Kräfteparallelogramm
Das Kräfteparallelogramm ist ein Hilfsmittel zur geometrischen Untersuchung von Kräften. Es basiert auf einem Gesetz der Mechanik, das besagt:[1]
- Je zwei am selben Punkt angreifende Kräfte können durch eine einzige Kraft ersetzt werden. Diese resultierende Kraft (auch Gesamtkraft oder Ersatzkraft genannt) hat die gleiche Wirkung wie die beiden Ausgangskräfte zusammen.
Als geometrische Lösung zeichnet man dazu zwei Kraftvektoren mit Betrag (also bestimmter Länge) und Richtung als Pfeile auf. Im Parallelogramm, das aus diesen beiden Pfeilen gezeichnet werden kann, zeigt die Diagonale vom Ursprungspunkt aus die resultierende Kraft, die sich ergibt. Mathematisch entspricht das der Vektoraddition der beiden Kraftvektoren. Die Umkehrung dieses Prozesses ist die Kräftezerlegung, bei der ein vorgegebener Kraftvektor in zwei Kräfte aufgespalten wird. Dabei sind prinzipiell beliebig viele Lösungen möglich. Kennt man die Wirkungsrichtung der zerlegten Komponenten, so gibt es genau eine Lösung und man kann den Betrag der beiden Kräfte bestimmen.
Das Gesetz vom Kräfteparallelogramm hat axiomatischen[2] Charakter: Es kann nicht durch andere Gesetze – z. B. die newtonschen Gesetze – bewiesen werden, sondern wird als wahr angenommen, da seine Ergebnisse mit den Erfahrungen der Praxis übereinstimmen.[3] Zuweilen wird es auch als viertes newtonsches Gesetz bezeichnet.
Nach dem gleichen Gesetz werden in der klassischen Mechanik Geschwindigkeiten addiert (siehe Klassisches Additionstheorem der Geschwindigkeiten).
Die Erweiterung des Konzepts vom Kräfteparallelogramm auf mehr als zwei Kräfte führt zum Kräfteeck. Es können aber auch mehr als zwei Kräfte mit dem Kräfteparallelogramm zusammengefasst werden. Dazu werden zunächst zwei Kräfte zusammengefasst und deren Resultierende wird dann mit einer weiteren Kraft zu einer neuen Resultierenden zusammengefasst. Der Vorgang wird dann solange wiederholt bis nur noch eine einzige Kraft übrig bleibt.
Grafische Addition zweier Kräfte
Mit grafischen Mitteln lässt sich eine resultierende Kraft ermitteln, deren Wirkung auf den Körper den beiden Ausgangskräften entspricht.
- Maßstabsgerechtes Anzeichnen der Kräfte nach Angriffspunkt, Betrag und Richtung.
- Verschieben der Pfeile entlang der Wirkungslinie zum gemeinsamen Schnittpunkt. Falls die beiden Kräfte nicht denselben Angriffspunkt haben, kann das Kräfteparallelogramm im Allgemeinen nicht angewandt werden. Falls die Kräfte jedoch auf einen starren Körper wirken ändert sich ihre Wirkung nicht wenn sie entlang ihrer Wirkungslinien verschoben werden (sogenanntes Linienflüchtigkeitsgesetz). Häufig geht man unausgesprochen davon aus, dass die Kräfte auf einen starren Körper wirken.
- Parallelverschiebung der beiden Wirkungslinien, so dass die Linie die Spitze des anderen Kraftvektors durchläuft.
- Die Diagonale des so entstandenen Parallelogramms bildet die resultierende Kraft und ersetzt die beiden Ausgangskräfte. Die entstandene Kraft lässt sich für weitere Untersuchungen wiederum entlang ihrer Wirkungslinie verschieben, falls sie auf einen starren Körper wirkt.
- Schritt 1
- Schritt 2
- Schritt 3
- Schritt 4
Grafische Kräftezerlegung
Eine Kraft wird zur besseren Untersuchbarkeit in zwei Teilkräfte aufgespaltet, die sich am selben Punkt schneiden. Dabei lässt sich mit grafischen Mitteln anhand der geforderten Wirkrichtung der Betrag der Kraftkomponenten ermitteln.[4]
- Maßstabsgerechtes Aufzeichnen der Ausgangskraft und der Wirkungslinien der Teilkräfte
- Verschiebung der Ausgangskraft entlang ihrer Wirkungslinie zum Schnittpunkt der Wirkungslinien
- Parallelverschiebung der Wirkungslinien der Teilkräfte, damit die Linie die Spitze der Ausgangskraft durchläuft
- Die am Angriffspunkt anliegenden Seitenkanten des entstandenen Parallelogramms entsprechen den Kraftvektoren der Teilkräfte.
- Schritt 1
- Schritt 2
- Schritt 3
- Schritt 4
Geschichte
Das Gesetz vom Kräfteparallelogramm wurde erstmals 1586 von Simon Stevin (1548–1620) formuliert.[5][6] Genau hundert Jahre später gab Isaac Newton (1643–1727) es in seinen Principia Mathematica nicht als Axiom an, sondern als Zusatz. Er ging somit von seiner Gültigkeit aus.[7]
Literatur
- Jacques Guillaume Crahay: Beschreibung einer Maschine zum experimentellen Beweise des Theorem vom Parallelogramm der Kräfte. In: Johann Christian Poggendorff (Hrsg.): Annalen der Physik und Chemie, 1843, Band LX, Johann Ambrosius Barth, Leipzig; Volltext (Wikisource).
Weblinks
- Interaktives Java-Applet zur Kräftezerlegung
- Kräfteaddition und -zerlegung auf Schülerniveau (LEIFIphysik)
Einzelnachweise
- Böge, Böge: Technische Mechanik. 31. Auflage. Springer, 2015, S. 8.
- Dankert, Dankert: Technische Mechanik. 7. Auflage. Springer, 2013, S. 4.
- Gross, Hauger, Schröder, Wall: Technische Mechanik 1 – Statik. 11. Auflage. Springer, 2011, S. 21 f.
- Böge, Böge: Technische Mechanik. 31. Auflage. Springer, 2015, S. 9.
- Mahnken: Lehrbuch der Technischen Mechanik – Statik. Springer, 2012, S. 41.
- Karl-Eugen Kurrer: The History of the Theory of Structures. Searching for Equilibrium. Ernst & Sohn, Berlin, ISBN 978-3-433-03229-9, S. 29 f.
- Bartelmann et al.: Theoretische Physik. Springer, 2011, S. 11.