Kloster Lorvão
Das Kloster Lorvão (portugiesisch Mosteiro de Santa Maria de Lorvão oder einfach Mosteiro de Lorvão) liegt in der Gemeinde Lorvão, Landkreis Penacova, Distrikt Coimbra, in Portugal. Es war im 12. Jahrhundert ein bedeutendes Kloster und Zentrum der Buchmalerei und diente als Frauenkloster.
Nach dem Erlöschen der religiösen Orden in Portugal im 19. Jahrhundert erfolgte im 20. Jahrhundert eine Nachnutzung als psychiatrische Klinik, welche 2012 geschlossen wurde.
Geschichte
Obwohl die Zeit der Gründung des Klosters für das 6. Jahrhundert diskutiert wurde, gilt das Jahr 878 mit der erstmaligen christlichen Rückeroberung (Reconquista) von Coimbra als wahrscheinlichster Zeitpunkt.
Mittelalter
Das Kloster diente ursprünglich als Männerkloster. Im 10. Jahrhundert war seine Bedeutung bereits erheblich und blieb im Mittelalter erhalten. In der Mitte des 11. Jahrhunderts übernahm das Kloster die benediktinischen Ordensregeln (Regula Benedicti) und wurde dem heiligen Mamas (port. Mosteiro de São Marmede de Lorvão) gewidmet.
In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, während der Regentschaft von Alfons I. (Afonso I de Portugal), dem ersten König von Portugal, erfolgten bedeutende Umbauarbeiten, welche sehr wahrscheinlich in einem neuen Kreuzgang und einer dreischiffigen Kirche resultierten. Diese Arbeiten überschneiden sich mit der Führungsperiode durch Abt João (1162–1192), während derer das Kloster von Lorvão zusammen mit dem Mosteiro de Santa Cruz in Coimbra eines der wesentlichen Zentren der Buchmalerei des neuen Königreiches war. An erster Stelle zu nennen sind aus dem Skriptorium von Lorvão die Handschriften Livro das Aves (dt. „Buch der Vögel“), angefertigt 1184 zum Ende der Herrschaft von Alfons I., und Apocalipse do Lorvão (dt. „Apokalypse von Lorvão“), erstellt 1189, während der Regierungszeit des zweiten Königs Sancho I. (Portugal).
Im Jahr 1206 wechselte das Kloster zum Zisterzienserorden und wurde zugleich ein Frauenkloster, jetzt gewidmet der Jungfrau Maria. Diese tiefgreifende Veränderung verdankt es Infantin Beata Teresa de Portugal, Tochter von Sancho I. und Frau von Alfons IX., deren Ehe mit dem Monarchen des Königreichs León nach drei Kindern für ungültig erklärt wurde. Sie kehrte nach Portugal zurück und lebte bis zu ihrem Tod im Jahr 1250 im Kloster. Im Verlaufe des Versuchs ihres Bruders, König Alfons II. (Portugal), die königliche Macht in Portugal zu zentralisieren, kam es in den ersten Jahren (1211–1216) seiner Regentschaft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen um den Besitz einiger Schlösser u. a. mit zugehörigen Dörfern und Einkünften in der Mitte des Landes, die vom Vater (Sancho I.) testamentarisch den Töchtern vermacht worden waren. Die Infantin ist heute zusammen mit ihrer Schwester Beata Sancha de Portugal in der Kirche des Klosters begraben, in Grabmälern, die durch Goldschmied Manuel Carneiro da Silva 1714 hergestellt wurden, nach der Seligsprechung der Infantinnen im Jahr 1705.
16. bis 18. Jahrhundert
Von den mittelalterlichen Gebäudeteilen blieben bis heute nur die romanischen Kapitelle in den Kapellen des Kreuzgangs erhalten. Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts erfuhr der Kreuzgang Umbauten im Sinne der Renaissance.
