Leopold und Loeb
Nathan Leopold Junior (* 19. November 1904; † 29. August 1971) und Richard Loeb (* 11. Juni 1905; † 28. Januar 1936), besser bekannt als Leopold und Loeb, waren zwei Studenten der University of Chicago aus jeweils sehr wohlhabendem Haus, die 1924 den 14-jährigen Bobby Franks ermordeten und dafür zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Ihre Tat war deshalb bemerkenswert, weil sie hauptsächlich durch den Ehrgeiz der Studenten motiviert war, das perfekte Verbrechen zu begehen. Auch spielte das Verbrechen eine Rolle in der amerikanischen Diskussion um die Todesstrafe.
Hintergrund
Leopold und Loeb, zur Tatzeit 19 bzw. 18 Jahre alt, planten eine Entführung mit anschließendem Mord. Sie hielten sich für Übermenschen im Sinne Nietzsches, weswegen sie nicht fürchteten, gefasst zu werden. Die beiden Freunde waren außergewöhnlich intelligent: Leopold hatte im Alter von 19 Jahren bereits das College abgeschlossen und studierte Jura an der Universität Chicago. Er sprach fünf Sprachen und war ein Experte auf dem Gebiet der Ornithologie. Loeb war der jüngste Absolvent in der Geschichte der University of Michigan. Beide lebten in Kenwood, einer wohlhabenden Gegend im Süden Chicagos.
Das Verbrechen
Am 21. Mai 1924 lockten Leopold und Loeb Bobby Franks, einen entfernten Verwandten und Nachbarn Loebs, in einen gemieteten Wagen. Dort schlug ihn Loeb zunächst mit einem Meißel nieder, anschließend erstickten sie ihn gemeinsam. Nachdem Leopold und Loeb die Leiche in einem Graben unter Eisenbahnschienen außerhalb Chicagos (nahe Hammond, Indiana) versteckt hatten – das Gesicht mit Säure verätzt, um eine Identifizierung zu erschweren – erhielt die Familie des Opfers eine Lösegeldforderung in Höhe von 10.000 US-Dollar. So wollten sie eine Entführung vortäuschen.
Bevor jedoch die Familie das Lösegeld aufgetrieben hatte, fanden Eisenbahnarbeiter die Leiche. Den Ermittlern war sofort klar, dass es sich um keine gewöhnliche Entführung handeln könne – ein Entführer hätte keinen Grund gehabt, Bobby Franks zu töten.
Eine Brille, die neben der Leiche gefunden wurde, führte schließlich auf die Spur von Nathan Leopold. Diese war eine Spezialanfertigung gewesen und nur drei Personen im Großraum Chicago waren im Besitz einer solchen gewesen.[1] Die Lösegeldforderung war auf einer Schreibmaschine getippt worden, die dieser zusammen mit einigen Studienkollegen genutzt hatte. Während des Verhörs fielen die Alibis der Täter in sich zusammen. Beide gestanden das Verbrechen, bezichtigten jedoch den jeweils anderen der eigentlichen Tötung Bobby Franks.
Monatelang hatten sie die Tat geplant und Möglichkeiten erdacht, an das Lösegeld zu kommen, ohne gefasst zu werden. Dabei waren sie immer davon ausgegangen, dass die Leiche erst lange nach der Geldübergabe entdeckt werden würde. Das Geld war allerdings nicht ihr Hauptmotiv; ihre Familien versorgten sie zur Genüge. Vielmehr gaben beide zu, den mit der Tat einhergehenden Nervenkitzel gesucht zu haben. Selbst im Gefängnis versuchten sie, diesen Nervenkitzel aufrechtzuerhalten, indem sie immer wieder Zeitungsreporter mit den blutigen Details ihres Verbrechens versorgten.
Die Folgen und das Gerichtsverfahren
Die Öffentlichkeit war schockiert. In der jüdischen Gemeinde hatte sich niemand vorstellen können, dass Menschen mit beispielhaftem Erfolg ein derartiges Verbrechen begehen könnten. Sowohl die Familie Leopolds als auch die Familie Loebs war sehr wohlhabend, und nahezu jeder Student der University of Chicago hatte damals eine gesicherte Zukunft vor sich. Es gab also absolut keinen Grund, zum Verbrecher zu werden. Antisemitische Priester versuchten, das Verbrechen für ihre Propaganda zu nutzen, obwohl keiner der Angeklagten praktizierender Jude war. Loebs Mutter war Katholikin, und Leopold hatte sich oft vor und während des Prozesses zum Atheismus bekannt. Der Reporter Meyer Levin konstatierte innerhalb der jüdischen Gemeinde „eine Erleichterung, dass auch das Opfer jüdischen Glaubens war“.[2]
Das Gerichtsverfahren wurde zum Medienspektakel, es wurde öffentlich vom „Jahrhundertverbrechen“ gesprochen. Die Familie Loebs engagierte den 67-jährigen Rechtsanwalt Clarence Darrow als Verteidiger, einen erbitterten Gegner der Todesstrafe. Man erwartete, dass er auf Freispruch wegen Unzurechnungsfähigkeit plädieren würde; Darrow jedoch überraschte die Öffentlichkeit damit, dass er beide Angeklagte sich schuldig bekennen ließ. Dadurch vermied er ein Urteil durch Geschworene, das wegen der aufgeheizten öffentlichen Meinung möglicherweise auf Tod durch den Strang gelautet hätte. Stattdessen konnte er nun vor einem einzelnen Richter argumentieren und für das Leben seiner beiden Mandanten plädieren.
