Lena Karpunina
Lena Karpunina (* 1963 in Kaluga, Sowjetunion; † 4. November 2013 in Berlin[1]) war eine russisch-deutsche Schriftstellerin, die Novellen, Kurzgeschichten und Erzählungen auf Esperanto verfasste, die durch Literaturpreise gewürdigt wurden.
Leben
Lena Karpunina wuchs in Duschanbe auf. 1986 erlangte sie ein Ingenieursdiplom am Tadschikischen Staatlichen Polytechnischen Institut[2] und arbeitete in der Folge in Unternehmen der Automobilindustrie. 1993 verzog sie dauerhaft nach Berlin, wo sie ab 1997 deutsche Sprachwissenschaft an der Humboldt-Universität studierte. Inzwischen mit einem deutschen Esperantisten verheiratet, verstarb sie im Alter von 50 Jahren nach einjähriger schwerer Krankheit in ihrer Wahlheimat.
Literarisches Schaffen
1988 lernte Karpunina Esperanto in Duschanbe und reiste in der Folge zu Esperanto-Veranstaltungen, zunächst in der Sowjetunion und dem früheren Ostblock, ab 1990 auch in den Westen. 2000 erschien ihr erster Band mit Erzählungen und Kurzgeschichten, „La Bato“ („Der Schlag“), in Antwerpen (2. erw. Aufl. Moskau 2006). 2007 folgte die Erzählung „Neokazinta Amo“ („Eine Liebe, die nicht stattfand“). Weitere Novellen veröffentlichte sie in allgemeinen Esperanto-Zeitschriften wie „Monato“ (Antwerpen) und „La Balta Ondo“ (Internetausgabe von „La Ondo de Esperanto“, Kaliningrad) sowie in der Literaturzeitschrift „Beletra Almanako“ (New York).
Karpunina war Mitglied der Esperantlingva Verkista Asocio (EVA, Bund der Esperanto-Schriftsteller, 2008 umgewandelt in die Akademio Literatura de Esperanto (ALE), deutsch Literarische Akademie des Esperanto). 2010 wurde sie „besonders für ihre Verdienste auf literarischem Felde“ in die Akademio de Esperanto gewählt.[3]
Auszeichnungen und Kritik
Jahr | Kategorie | Auszeichnung | Werk | Deutsch |
1997 | Prosa | 3. Preis | Jaŝa | Jascha |
1998 | Prosa | Ehrende Erwähnung | Miŝka Voropajev | Mischka Woropajew |
1998 | Prosa | Ehrende Erwähnung | Bela | Bela |
1999 | Prosa | 3. Preis | La ridinda letero | Der lächerliche Brief |
2001 | Prosa | 2. Preis | La pluvo en Ĉenstoĥovo | Der Regen in Tschenstochau |
2001 | Prosa | 3. Preis | La demando de emancipiĝo | Die Frage der Emanzipation |
2001 | Prosa | Ehrende Erwähnung | Mirt | Mirt |
2002 | Prosa | 2. Preis | Pro savo de homo | Wegen einer Menschenrettung |
2012 | Prosa | Ehrende Erwähnung | La amnestipeto | Das Amnestiegesuch |
Gegenstand ihrer Erzählungen sind insbesondere das oft harte und gefühlskalte Leben im sowjetischen Tadschikistan und die Vereinzelung des Menschen in einer kapitalistischen Großstadt am Beispiel Berlins. In augenscheinlich einfachem, ungekünsteltem und lakonischem Stil spürt sie der menschlichen Psychologie nach und zeigt auf, wie sich Menschen auch unter widrigsten Umständen ihre Menschlichkeit bewahren.[4] Beispielhaft für die meist niederdrückende, beklemmende und verstörende Erzählwelt Karpuninas kann verwiesen werden auf die Erzählung „Amnestiegesuch“: Das feingeistige Gulag-Kind Siwokon, zum Polarkreis deportiert im Alter von zwölf Jahren, schreibt seit über 30 Jahren regelmäßig einen Antrag auf Freilassung, obwohl er längst weiß, dass ein korrupter Mithäftling die Gefangenenpost in den Fluss wirft. Als Siwokon schließlich entlassen werden soll, bricht seine Welt zusammen. – In „Mädchen mit den Äpfeln“ sucht Karpunina nach Jahren in Berlin Spuren des Bürgerkriegs in Duschanbe. Der Sportplatz ihrer ehemaligen Schule ist jetzt ein Massengrab, aber die Menschen wirken fröhlich auf den überquellenden Obst- und Gemüsemärkten der geliebten, lebensvollen Stadt. Wen sie auch fragt, niemand spricht von „damals“, bis Onkel Aljoscha – betrunken und deprimiert – erzählt, wie die Paramilitärs den Mädchen aus dem Pamir aufgelauert haben. – Im Mietshaus in der Kurzgeschichte „In einer großen Stadt“ weckt erst der Leichengeruch von Ansbach Erikas Interesse an ihrem langjährigen Nachbarn, obwohl ihr Mann Bernd schimpft, sie solle „sich nicht immer in alles reinhängen“.
Werke im Internet
- Die Mädchen mit den Äpfeln – Übersetzung in Auszügen von „Mortpafitaj pomoj“ über den Bürgerkrieg in Duschanbe.
- En granda urbo – In einer großen Stadt (Novelle über einen lange unbemerkt gebliebenen Tod in einem Berliner Mietshaus), aus Monato (Antwerpen)
- La amnestipeto – Das Amnestiegesuch (Novelle ausgezeichnet im Wettbewerb der schönen Künste des Esperanto-Weltbundes – Universala Esperanto-Asocio – 2012)
Literatur
- Sutton, Geoffrey. Concise Encyclopedia of the Original Literature of Esperanto – CEOLE (Kurzgefasste Enzyklopädie der Originalliteratur des Esperanto). New York: Mondial 2008, S. 574–575.
Weblinks
Einzelnachweise
- Nachruf in Libera Folio (auf Esperanto)
- Im April 1992 umgewandelt in die Tadschikische Technische Universität Muhamed Osimi, tadschikisch Донишгоҳи техникии Тоҷикистон ба номи М.С. Осимӣ.
- Oficiala Informo de la Akademio n-ro 23 de 6. November 2013
- Rezensionen von „La Bato“ von Sten Johansson in La Espero (Schweden) 2002, Ales Gofen in Esperanto USA 4/2001, Guido van Damme in Horizontaal (Belgien) 1/2001, Yenovk Lazian in Esperanto (Esperanto-Weltbund, Rotterdam) 7/2001, Donald Broadribb (Australien) in Monato (Antwerpen) 4/2001 (alle auf Esperanto)