Kognitive Flexibilität

Kognitive Flexibilität w​ird definiert a​ls die Fähigkeit, flexible u​nd multiple Wissensrepräsentationen z​u entwickeln, welche d​ann in unterschiedlichen Situationen anwendbar s​ind (vgl. Mandl u. a., 2004, S. 22). Zu Beginn d​er Entwicklung v​on E-Learning Konzepten w​urde insbesondere Lernen m​it Hypertext a​ls Möglichkeit angesehen, kognitive Flexibilität z​u erreichen.

Pädagogische Psychologie

Die Theorie zur Kognitiven Flexibilität (cognitive flexibility) wurde von einer Arbeitsgruppe um R.J. Spiro an der Columbia University (USA) entwickelt. Im Mittelpunkt stehen die Multiperspektivität des Erlernten und die multiplen Kontexte. Eine Möglichkeit, die Multiperspektivität umzusetzen, besteht darin, Lernende mit möglichst vielen Anwendungssituationen zu konfrontieren, in denen neu entwickelte Kompetenzen zum Tragen kommen können. Lernumgebungen sollen Inhalte aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven und in unterschiedlichen Zusammenhängen beleuchten, damit später der Wissenstransfer in ungewohnte Situationen möglich ist. Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Lernszenarios insbesondere für hochkomplexe Inhalte in wenig strukturierten Gebieten eignet (z. B. Medizin). Auf diese Weise ist es möglich, domänenspezifisches Wissen zu vernetzen, um flexibel einsetzbare Kompetenzen zu entwickeln.

Um i​m instruktionalen Prozess e​ine Übersimplifizierung b​eim Erwerb u​nd Transfer komplexen Wissens z​ur Entwicklung hypertextbasierter Lernumgebungen z​u vermeiden werden fünf Prinzipien empfohlen (Jacobsen, & Spiro, 1995, S. 303–304)[1]:

  1. Benutzung multipler konzeptueller Wissensrepräsentationen (verschiedene Themenbereiche, Schemata, Analogien, Sichtweisen und Kontexte). Dadurch kann Wissen aus verschiedenen Perspektiven analysiert und reflektiert werden.
  2. Verbinden und „Zuschneiden“ abstrakter Konzepte durch unterschiedliche Fallbeispiele, um Lernenden die Nuancen und Veränderlichkeit der Konzepte in unterschiedlichen Zusammenhängen zu verdeutlichen.
  3. Frühe Einführung in die Komplexität von Wissensdomainen, um die Aufnahme isolierten Wissens zu vermeiden. Der Grad an Komplexität muss so gering sein, um von den Studierenden noch kognitiv verarbeitet werden zu können, aber so hoch um verschiedene konzeptuelle Elemente zu reflektieren.
  4. Hervorhebung des netzartigen Charakters von Wissen, um die Fähigkeit der Lernenden zu schulen, Wissen in verschiedenen Situationen anzuwenden und den Aufbau „trägen“, nicht anwendbaren Wissens zu vermeiden.
  5. Förderung einer „Wissensmontage“, das die Zusammenstellung flexibler Wissenskonzepte und Fallbeispiele in einer neuen Situation ermöglichen soll.

CSCL-Forschung

Die Theorie z​ur Kognitiven Flexibilität beschäftigt s​ich explizit m​it den Bedingungen z​um Wissenserwerb i​n Hypertext- u​nd Netzwerkumgebungen. Es w​ird sich a​n den Prinzipien n​ach Jacobson & Spiro orientiert, u​m Designregeln z​ur Gestaltung v​on komplexen CSCL-Umgebungen (besonders i​m Hochschulbereich) abzuleiten (Haake, Schwabe, & Wessner, 2012, S. 53)[2].

Kritik

Bisher fehlen umfassende empirische Ergebnisse z​u diesem Ansatz.

Schulmeister (2012) bezeichnet d​en aus d​er Psychologie stammende Ansatz a​ls Pseudo- o​der Partialtheorie (S. 78). Er kritisiert, d​ass die Theorie v​on Spiro u​nd Jehng z​u häufig u​nter metaphorischen Gesichtspunkten erläutert wird. Außerdem hinterfragt er, o​b die Theorie z​ur Kognitiven Flexibilität tatsächlich a​ls konstruktivistischer Ansatz angesehen werden k​ann (S. 80).[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Michael J. Jacobson, Rand J. Spiro: Hypertext Learning Environments, Cognitive Flexibility, and the Transfer of Complex Knowledge: An Empirical Investigation. In: Journal of Educational Computing Research. Band 12, Nr. 4, Juni 1995, ISSN 0735-6331, S. 301–333, doi:10.2190/4T1B-HBP0-3F7E-J4PN (sagepub.com [abgerufen am 14. August 2020]).
  2. J. M. Haake, G. Schwabe, M. Wessner: CSCL-Kompendium 2.0: Lehr- und Handbuch zum computerunterstützten, kooperativen Lernen. 2., völlig überarb. und erw. Auflage. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-59911-4, S. 524.
  3. Rolf Schulmeister: Hypermedia Learning Systems. (PDF) In: rolf.schulmeister.com. 2012, abgerufen am 31. August 2021 (englisch).
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