Hurenbewegung
Die Hurenbewegung ist eine soziale Bewegung von Prostituierten, die auch den Begriff der Sexarbeit prägte. Sie werden vom zeitgenössischen sexpositiven Feminismus darin unterstützt.
Deutschland
Die Kölner Chronisten verzeichnen schon 1492 einen Aufstand ehemaliger Huren im Kloster St. Maria Magdalena zur Buße in Eigelstein, vermutlich wegen Zwangsarbeit.[1]
Seit den 1980er Jahren begannen sich in Westdeutschland Sexarbeiterinnen in einer Hurenbewegung zusammen zu organisieren.[2] So bestand das Selbsthilfeprojekt Huren wehren sich gemeinsam (HWG) in Frankfurt von 1984 bis 1999, als die öffentlichen Mittel leicht reduziert wurden. Im Oktober 1985 veranstalteten Hydra und HWG den ersten Nationalen Hurenkongress, der später in Fachtagung Prostitution umbenannt wurde.[3] Andere Hurenprojekte sind Kassandra in Nürnberg, Kober in Dortmund, Madonna in Bochum, Sperrgebiet in Hamburg, Nitribitt in Bremen, Tamara in Frankfurt und Amnesty for Women. Gewerkschaftlich vertreten werden Prostituierte vom ver.di Fachbereich 13 („besondere Dienstleistungen“).[4]
Durch das Internet wurden sowohl die Angebote vielfältiger, als auch die Vernetzung von Sexarbeiter/innen einfacher. Die größte Plattform für den Austausch von Sexarbeiter/innen im deutschsprachigen Raum stellt die Internetseite sexworker.at dar.
Im Oktober 2013 wurde in Deutschland ein Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD) von Sexarbeiter/innen[5] gegründet. Am 29. Oktober 2013 veröffentlichte der Verband den Appell für Prostitution für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Sexarbeit.[6] Der BesD hat nach Eigenangabe eine dreistellige Mitgliederzahl.
Aktuell kritisiert die Hurenbewegung das am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG).
Vereinigte Staaten
Die von Margo St. James gegründete Prostituiertenorganisation Call Off Your Old Tired Ethics (COYOTE)[7] postulierte 1973 in den Vereinigten Staaten:[8]
- „A woman has a right to sell sexual services just as much as she has the right to sell her brains to a law firm or sell creative work to a museum…“
Zu den weiteren amerikanischen Organisationen zählen Sex Workers' Action Coalition (SWAC), North American Task Force on Prostitution (NTFP) in New York, Prostitutes of New York (PONY) in New York, sowie Hooking Is Real Employment (HIRE) in Atlanta.
Carol Leigh, Vorsitzende des Netzwerks Bay Area Sex Worker Advocacy Network (BAYSWAN)[9] in San Francisco, prägte 1978 den Begriff Sexworker, deutsch Sexarbeiter/in. Sie gründete das San Francisco Sex Worker Film and Video Festival.[10]
2003 wurde von Annie Sprinkle, Aktivistin des Sex Workers Outreach Project USA, der Internationale Tag gegen Gewalt gegen SexarbeiterInnen ausgerufen.
Weitere Länder
In Frankreich besteht das Syndicat du travail sexuel (STRASS), hier ist der Ursprung der organisierten Hurenbewegung in Europa zu verorten. Am 2. Juni 1975 besetzten 150 Frauen die Kirche Saint-Nizier in Lyon, um damit öffentlich auf die Repression durch staatliche Institutionen aufmerksam zu machen.[11] In England das English Collective of Prostitutes, in Irland das Sex Workers Alliance Ireland (SWAI),[12] in Australien die Scarlet Alliance.