Große Veränderungen begannen in der Dekade ab 1620 – der Säulengang der Kirche datiert auf 1630 – und führten bis ins 18. Jahrhundert zum heutigen Aussehen des Klosters, im Stil des Barocks. Im Kreuzgang wurden Balkone hinzugefügt (1677) und das Innere der Kirche mit Talha Dourada (vergoldeten Holzschnitzarbeiten) ausgestaltet. Für das 18. Jahrhundert ist die Bestuhlung des unteren Chors erwähnenswert, ausgeführt zwischen 1741 und 1747 in Palisander (port. jacarandá) und Nussbaum sowie die Rekonstruktion der Kirche unter dem Eindruck des Palácio Nacional de Mafra zwischen 1748 und 1761.
19. Jahrhundert
Nach dem Miguelistenkrieg betraf die Abschaffung der religiösen Orden in Portugal 1834 zunächst nur männliche Klöster. Die endgültige Abschaffung auch der weiblichen religiösen Orden wurde 1862 geregelt, als beschlossen wurde, dass Klöster nach dem Tod der letzten Gläubigen aufzulösen waren. Die letzte Nonne des Klosters Lorvão verstarb 1887.
Große Teile des ehemaligen Klosterbesitzes sind heute auf verschiedene Museen in Portugal verteilt. Ein Beispiel ist die Handschrift Apocalipse do Lorvão, die 1853, autorisiert durch die Nonnen, in das Arquivo Nacional da Torre do Tombo (das portugiesische Nationalarchiv) überführt wurde.
20. Jahrhundert
Das Kloster Lorvão wurde durch das Dekret 136 vom 16. Juni 1910 in das Verzeichnis nationaler Monumente in Portugal aufgenommen. Bemerkenswert sind der Kirchenraum, das Gestühl im Chor, das schmiedeeiserne Gitter am Chor im Rokoko-Stil, der Kreuzgang der Stille (pt. Claustro do Silêncio) und die Kuppel der Kirche.
Während der Diktatur des Estado Novo befanden sich die Gebäude des Klosters und alle zugehörigen Gebiete bereits in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls. Sie wurden auf Initiative von Fernando Baeta Bissaia Barreto Rosa als psychiatrische Klinik umfunktioniert. Diese Umstellung kann mittels Dokumenten und Fotos im Centro de Documentação Bissaya Barreto in Coimbra nachvollzogen werden. Die Einrichtung einer psychiatrischen Klinik in Coimbra 2007 besiegelte die Schließung der Klinik in Lorvão. 2012 wurden die letzten Patienten auf andere Häuser verlegt, hauptsächlich in Miranda do Corvo und Condeixa-a-Nova.
Am 3. Mai 2014 fand die Einweihung eines einzigartigen Exemplars einer doppelfassadigen spanischen Orgel aus dem 18. Jahrhundert statt, ca. 25 Jahre nach Beginn der Instandsetzung. Ebenfalls im Jahr 2014 wurde der Kreuzgang architektonisch in ein Museum für sakrale Kunst ungestaltet.
Bekannte Nonnen
- Infantin Beata Teresa de Portugal (ca. 1181–1250), Tochter von König Sancho I. (Portugal) und Ehefrau von König Alfons IX.
- Dona Dulce von León (ca. 1195–ca. 1245), Tochter von König Alfons IX. und Infantin Beata Teresa von Portugal
- Teresa Mendes de Sousa (1220–1292), Tochter von Mem Garcia de Sousa (Ricohombre)
- Infantin Dona Urraca (ca. 1260–ca. 1290), Tochter von König Alfons III. (Portugal)
Weblinks
- Kloster Lorvão in der Datenbank der Direção-Geral do Património Cultural (pt.)
- Centro de Documentação Bissaya Barreto (pt.)
- Dekret 136 beim Património Cultural (pt.)
- Stadtverwaltung von Penacova (pt.) - Mosteiro de Lorvão
- mittelalterliche Handschrift pt:Livro das Aves in der portugiesischsprachigen Wikipedia
- mittelalterliche Handschrift pt:Apocalipse do Lorvão in der portugiesischsprachigen Wikipedia
- vergoldete Holzschnitzarbeiten pt:Talha dourada in der portugiesischsprachigen Wikipedia
- Kurze Erläuterung und Bildergalerie zum Umbau des Kreuzgangs 2014 (dt.)