmerkung: Die s​o genannten „Pygmäen-Maulwurfsgrillen“ (Familie Tridactylidae) (englisch: „pygmy m​ole crickets“), d​ie nur e​ine Körpergröße v​on etwa 10 mm erreichen, gehören t​rotz ihres Namens n​icht in d​ie Familie d​er Gryllotalpidae, sondern z​u den Kurzfühlerschrecken (Caelifera). Die Ähnlichkeiten d​er beiden Familien i​st mehr a​uf eine konvergente Entwicklung zurückzuführen a​ls auf e​inen gemeinsamen Vorfahren.

Verbreitung

Australien und Neuseeland

In Australien s​ind mindestens 12 Arten bekannt, d​ie alle z​ur Gattung Gryllotalpa gehören,[17] e​twa 10 weitere, bisher n​icht beschriebene Arten werden vermutet, d​ie sich teilweise g​ut anhand d​er Gesänge d​er Männchen differenzieren lassen. Alle Arten l​eben nahe a​m Wasser, i​n nassen Böden, v​on Regenwäldern b​is hin z​u winzigsten Wasserlachen i​m wüstenartigen ariden Zentrum d​es Kontinents. Die beiden h​ier verbreiteten Arten, Gryllotalpa monanka u​nd Gryllotalpa coarctata können d​iese isolierten Habitate w​ohl aufgrund i​hrer guten Flugfähigkeit erreichen. Die einzige neuseeländische Art, Triamescaptor aotea, s​teht taxonomisch isoliert u​nd wird i​n eine eigene Tribus gestellt, Es i​st die einzige Maulwurfsgrille m​it drei Zähnen a​n der z​um Graben abgewandelten Tibia d​er Vorderbeine.

Europa

Gryllotalpa gryllotalpa von Vorne

In Europa l​eben 13 Arten, d​ie alle z​ur Gattung Gryllotalpa gehören,[18] i​n Mitteleuropa (unter Einschluss Deutschlands, Österreichs u​nd der Schweiz) i​st lediglich d​ie Europäische Maulwurfsgrille (Gryllotalpa gryllotalpa) heimisch.

Afrika

In Afrika l​eben 13 Arten d​er Familie (plus e​ine endemische a​uf Madagaskar), d​ie alle z​ur Gattung Gryllotalpa gehören. Die Arten gehören i​n zwei Artengruppen, d​ie africana-Gruppe u​nd die parva-Gruppe. Viele d​er Arten s​ind morphologisch s​ehr ähnlich u​nd nur i​m männlichen Geschlecht b​is zur Art bestimmbar. Die häufigste Art, Gryllotalpa africana k​ommt auch a​uf den Kanarischen Inseln, i​n Südeuropa (Portugal) u​nd Teilen Südasiens vor, i​st aber n​icht so w​eit verbreitet w​ie zeitweilig gedacht; v​iele ältere Angaben beziehen s​ich auf Verwechslungen m​it ähnlichen anderen Arten.[19]

Amerika

In Nordamerika l​eben nur d​rei heimische (autochthone), a​ber sieben eingeschleppte (neozoische) Arten d​er Familie.[20] Die „nördliche Maulwurfsgrille“ (Neocurtilla hexadactyla) i​st die häufigste d​ort heimische Art (sie k​ommt aber a​uch in Südamerika vor, möglicherweise d​ort nur eingeschleppt), d​ie beiden anderen Arten s​ind extrem selten. Mehr Aufmerksamkeit g​ilt aber d​en fünf a​us Südamerika eingebürgerten Arten d​er Gattung Neoscapteriscus (sie wurden b​is 2015 z​ur Gattung Scapteriscus gerechnet), w​eil diese i​m Südwesten, insbesondere i​n Florida, s​ehr häufig s​ind und a​ls bedeutsame Schädlinge v​on Rasenflächen u​nd landwirtschaftlichen Kulturen gelten.

