Marienkirche (Wittstock)
Die Evangelische Stadtpfarrkirche St. Marien und St. Martin in Wittstock/Dosse ist eine dreischiffige Hallenkirche der Backsteingotik. Sie erlangte ihre größte Bedeutung in der Zeit von 1271 bis 1548, als die Bischöfe von Havelberg die Stadt Wittstock mit der Alten Bischofsburg als Residenz und Bischofssitz bevorzugten. Die Kirche war ursprünglich nur dem Heiligen Martin geweiht und erst 1453 mit der Ausbreitung des Marienkultes dem Patrozinium Marias unterstellt.
Die Gemeinde gehört zum Kirchenkreis Wittstock-Ruppin im Sprengel Potsdam in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Baugeschichte
Die Ursprünge der Marienkirche gehen nach den Vermutungen der Bauforscher in ihrem westlichen Teil mit dem monumentalen Turmbau auf den planmäßigen Stadtausbau Wittstocks um 1240 zurück. Ab Ende des 13. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau zur dreischiffigen Hallenkirche zunächst mit vier Jochen. Das Langhaus wurde nach Osten zunächst von einem polygonalen Chor abgeschlossen. Die Bischöfe von Havelberg veranlassten ab 1471 die massive dreischiffige Erweiterung nach Osten. Dieser fiel der ursprüngliche Chor zum Opfer, der zugunsten des heutigen Baukörpers weichen musste und daher abgebrochen wurde. Zu dieser Zeit entstand also der gerade Abschluss des Chors an der St.-Maria-Straße. An der Nordseite des Langhauses wurde 1484 die Marienkapelle angebaut. Die Südkapelle mit ihrem doppelten Stufengiebel entstand 1498. Der Turm hatte ursprünglich einen spitzen Helm, wie heute noch auf der Stadtansicht Wittstocks von Matthäus Merian d. J. aus dem Jahr 1652 zu sehen. Dieser Helm wurde nach seiner Zerstörung 1698 im Jahr 1704 durch einen barocken Helm mit seinen charakteristischen übereinanderliegenden Laternen ersetzt. Die untere Laterne des 68 m hohen Turms ist heute als Aussichtsplattform zugänglich.[1]
Die Kirche musste mehrfach umfassend saniert werden, so nach einem Stadtbrand in den Jahren 1512 bis 1519 (Entwurf und Ausführung Christoph von Lüneburg), wobei auch der spitze Turm entstand und in den Jahren 1843 bis 1846. Im Jahr 2009 wurde das Kirchendach über dem östlich Teil des Langhauses bzw. dem Chor erneuert.
Ausstattung
Bedeutend ist der spätgotische Altar der Kirche, der vermutlich bei der Sanierung des Innenraums der Kirche 1846 aus zwei spätgotischen Retabeln zusammengesetzt wurde. Der untere kam um 1550 aus der Heilig-Geist-Kirche in die Marienkirche und ist eine späte Arbeit (um 1530) des Lübecker Bildhauers Claus Berg, der auch in Odense wirkte. Sein Altar in der Sankt Knuds Kirke in Odense stimmt in wichtigen Details mit denen des kleineren Wittstocker Altars überein, das gilt besonders für die zentrale Marienkrönung. Übereinstimmungen sind auch mit Bergs Aposteln im Güstrower Dom augenfällig. Das aufgesetzte obere Retabel wird in der Kunstgeschichte als rheinische beeinflusste Arbeit eines unbekannten Künstlers von ca. 1520 angesehen. Es stammt aus der ehemaligen privaten Marienkapelle der Havelberger Bischöfe in der benachbarten Alten Burg und wurde nach dem Dreißigjährigen Krieg aufgrund des zunehmenden Verfalls der Burg in die Marienkirche überführt.
Die geschnitzte Kanzel datiert auf das Jahr 1608. Der Bildschnitzer ist nicht bekannt. Das Sakramentshaus neben dem Altar ist eine spätgotische Arbeit aus der Zeit kurz vor der Reformation, die in Wittstock allerdings erst um 1550 nach dem Tod des letzten Bischofs Busso II. von Havelberg († 1548) Einzug hielt. Die Schöne Madonna aus Sandstein wird auf das Ende des 14. Jahrhunderts datiert und fällt durch ihre besonders hohe Krone auf. Der hölzerne Deckel der Taufe von 1634 ist ein schönes Beispiel für den manieristischen Knorpelstil.
Orgel
Der Orgelprospekt geht zurück auf die 1843/1847 gebaute Orgel von Friedrich Hermann Lütkemüller aus dem nahen Papenbruch. Durch den Einbau und Betrieb einer Zentralheizung in der Marienkirche 1927 wurde dieses Instrument zerstört. Die heutige Orgel wurde 1935 von der Firma Alexander Schuke in Potsdam in den neogotischen Prospekt Lütkemüllers eingebaut. Sie verfügt über 45 Register und 3575 Pfeifen bei drei Manualen und einem Pedal.
Glocken
St. Marien hatte nach dem Turmbrand von 1698 bis zum Jahr 1942 bis zu sieben Glocken, die im Jahr 1942 wegen des kriegswichtigen Materials Bronze abgegeben werden mussten. Die ersten sechs wurden 1700 von dem Rotgießer Otto Elers in Berlin geliefert. 1948 fanden sich drei davon (darunter die Apostelglocke) in Berlin wieder. Mit der Neunuhrglocke wurde eine weitere Glocke später auf dem Glockenfriedhof in Hamburg wieder gefunden und kam 1952 nach Wittstock zurück. Am Karfreitag des Jahres 2000 sprang die Apostelglocke beim Läuten und bedarf seither der Reparatur.
Literatur
- Georg Dehio: Handbuch der Kunstdenkmäler – Brandenburg Berlin 2000, S. 1120–1124. ISBN 3-422-03054-9
- Kurt Zellmer: St. Marien zu Wittstock. Karwe bei Neuruppin 2007. ISBN 978-3-935231-94-7