Kontaktpersonennachverfolgung
Als Kontaktpersonennachverfolgung[1] (englisch contact tracing, auch Kontaktverfolgung[2] oder Kontaktnachverfolgung) bezeichnet man im Rahmen der Umgebungsuntersuchung das Nachverfolgen von Kontaktpersonen sowie die Ermittlung von Personen, welche Kontakt zu einem Erkrankten (oder zu einem infektiösen Verdachtsfall) hatten und infiziert sein könnten.[3]
Beschreibung
Durch diese epidemiologische Methode kann zum einen die infizierte Person medizinisch behandelt werden und zum anderen kann die Übertragung auf andere Menschen verhindert werden. Beim „Contact Tracing“ wird das Ziel verfolgt, Personen zu identifizieren, die einen direkten oder auch indirekten Kontakt zu einer Indexperson hatten. Dabei werden alle potenziell durch die Indexperson infizierten Personen über das bestehende Risiko einer möglichen Ansteckung informiert und bezüglich notwendiger Maßnahmen beraten.[4] Bei den infektiösen Erkrankungen kann es sich sowohl um virale als auch um bakterielle Erkrankungen handeln. Die Umgebungsuntersuchung ist in allen demokratischen Ländern gesetzlich geregelt. Bei welchen Erkrankungen sie angewendet wird, entscheidet jeweils die Gesundheitsbehörde eines Landes.
Bewertung der Maßnahme
Kontaktpersonennachverfolgung wird als effiziente und kostengünstige medizinisch-epidemiologische Maßnahme beschrieben, um gezielt Ansteckungsketten von infektiösen Erkrankungen wie etwa den Pocken aufzudecken (Rückverfolgung von Infektionsketten).[5] Durch Kontaktpersonennachverfolgung könne vor allem bei Geschlechtskrankheiten eine Fülle von Informationen über das Ausbreitungsmuster einer infektiösen Erkrankung gesammelt werden und deren Ausbreitung letztlich auch – durch gleichzeitige Information aller an den Kontakten beteiligten Personen – eingedämmt werden.[6][7] Gegen die Ausbreitung von Influenza-Viren sei Kontaktpersonennachverfolgung gemäß Weltgesundheitsorganisation hingegen im Allgemeinen kaum eine geeignete Maßnahme.[8]
Obwohl in der Regel als aussagekräftiger als Log-in-Systeme bewertet, kritisierte Bruce Schneier 2020 auch GPS- und Bluetooth-gestützte Apps zur Kontaktnachverfolgung wegen Zuverlässigkeitsmängeln.[9]
Anwendungsbeispiele
Ein typisches Beispiel für eine seit Jahrzehnten angewendete Umgebungsuntersuchung ist die Tuberkulose. Sobald bei einem Menschen Tuberkulose diagnostiziert wird, werden seine Umgebung wie Familie, Schulklasse, Militäreinheit ebenfalls auf Tuberkulose getestet und wenn notwendig wird eine Behandlung begonnen. Die Wahrscheinlichkeit einer Schädigung der erkrankten Person durch die Tuberkulose und eine Übertragung auf andere Personen kann dadurch verringert werden.
Um die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie zu verlangsamen, werden via Bluetooth arbeitende Contact-Tracing-Apps verwendet.[10][11][12]
Einzelnachweise
- Kontaktpersonennachverfolgung bei respiratorischen Erkrankungen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 RKI, Stand 18. März 2020, abgerufen am 7. September 2020.
- Kontaktverfolgung in der Corona-Krise. In: Parlamentsnachrichten. Deutscher Bundestag, 18. August 2020, abgerufen am 7. September 2020.
- Wolfgang Kiehl: Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie. Fachwörter – Definitionen – Interpretationen. (PDF, 1,1 MB) Hrsg.: Robert Koch-Institut, Berlin 2015, ISBN 978-3-89606-258-1, S. 27, Stichwort Contact tracing.
- World Health Organization and Joint United Nations Programme on HIV/AIDS. Sexually transmitted diseases: policies and principles for prevention and care. Geneva: UNAIDS Best Practice Collection, 1999
- Martin Eichner: Case Isolation and Contact Tracing Can Prevent the Spread of Smallpox. Am J Epidemiol 2003; 158:118-128
- Katz, B. P., Caine, V. A., and Jones, R. B.: Evaluation of field follow up in a sexually transmitted clinic for patients with Neisseria Gonorrhoea and Chlamydia Trachomatis. Sexually Trans. Dis. 1992; 19:99-103
- S. N. Wakasiakai: Partner Notification in the management of sexually transmitted infections in Nairobi, Kenya. East African Medical Journal Vol. 80 No. 12 December 2003
- Global Influenza Programme. Non-pharmaceutical public health measures for mitigating the risk and impact of epidemic and pandemic influenza (PDF, 1,4 MB), World Health Organization 2019.
- Markus Feilner: Die Corona-App: Das GIGO-Problem. In: Telepolis. Heise Online, 16. März 2021, abgerufen am 14. Januar 2022.
- Marcel Heberlein: Kommentar: Mit Corona-App zurück zum halbwegs normalen Leben. In: tagesschau.de. 4. Januar 2020, abgerufen am 5. April 2020.
- Luca Ferretti, Chris Wymant, Michelle Kendall, Lele Zhao, Anel Nurtay: Quantifying SARS-CoV-2 transmission suggests epidemic control with digital contact tracing. In: Science. 31. März 2020, ISSN 0036-8075, doi:10.1126/science.abb6936, PMID 32234805 (sciencemag.org [abgerufen am 5. April 2020]).
- Regierung hält Tracing-App für "zentralen Baustein" zur Eindämmung des Coronavirus. DER SPIEGEL, 6. April 2020, abgerufen am 7. April 2020.