Internationale Zusammenschlüsse
Seit den 1970er Jahren thematisierten feministische Aktivistinnen die Frage nach den Menschenrechten im Kontext freiwilliger und unfreiwilliger Prostitution. Dabei gab es eine transnationale Diskussion darüber, ob Prostitution per se als Menschenrechtsverletzung gesehen werden oder ob man sich für die Menschenrechte von Prostituierten einsetzen müsste. Ebenfalls seit den 1970er Jahren ergriffen Prostituierte zunehmend selbst das Wort und stellten politische Forderungen rund um ihren rechtlichen und gesellschaftlichen Status. Während des ersten Welthurenkongresses in Amsterdam im Jahre 1985 gründete sich das International Committee of Prostitutes’ Rights (ICPR). Das ICPR stellte 1986 anlässlich des Zweiten Hurenkongresses im Europäischen Parlament in Brüssel die Erklärung über Prostitution und Menschenrechte vor. Diese erwehrt sich gegen die Vorstellung von Prostitution als Entwürdigung von Frauen und gesellschaftliche Gefahr. Es wird gefordert, Prostitution als legitime Arbeit und Prostituierte als legitime Bürger aufzufassen. In dreizehn Punkten führt die Erklärung Menschenrechtsverletzungen auf, die Prostituierten aufgrund prostituiertenfeindlicher Rechtsordnungen widerfahren. Die Erklärung formuliert auch menschenrechtsbasierte Ansprüche von Prostituierten als Menschen gegenüber Staaten, wie zum Beispiel das Recht auf Leben, Sicherheit und Familie.[13] Bald nach dem Zweiten Welthurenkongress verabschiedete das ICPR zudem die World Charter for Prostitutes' Rights.[14]
Die Vereinigung International Union of Sex Workers (IUSW) versteht sich als weltweiter Zusammenschluss. in Europa etablierte sich das Netzwerk TAMPEP, auch European Network for HIV/STI Prevention and Health Promotion among Migrant Sex Workers genennt.
Literatur
- Gillian Abel, Lisa Fitzgerald, Catherine Healy, Aline Taylor: Taking the Crime Out of Sex Work. 2010, ISBN 9781847423344
- Mareen Heying: Huren in Bewegung: Kämpfe von Sexarbeiterinnen in Deutschland und Italien, 1980 bis 2001. Essen 2019, ISBN 978-3-8375-2071-2.
- Almuth Waldenberger: ... wie andere auch! Geschichte und Debatten der Hurenbewegung in Deutschland und Österreich von den 1970er Jahren bis 2011. Wien, 2012
- Sonja Dolinsek: Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels (1949) und Erklärung über Prostitution und Menschenrechte (1986), in: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte, herausgegeben vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, September 2016, abgerufen am 11. Januar 2017.
- Mirjam Schnorr: Die „Hurenbewegung“. Zum (medialen) Kampf von Frauen in der Prostitution um Rechte und Anerkennung in der Bundesrepublik Deutschland seit 1975, in: Menschenrecht als Nachricht. Medien, Öffentlichkeit und Moral seit dem 19. Jahrhundert, hg. von Birgit Hofmann, Frankfurt am Main/New York 2020, S. 307–345.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Carl Dietmar: Aufstand der „bekehrten Sünderinnen“. In: Chronik Köln, Gütersloh, 1991, Seite 143
- Mareen Heying: Die Hurenbewegung als Teil der Zweiten Frauenbewegung. Abgerufen am 2. Juni 2021.
- Stichtag 27. Oktober 2010 - Vor 25 Jahren: 1. nationaler Hurenkongress in Berlin, auf wdr.de
- Die Hurenprojekte, die Millionen & der Vater Staat Emma vom 14. August 2014
- Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen von Sexarbeitern (BESD)
- Appell FÜR Prostitution. Pressemitteilung vom 29. Oktober 2013 (online)
- Call Off Your Old Tired Ethics, auf walnet.org
- Journal Article From Sex as Sin to Sex as Work: COYOTE and the Reorganization of Prostitution as a Social Problem, auf jstor.org
- Welcome to the World of Scarlot Harlot
- Scarlot Harlot Video Festival
- Aufstand der Huren – magazin.hiv. In: magazin.hiv. 2. Juni 2015 (magazin.hiv [abgerufen am 10. Juli 2018]).
- Sex Workers Alliance Ireland (SWAI)
- Sonja Dolinsek: Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels (1949) und Erklärung über Prostitution und Menschenrechte (1986). In: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte. Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, September 2016, abgerufen am 6. Juni 2020.
- World Charter For Prostitutes' Rights