Kristina Marlen
Kristina Marlen ist eine deutsche Sexarbeiterin, Performancekünstlerin, Autorin, Schauspielerin und sexpositive Feministin.
Leben
Marlen studierte zunächst Kulturwissenschaften, Gender Studies und Jura und machte 2006 ihr Examen als Physiotherapeutin. Sie entwickelte eine eigene Methode der Körperarbeit, in der sie ihre Ausbildung als Tänzerin (Contact Improvisation, Zeitgenössischer Tanz, BMC) mit ihrem medizinischen Wissen kombinierte.
Seit 2008 begann sie sich auch mit dem Aspekt Sexualität und Erotik in der Körperarbeit zu befassen, weil das bei sämtlichen sowohl medizinischen als auch alternativen Heilmethoden ausgespart werden. Sie entwickelte ein Ritual, in dem sowohl Elemente der tantrischen Massage als auch des BDSM integriert sind. Sie bezeichnet ihre Arbeit als zwischen Therapie, Performance und Dienstleistung liegend und hebt bewusst hervor, dass die Übergänge fließend sind. Besonders prägend waren für sie seit 2009 Besuche in der Schwelle 7, gegründet von Felix Ruckert, ein Ort der Begegnung und Aufführung, der eine Art Schnittstelle zwischen Performancekunst, Selbsterfahrung, Körperarbeit, Inszenierung und Interaktion in Berlin darstellte. Zwischen 2010 und 2017 bildete sie sich unter anderem dort ständig fort und spezialisierte sich auf Bondage, die Kunst des erotischen Fesselns. Sie belegte Fortbildungen u. a. bei Hajime Kinoko, Nawashi Kanna, Felix Ruckert, Yoroi Nicolas, Ren Yagami, Gorgone, Miu-Miu, Riccardo Wildties, Soptik Zet, Matthias Grimme und anderen.
Die Kombination von japanisch inspiriertem Seilbondage und tänzerischen und performativen Aspekten führten zu der eigenen Form „Sinn und Seil“, die Kristina Marlen deutschland- und weltweit unterrichtet. Im Mittelpunkt stehen die Interaktion zwischen fesselnder und gefesselter Person, die Bewegung und die Ästhetik des Augenblicks, zu denen sie u. a. in Berlin, Helsinki, Prag, Schweden, Dänemark, Singapur, Hongkong, Taiwan und Zürich Unterricht gibt. In diesem Zusammenhang entstand auch die interaktive Performance „Instant Intimacy“, die auf dem Pornfilmfestival Berlin 2013 bis 2017 aufgeführt wurde.
Der Zusammenhang von Performance, Körperkunst, Tanz, Sexualität, Berührung und Heilung ist Motor für ihr kreatives Schaffen. Kristina Marlen arbeitet seit 2010 hauptberuflich als Sexarbeiterin, sie tritt als Sängerin und Tänzerin auf und unterrichtet Workshops zum Thema sexuelle Forschung und Selbstbestimmung. Dabei rückte für sie die Frage nach einer Konsenskultur in der sexuellen Begegnung immer mehr in ihren Fokus, vor allem auch während der #Metoo-Bewegung. Die Frage, wie wir persönliche Grenzen in intimer Begegnung wahren, kommunizieren, aber auch erweitern können, ist für sie Forschungs- und Experimentierfeld. Seit 2013 engagiert sie sich im Zusammenhang der Proteste gegen das Prostituiertenschutzgesetz in der Hurenbewegung. Sie ist Mitglied im BesD (Berufsverband sexuelle und erotische Dienstleistungen). Sie publiziert und setzt sich im Rahmen von Podiumsdiskussionen und Protestveranstaltungen für sexuelle Selbstbestimmung sowie den Respekt, die Rechte und die Anerkennung von Sexarbeiterinnen ein. Sie tritt als Sprecherin zum Thema Sexpositivität auf und zeichnet eine feministische Perspektive auf Sexarbeit. Sie war in diesem Zusammenhang Interviewpartnerin in vielfältigen Medien in Zeitungen/Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen. Sie unterrichtet ihre Methode sexueller und bewusster Körperarbeit in Europa und weltweit. Die Ausbildung wendet sich an Privatpersonen und auch an Menschen, die professionell mit Sexualität arbeiten.
Der Science-Fiction-Film Fluidø von Shu Lea Cheang, in dem sie eine der Hauptrollen spielt, wurde 2017 in der Sektion Panorama der 67. Internationalen Filmfestspiele Berlin gezeigt.
Seit 2015 legt sie den Fokus auf weibliche Sexualität und adressiert gezielt weibliche Kundschaft, um die patriarchalen Strukturen in der Prostitution umzuschreiben und weibliche Sexualität zu bestärken. Der Kampf gegen Zensur insbesondere weiblicher Sexualität, Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen und die Sanktionierung aller Menschen, die sexuell als „anders“ bewertet werden, ist Gegenstand ihres politischen Handelns und Schreibens. In ihrem Blog schreibt sie zu den Themen Feminismus, sexuelle Selbstbestimmung von Frauen, die Vision einer sexuellen Kultur für alle Geschlechter und „die potente Frau“.
Filmografie
- 2012: Blissfull Bondage
- 2017: Fluidø
- 2017: Ritual for the Whores
Presse & Publikationen (Auswahl)
- Krautreporter, Autorin Kristina Marlen „Was die Kirche von Sexarbeiterinnen lernen kann“, 26. Juni 2019
- Krautreporter, im Interview mit Theresa Bäuerlein „Warum Frauen Sex kaufen“
- Deutschlandradio Kultur, Echtzeit, 10. Januar 2019
- WDR, Frau tv, Autorin Uschi Müller „Frauen kaufen Sex“
- taz, Autorin Kristina Marlen „Wer hat Angst vor der potenten Frau“, 4. Juli 2018
- Buzz Feed, Autorin Jule Löffler „Diese Sexarbeiterinnen kämpfen gegen das ProstituiertenSchutzgesetz“ (mit Josefa Nereus[1]), 21. Februar 2018
- Süddeutsche Zeitung, Autorin Ann Kathrin Eckhardt „Ausser Kontrolle“, 20. Dezember 2017
- Missy Magazine, Autorin Kristina Marlen: „Frauen als Kundinnen in der Sexarbeit?“, 30. September 2016
- Deutschlandfunk Nova: Im Gespräch mit Sven Preger „Die sinnliche Dominante“, 2. Dezember 2015
- Tagesspiegel Interview mit Veronica Frenzel und Jens Mühlig: „Ich öffne Menschen die Türen zu ihrer Sexualität“, 18. Januar 2014
Weblinks
- Kristina Marlen in der Internet Movie Database (englisch)
- Eigene Webpräsenz
- Thorkit Treichel, Sexarbeiterin Kristina Marlen „Meine Vision ist die Ausweitung der Prostitution“, Berliner Zeitung Online, 13. November 2013
- Ricardo Tarli, Aufstand der Prostituierten, NZZ Online, 16. Februar 2016
- Orgasmus durch den ganzen Unterleib in Die Welt (2019)
Einzelnachweise
- Jan Feddersen: „Ich war noch nie ein Kind von Unschuld“. In: Die Tageszeitung: taz. 30. Mai 2020, ISSN 0931-9085, S. 26–27 (taz.de [abgerufen am 31. Mai 2020]).