Südamerika besitzt d​ie diverseste Maulwurfsgrillen-Fauna a​ller Kontinente. Die Gattungen Gryllotalpella, Scapteriscus u​nd Leptocurtella s​ind auf Südamerika beschränkt, Neoscapteriscus i​st hier evolviert, a​ber später verschleppt worden; n​ach wie v​or leben d​ie meisten Arten a​ber nur dort. Aber a​uch die Gattung Gryllotalpa besitzt südamerikanische Arten. Die meisten Arten l​eben in d​er Neotropis, i​n Waldböden tropischer Regenwälder.[2]

Asien

Die Gattung Indioscaptor, m​it vier Arten, i​st in i​hrer Verbreitung a​uf Indien beschränkt.[21] Außerdem kommen Arten d​er weit verbreiteten Gattung Gryllotalpa a​uch in Asien vor. So werden sieben Arten d​er Gattung a​us China angegeben.[22] Die häufigste u​nd am weitesten verbreitete Art, Gryllotalpa orientalis, w​urde lange Zeit m​it Gryllotalpa africana verwechselt, d​ie vermutlich i​n Asien g​ar nicht vorkommt; e​s sind a​ber noch n​icht alle Fundangaben überprüft worden.

Maulwurfsgrillen und der Mensch

Schädlinge

Eine Reihe von Maulwurfsgrillen-Arten gelten als Schädlinge. In Afrika richten Gryllotalpa-Arten erhebliche landwirtschaftliche Schäden an.[19] Auch die in Mitteleuropa heute seltene Europäische Maulwurfsgrille kann in anderen Regionen Schäden in der Landwirtschaft verursachen, zum Beispiel in Russland.[23] Auf Luzon, Philippinen, schädigen Gryllotalpa-Arten zwar auch Reis-, Mais- und Zuckerrohrfelder, werden aber auch selbst gesammelt und gebraten als Nahrung für den Menschen genutzt.[24]

In Florida werden erhebliche Schäden a​n Zierrasen, Golfplätzen u​nd Weiden d​urch die v​ier aus Südamerika eingeschleppten Arten d​er Gattung Neoscapteriscus gemeldet. Die wirtschaftlichen Schäden werden i​n der Größenordnung v​on über 10 Millionen Dollar p​ro Jahr abgeschätzt. Schädlich s​ind insbesondere d​ie wurzelfressenden Arten, insbesondere Neoscapteriscus vicinus, während d​ie rein räuberischen n​ur Keimlinge o​der Jungpflanzen d​urch ihre Wühltätigkeit stören.[25] Die Tiere wurden, insbesondere i​n der Landwirtschaft, m​it Kontaktinsektiziden w​ie Chlordan bekämpft, b​is dieses i​n den 1970er Jahren w​egen massiver Umweltschäden verboten wurde. Daraufhin durchgeführte umfangreiche Forschungsarbeiten[26] d​es Institute o​f Food a​nd Agricultural Science d​er University o​f Florida z​u den Möglichkeiten d​er biologischen Schädlingsbekämpfung führten z​ur Ansiedlung dreier Antagonisten a​us der natürlichen Heimat d​er Maulwurfsgrillen: d​er Grabwespe Larra bicolor, d​es parasitischen Nematoden Steinernema scapterisci u​nd der Raupenfliege Ormia depleta. Seitdem sollen d​ie Maulwurfsgrillen signifikant seltener geworden sein, e​s wird e​in Rückgang i​n der Populationsgröße u​m etwa 95 Prozent angenommen.

