La Kalsa
La Kalsa oder auch Tribunali ist ein historisches Stadtviertel in der Innenstadt von Palermo. Es wird im Westen von der Via Maqueda, im Süden von der Via Lincoln und dem Park Villa Giulia, im Osten an der Meeresseite vom Foro Italico und im Norden von der Via Vittorio Emanuele und dem Hafen La Cala begrenzt. Südlich von La Kalsa schließt sich das Stadtviertel Corso-dei-Mille/Sant’Erasmo an. La Kalsa mit seinen kleinen verwinkelten Gassen galt lange Zeit als Hochburg der Cosa Nostra.
Namensgebung
Der Name La Kalsa stammt aus dem Arabischen, vom Wort Al-Khalesa (الخالصة), welches soviel wie die „Die Auserwählte“ bedeutet. Der italienische Name Mandamento Tribunali rührt daher, dass sich im Palazzo Chiaramonte-Steri das Inquisitionsgericht befand.[1]
Geschichte
In der Antike lagen noch große Teile der La Kalsa unterhalb des Meeresspiegels. Hamilkar und Hannibal landeten hier 480 v. Chr. mit ihrer karthagischen Flotte, als sie einen Angriff auf die griechische Stadt Himera vorbereiteten. Die Mauern der punischen Stadt, die von Phöniziern und Karthagern besetzt waren, erstreckten sich einst bis zum Zusammenfluss der Flüsse Papyrus und Kemonia nahe der heutigen Kreuzung der Via Roma und der Via Vittorio Emanuele.
Al-Khalesa wurde im 9. Jahrhundert erbaut und war eine der ersten geplanten arabischen Siedlungen in Europa. Es war das Verwaltungszentrum der Stadt Bal'harm (Palermo), das unter arabischer Herrschaft stand, bis es 1072 von den Normannen erobert wurde. In den 970er-Jahren expandierte Palermo zu einer muslimischen Großstadt, die mit Kairo oder Córdoba vergleichbar war. Um 937 verlegten die Araber ihre Basis von Al-Kasr (heute Cassaro oder Burgviertel) nach Al-Khalesa und bauten einen befestigten Palast in der Nähe des Hafens. Al-Khalesa beherbergte nicht nur den Emir und seinen Hofstaat, sondern enthielt auch das Arsenal und das Gefängnis, Hamam-Bäder, eine Moschee und Regierungsbüros. Es gab keine Geschäfte oder Märkte in der Umgebung. Al-Khalesa war von einer Steinmauer mit vier Toren umgeben, von denen das bekannteste das Bab al-Bahr oder Marinetor Richtung Hafen war. Das Zentrum von Al-Khalesa befand sich in der Nähe der heutigen Piazza Kalsa. Ein Großteil der gegenwärtigen „arabesken“ Architektur des Platzes, wie das griechische Tor, ist das Produkt spanischer maurischer Wiederbelebungsbewegungen aus dem 16. Jahrhundert und kann nicht direkt auf das Emirat Bal'harm zurückgeführt werden. Das Stadtviertel besitzt noch immer enge und verwinkelte Gassen, so wie die Bauweise im 11. Jahrhundert üblich war.
Nachdem die Normannen Palermo erobert hatten, zogen sie es vor, ihr Hauptquartier auf eine höhere Ebene, in den Cassaro zu verlegen. Die Kalsa blieb ein arabisches Viertel mit Märkten und Moscheen.
Der Bezirk Kalsa wurde im Zweiten Weltkrieg von den Amerikanern schwer bombardiert und danach für Jahrzehnte aufgegeben. Er zog verarme Hausbesetzer an, von denen viele unter katastrophalen hygienischen Umständen in den ausgebombten Ruinen lebten. Der sizilianisch-amerikanische Schriftsteller Dodici Azpadu beschreibt es als „arabisches Ghetto“. Das Gebiet wurde inzwischen wiederbelebt und beherbergt Kunstgalerien, restaurierte Kirchen und Paläste sowie andere Touristenattraktionen. Heute, nachdem die vielen bewaffneten Straßenüberfälle[2] stark zurückgingen, ist La Kalsa das Ausgehviertel von Palermo und in den Sommermonaten wird dort das Kulturfestival Kals'art gefeiert. In traditionellen Restaurants, wie der Antica Focacceria San Francesco[3], werden wie vor 180 Jahren gesottene Kalbsmilz mit Fladenbrot aus Kichererbsenmehl (Pane di Milza) und Arancini serviert.
