Lotharische Legende
Die Lotharische Legende ist eine seit dem frühen 16. Jahrhundert belegte und im 17. Jahrhundert widerlegte Legende, nach der Kaiser Lothar III. im Jahre 1135 nach der Eroberung Amalfis durch ein Gesetz das römische Recht im Heiligen Römischen Reich eingeführt habe und im gleichen Zug alles entgegenstehende Recht beseitigt sowie zukünftige Rechtsänderungen untersagt habe. Dieser von Melanchton geförderten Legende liegt die Frage zugrunde, wie sich das römische Recht im Spätmittelalter in Deutschland ausgebreitet hat. Die Beachtung der über Jahrhunderte wirkungslosen Überlieferung war überhaupt darauf zurückzuführen, dass die hochmittelalterliche Überzeugung, römisches Recht sei Naturrecht von spiritueller Autorität, verblasste und es in einer Phase der praktischen Rezeption einer neuen Legitimation des römischen Rechts bedurfte.[1]
Die Einführung des römischen Rechtes durch Lothar hätte bedeutet, dass die Übernahme dieses Rechts auf einem Gesetzgebungsakt beruhte. Indem der Kaiser ein Gesetz dieser Tragweite erließ, hätte dies zugleich eine Stärkung der kaiserlichen Macht zur Folge gehabt.
Der Polyhistor Hermann Conring hat im Jahre 1643 in seinem Werk De origine iuris germanici diese Ansicht als Legende entlarvt. Conring weist erstmals quellennah und historisch zutreffend nach, dass sich das römische Recht durch die wissenschaftliche Rezeption an den Universitäten ausgebreitet und durch die praktische Anwendung schrittweise gewohnheitsrechtliche Geltung erlangt hat. Außerdem sei das römische Recht nur unvollständig und durch vielerlei Umbildungen übernommen worden. Hinzu kam, dass keine Urkunde des angeblichen Rechtsaktes aufzufinden war.
Literatur
- Alberto Jori: Hermann Conring (1606–1681). Der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte. Mit einer Grußadresse von Kristian Kühl, Tübingen 2006, ISBN 3935625596.
Einzelnachweise
- Franz Wieacker: Privatrechtsgeschichte der Neuzeit. Unter Berücksichtigung der deutschen Entwicklung. 2. Auflage, Vandenhoeck & Ruprecht, 1967. Kapitel: Ursachen und Bedingungen der profanen Vollrezeption S. 124 ff. (145).