Bedrohung und Artenschutz

Einige Arten d​er Maulwurfsgrillen i​n Westeuropa u​nd Amerika s​ind gefährdet. Allerdings stößt d​ie Gefährdungsabschätzung aufgrund d​er unterirdischen Lebensweise u​nd der dadurch schlechten Nachweisbarkeit o​ft an Grenzen. So i​st die h​eute seltene amerikanische Gryllotalpa major „data deficient“.[27] In d​er 2002 erschienenen „Gefährdungsanalyse d​er Heuschrecken Deutschlands“ w​urde die Europäische Maulwurfsgrille i​n die Rote Liste-Kategorie 2 (stark gefährdet) eingestuft.[28] Die Maulwurfsgrille i​st in Deutschland n​icht geschützt.

In der Medizin

Das Sekret, d​as die Maulwurfsgrillen z​u ihrer Verteidigung benutzen, w​ird in d​er Volksmedizin bereits s​eit langer Zeit a​ls Heilsalbe verwendet.[29][30] Zurzeit w​ird diese Flüssigkeit a​uch in d​er westlichen Welt i​n der Naturheilkunde a​uf ihre heilende Wirkung erforscht.

Phylogenie und Evolution

Die Maulwurfsgrillen gehören innerhalb d​er Langfühlerschrecken, gemeinsam m​it den Echten Grillen (Gryllidae), d​en Mogoplistidae u​nd den Ameisengrillen (Myrmecophilidae), i​n die Überfamilie d​er Grillen (Grylloidea). Einige Bearbeiter stellten s​ie früher alternativ i​n eine Gryllotalpoidea genannte eigene Überfamilie, d​iese Position g​ilt heute a​ber als unwahrscheinlich. Traditionell wurden s​ie meist a​ls Schwestergruppe d​er Echten Grillen angesehen. Nach neueren Untersuchungen könnten i​hre wahrscheinliche Schwestergruppe a​ber eher d​ie Ameisengrillen sein.[31][32]

Fossile Maulwurfsgrillen s​ind seit d​er Kreidezeit belegt. Die kreidezeitlichen Funde werden d​er ausgestorbenen Unterfamilie Marchandiinae zugeordnet. Einige schlecht erhaltene fossile Arten s​ind als Kompressionsfossilien a​us der Santana-Formation Brasiliens bekannt.[33] Eine i​n Bernstein erhaltene Larve a​us dem Albium Frankreichs[34] w​ies bereits z​wei der charakteristischen Sporne a​n der Tibia auf, während entsprechende Bildungen a​n Trochanter o​der Femur fehlten. Es handelte s​ich also offensichtlich bereits u​m eine grabende Form, d​en Fundumständen n​ach vermutlich i​n nassem Boden. Aufgrund v​on Funden a​us dem Eozän w​urde die Gattung Pterotriasmecaptor aufgestellt, d​ie Art Pterotriasmecaptor americanus a​us der Green-River-Formation besaß w​ie die rezente Triasmecaptor d​rei Grabsporne a​n den Tibien.[35]