Darrow hielt ein Plädoyer,[3] das als das beste seiner Laufbahn gilt. Möglicherweise hatte Darrow den Fall gerade übernommen, um ein solches Plädoyer halten zu können, denn so konnte er seine starken Argumente gegen die Todesstrafe durch die Zeitungsmeldungen in aller Welt einer breiten Öffentlichkeit mitteilen.
Entscheidend war vor allem Darrows Argument, dass die beiden Angeklagten noch minderjährig waren. Der Richter sah daraufhin mit Blick auf die weltweite Entwicklung des Strafrechtes von der Todesstrafe ab. Der Fall wird daher oft im Zusammenhang mit der Diskussion um die Bestrafung Minderjähriger in den USA genannt. Auch damals war in der Öffentlichkeit die Todesstrafe gefordert worden, ungeachtet des Alters der Angeklagten.
Der zuständige Richter verurteilte Leopold und Loeb zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe für den Mord und zu weiteren 99 Jahren Gefängnis für die Entführung.
Leopold und Loeb, die zunächst in Joliet gesessen hatten, wurden später nach Stateville verlegt.[4] Im Gefängnis nutzten die beiden ihre Bildung für einen guten Zweck, indem sie anderen Häftlingen Unterricht gaben. Im Januar 1936 wurde Loeb im Alter von 30 Jahren von seinem Zellengenossen James Day mit einem Rasiermesser getötet. Day konnte später glaubhaft machen, dass Loeb versucht habe, ihn in den Waschräumen zu vergewaltigen und er in Notwehr gehandelt habe. Nathan Leopold zog diese Darstellung später in seinem Buch „Life Plus 99 Years“ in Zweifel. Der katholische Gefängnisseelsorger Eligius Weir bekräftigte diese Zweifel und gab an, dass in Wirklichkeit James Day den getöteten Richard Loeb zu sexuellen Handlungen gedrängt habe. Loeb sei von diesem getötet worden, weil er sich dem widersetzt habe.[5]
1958, nach 33 Jahren Gefängnis, wurde Leopold auf Bewährung entlassen. Er zog nach Puerto Rico, um der Aufmerksamkeit durch die Presse zu entgehen, und heiratete eine verwitwete Floristin. Er starb 1971 mit 66 Jahren an einem Herzinfarkt.
Adaptionen in Literatur, Film und Theater
- Das Verbrechen inspirierte Patrick Hamilton zu dem Roman Rope. Dieser wurde von Alfred Hitchcock unter dem gleichen Namen (im Deutschen: Cocktail für eine Leiche) 1948 verfilmt.
- 1956 behandelte Meyer Levin den Fall in seinem Roman Compulsion (deutsch Zwang), einer fiktionalisierten Version der wirklichen Ereignisse, in der die Namen der Täter in „Steiner“ und „Strauss“ geändert wurden.
- 1959 diente das o. g. Buch Compulsion als Vorlage für den Film Der Zwang zum Bösen des Regisseurs Richard Fleischer, in dem Dean Stockwell und Bradford Dillman die Hauptrollen spielten. Die auf Darrow basierende Figur wurde von Orson Welles dargestellt. Dessen Rede am Ende des Films, in der das Schlussplädoyer Darrows aufgegriffen wird, gilt als einer der längsten Monologe der Filmgeschichte.
- 1991 drehte John David Coles den Film Darrow, in dem sich mit dem Leben Darrows beschäftigt wird. Der Fall Leopold und Loeb wird ebenfalls dargestellt, ist jedoch nur einer unter vielen.
- 1992 wurde im Film Swoon das Thema aufgegriffen
- 1997 drehte Michael Haneke den Film Funny Games, in dem zwei junge, gebildete Männer gezeigt werden, die grundlos Menschen zu Tode quälen. In Hanekes U.S.-Remake seines eigenen Werkes aus dem Jahre 2007 spielt Michael Pitt einen der mordenden Männer – wie auch schon im Film Mord nach Plan.
- 2002 erschien Mord nach Plan mit Sandra Bullock und Ryan Gosling in den Hauptrollen. Hier besteht inhaltlich eine lockere Verbindung zum echten Fall.
- Darüber hinaus wurde das Verbrechen 2003 auch für die Bühne aufgegriffen. Unter dem Titel Thrill me – die Leopold und Loeb Story wurde das Thema von Stephen Dolginoff als Musical inszeniert. Es wurde weltweit gespielt und 2012 erstmals auch in Deutschland, auf der Bühne des Katielli-Theaters in Datteln, aufgeführt.
- 2004 produzierten der RBB und der MDR ein Hörspiel des Schriftstellers Rolf Schneider zu dem Fall mit dem Titel Die Affäre Leopold-Loeb.
- Die Musiker Paul Simon und Art Garfunkel traten einmal unter dem Namen Loeb and Leopold als Vorband von Frank Zappa and the Mothers of Invention auf.
- Der Roman Fever der jüdischen Autorin Leslie Kaplan verlegt das Motiv der Mörder, einen Mord zu begehen, um seine geistige Überlegenheit zu behaupten, an den Schauplatz Paris.
Weblinks
- crimelibrary.com (englisch)
- Famous Trials article (englisch)
Einzelnachweise
- Website der University of Missouri - Kansas City (engl.)
- In Search, 1950 in der Google-Buchsuche
- Clarence Darrow − „A Plea for Mercy“ (1924), Darrow, C. (1936). A Plea for Mercy. In A. Thorndike (Ed.), Modern Eloquence (Vol. 6, pp. 80-85). New York: P.F. Collier & Son. (Original work published in 1924).
- Life & Death In Prison (Memento des Originals vom 30. März 2007 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. von Marilyn Bardsley. Crime Library — Courtroom Television Network, LLC (engl.)
- Prison and Later Life. thrillkillers.weebly.com, abgerufen am 1. Februar 2019 (englisch).