La Kalsa und die Mafia
Das an den Hafen grenzende Viertel La Kalsa, zuvor lange Zeit wegen seiner hohen Kriminalitätsrate auf „Bronx-Niveau“[4] heruntergekommen, blieb seit dem Zweiten Weltkrieg im verfallenen Zustand und wurde teils nur noch als illegale Müllkippe genutzt. Viele kleine lokale Gewerbe-[5] und Handwerksbetriebe wie Kesselflicker oder Scherenschleifer gingen in der Kalsa ihrem lautstarken Gewerbe nach. Erst in der letzten Zeit wurde das Viertel renoviert, wirkt jetzt hell und sauber und ist mit seinen pittoresken Gassen ein beliebtes Ziel von Touristengruppen. Die La Kalsa galt über viele Jahre hinweg als das Armenhaus der Stadt[6]. Der Schmelztiegel La Kalsa, der nach dem Bombardement des Jahres 1943 (selbst 40 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges waren die Trümmer in der Altstadt Palermos nicht vollständig entfernt worden[7]) unter Entvölkerung bei gleichzeitiger Hausbesetzung und Bauspekulation[8] litt, war seither tief von Armut[9] und einer hohen Arbeitslosigkeit geprägt, so dass die Mafia hier einen idealen Nährboden vorfand und hier zeitweilig ihr „Hauptschlachtfeld“[10] hatte. Das Hafenviertel La Kalsa ist eng mit der Mafiafamilie Santa Maria di Gesú verbunden, einem der ältesten und stärksten Clans von Sizilien, die unter anderem von Stefano Bontade und Salvatore „Totuccio“ Contorno angeführt wurden, und die auch hier ihre Herrschaft etablieren konnte. Danach war es Ottavio Abbate[11], der in La Kalsa Drogen an Abhängige vertrieb.
Die Kalsa wurde andererseits aber auch für ihre Anti-Mafiajäger bekannt. Darunter zählten die Brüder Borsellino Giovanni Falcone, die in einer Mittelschichtsfamilie an der Piazza Magione[12] aufwuchsen.
Sehenswürdigkeiten
Zu den Sehenswürdigkeiten der La Kalsa gehören:
- Kirchen
- Chiesa di San Francesco
- Chiesa della Martorana
- Basilica La Magione
- Lo Spasimo
- Chiesa di San Cataldo
- La Gancia
- Chiesa di San Giovanni dei Napoletani
- Chiesa della Santissima Pietà
- Chiesa di Santa Teresa
- Stadttore
- Porta Felice
- Paläste
- Palazzo Abatellis
- Palazzo Butera
- Palazzo Chiaramonte-Steri
- Palazzo Mirto
- Palazzetto Mirto
- Palazzo di Sant'Elia (già „Palazzo del Marchese Santa Croce“)
- Palazzo Trabucco della Torretta
- Hotel Patria (già Palazzo Naselli d'Aragona)
- Theater
- Teatro Santa Cecilia
- Teatro Garibaldi
- Teatro Bellini
- Teatro Montevergini
- Plätze
- Piazza Pretoria
- Piazza Marina
- Piazza della Magione
- Piazza Kalsa
- Brunnen
- Fontana del Genio
- Fontana Pretoria
- Oratorien
- Oratorio dei Bianchi
- Oratorio di San Lorenzo
- andere Sehenswürdigkeiten
- Museo delle marionette
- Passeggiata delle Cattive
- Via Roma (Palermo)
- Chiesa di Santa Maria dello Spasimo
Liste bekannter Personen aus La Kalsa
- Dodici Azpadu
- Paolo Borsellino (1940–1992), italienischer Richter
- Giovanni Falcone (1939–1992), italienischer Jurist
Literatur
- Giovanna Cassata, Evelina De Castro, Maria Maddalena De Luca (Hrsg.): Il quartiere della Kalsa a Palermo: Dalle architetture civili e religiose delle origini alle attuali articolate realtà museali. Regione Sicilia, Palermo 2013, ISBN 978-88-6164-222-5.
Anmerkungen Einzelnachweise
- Mandamento Tribunali. In: palermoweb.com. Abgerufen am 1. April 2020 (italienisch).
- Mafia. Italiens Schande. Der Tagesspiegel. 14. Mai 2010
- Nach Palermo, wo Märkte Theaterbühnen sind. Chaos, Abfall, Mafia: Lange hatte die Hauptstadt Siziliens keinen guten Ruf. Nun erobern die Palermitaner ihre Stadt zurück. Und sind stolz, dass sie dieses Jahr italienische Kulturstadt ist. Tagblatt. 2. Juli 2018
- Allein ohne die Mafia. Die Zeit. 3. Februar 2000
- La Kalsa, die Altstadt von Palermo, ist nicht chic geworden, aber lebenswert. Neue Zürcher Zeitung. 23. September 2017
- Kulturhauptstadt Palermo – Manifesta & Mafia, wie geht das? 1. November 2011
- „Wir haben es satt, Schlachtvieh zu sein“ SPIEGEL-Redakteurin Birgit Kraatz über die Macht der Mafia in Palermo. Der Spiegel. 23. September 1985
- Geographical Palermo. Informationen zu La Kalsa. Marco Polo Reiseführer
- La Kalsa auf Lonely Planet Sicily
- Ana Lilia Pérez: Kokainmeere: Die Wege des weltweiten Drogenhandels. Pantheon Verlag. 2016 ISBN 978-3-641-18419-3.
- Arresti, condanne e scarcerazioni La Kalsa fortino degli Abbate. Live Sicilia.it
- Der Fall Borsellino