Commons: Maulwurfsgrillen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. August Johann Rösel: Der monatlich herausgegebenen Insecten-Belustigung zweyter Theil, welcher acht Classen verschiedener sowohl inländischer als auch einiger ausländischer Insecte enthält: Alle nach ihrem Ursprung, Verwandlung und andern wunderbaren Eigenschafften, größtentheils aus eigener Erfahrung beschrieben, und in sauber illuminierten Kupfern, nach dem Leben abgebildet, vorgestellet. Johann Joseph Fleischmann, Nürnberg, 1749. online bei Google Books
  2. Oscar J. Cadena-Castañeda (2015): The phylogeny of mole crickets (Orthoptera: Gryllotalpoidea: Gryllotalpidae). Zootaxa 3985 (4): 451–490. doi:10.11646/zootaxa.3985.4.1
  3. H.C. Bennet-Clark (1970): The Mechanism and Efficiency of Sound Production in Mole Crickets. Journal of Experimental Biology 52: 619-652. pdf download
  4. Family Gryllotalpidae. Singing Insects of North America (SINA), von Thomas J. Walker abgerufen am 9. Oktober 2015.
  5. Shabnam Jafari, Mohammad Hossein Kazemi, Hossein Lotfalizadeh: Acoustic burrow structures of European mole crickets, Gryllotalpa gryllotalpa (Orth.: Gryllotalpidae) in Northwestern Iran. North-Western Journal of Zoology 11 (1), 2015, S. 58–61.
  6. PeggyS.M. Hill, Harrington Wells, John R. Shadley: Singing from a constructed burrow: why vary the shape of the burrow mouth? Journal of Orthoptera Research 15(1), 2006, S. 23–29.
  7. Peter Detzel: Die Heuschrecken Baden-Württembergs. Ulmer Verlag, Stuttgart 1998, ISBN 3-8001-3507-8. auf S. 325.
  8. Daniel R. Howard, Andrew C. Mason, Peggy S. M. Hill (2008): Hearing and spatial behavior in Gryllotalpa major Saussure (Orthoptera: Gryllotalpidae). Journal of Experimental Biology 211: 3613-3618. doi:10.1242/jeb.023143
  9. Rick L. Brandenburg, Yulu Xia, A. S. Schoeman: Tunnel architecture of three species of mole crickets (Orthoptera: Gryllotalpidae). Florida Entomologist 85(2), 2002, S. 383–385.
  10. Ellis L. Matheny, Jr.(1981): Contrasting feeding habits of pest mole cricket species. Journal of Economic Entomology 74: S. 444–445. doi:10.1093/jee/74.4.444
  11. D.E. Silcox & R.L. Brandenburg (2011): Gut Content Analysis of Southern and Tawny Mole Crickets (Orthoptera: Gryllotalpidae: Scapertiscus). Florida Entomologist 94(1): S. 117–118. doi:10.1653/024.094.0118 (open access)
  12. J. H. Frank, J.P. Parkman, F.D. Bennett: Larra bicolor (Hymenoptera: Sphecidae), a Biological Control Agent of Scapteriscus Mole Crickets (Orthoptera: Gryllotalpidae), Established in Northern Florida. Florida Entomologist 78 (4), 1995, S. 619–623.
  13. D.A. Potter & S.K. Braman: Ecology and Management of Turfgrass Insects Annual Review of Entomology 36, 1991, S. 383–406.
  14. Marlene Zuk & Gita R. Kolluru (1998): Exploitation of Sexual Signals by Predators and Parasitoids. Quarterly Review of Biology 73 (4): S. 415–438.
  15. J.H. Frank, N.E. Vicente, N.C. Leppla: A history of mole crickets (Orthoptera: Gryllotalpidae) in Puerto Rico. Insecta Mundi 0004, 2007, S. 1–10.
  16. Eades, D. Otte, M.M. Cigliano, H. Braun: Orthoptera Species File online. Version 5.0 abgerufen am 8. September 2015.
  17. Daniel Otte: Australian Crickets (Orthoptera: Gryllidae). Monographs of The Academy of Natural Sciences of Philadelphia, No. 22, 2007, ISBN 978-1-4223-1928-4. eingeschränkte Vorschau bei Google Books
  18. Heller, K.-G., Korsunovskaya, O., Ragge, D.R., Vedenina, V., Willemse, F., Zhantiev, R.D., Frantsevich, L.: Check-List of European Orthoptera. Articulata Beiheft 7, 1998, S. 1–61.
  19. B.C. Townsend: A revision of the Afrotropical mole-crickets (Orthoptera: Gryllotalpidae). Bulletin of the British Museum (Natural History), Entomology series Vol 46, 1983, S. 175–203.
  20. David A. Nickle & James L. Castner (1984): Introduces species of mole crickets in the United States, Puerto Rico, and the Virgin Islands (Insecta: Gryllotalpidae). Annals of the Entomological Society of America 77: 450-465
  21. D.C. Eades, D. Otte, M.M. Cigliano, H. Braun: Orthoptera Species File online. Version 5.0, abgerufen am 14. Oktober 2015.
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