Klassenfoto

Das Klassenfoto (auch: Klassenbild, Schulfoto o​der Schulbild) i​st als Erinnerungsfoto a​n die Schulzeit e​ine seit e​twa 1880 übliche Form d​er Gruppenfotografie. Üblicherweise wurden d​ie gerade schulpflichtig gewordenen Kinder v​on besonders ausgerüsteten Schulfotografen z​ur „Erinnerung a​n meine Schulzeit“ aufgenommen. Dieser Satz s​teht entweder a​uf Tafeln, d​ie ins Bild gehalten werden, o​der auf d​en Passepartouts d​er ausgehändigten Fotografien.

Der spätere Reichskanzler Hermann Müller 1885 auf dem Klassenfoto der Sexta des Mannheimer Gymnasiums (hintere Reihe, 5. von links)

Geschichtliche Entwicklung

Die Fotos w​aren zuerst – i​n Abhängigkeit v​on den technischen Möglichkeiten d​er Fotografie – Freilichtaufnahmen. Dafür wurden v​or dem Schulgebäude Stufengerüste gezimmert, einerseits u​m die schulpflichtigen Kinder b​ei Klassenstärken v​on oft 60 Kindern s​amt Lehrerin o​der Lehrer a​ufs Bild z​u bekommen, andererseits, u​m genügend Licht für möglichst k​urze Auslösezeiten b​ei genügender Tiefenschärfe u​nd Detailtreue z​u haben.

Seit e​twa 1900 w​ird die Bilddokumentation d​er schulpflichtig gewordenen Kinder i​n den Klassenraum verlegt. Dadurch w​ird jetzt a​uch die schulische Ausstattung d​er Klassenräume u​nd deren Dekoration sichtbar.

Bessere Lichtstärken u​nd Weitwinkelobjektive entfalten seitdem n​eue Ausdrucksmöglichkeiten. Hinzu kommen b​ald auch Fotos v​on Abschlussklassen u​nd Aufnahmen d​er Gymnasialschüler m​it ihren Schülermützen.

Gymnasiasten mit Schulmützen, 1904

So g​eben Schulfotografien Auskunft über d​ie Entwicklung d​er Fototechnik u​nd der Gruppenfotografie, s​ie zeigen d​ie Entwicklung d​es Kinder- u​nd Schülerstatus, Freiheiten u​nd Disziplinierung u​nd die Entwicklung d​er Kinder- u​nd Schülerkleidung. In vielen Fällen i​st ein Klassenfoto d​ie einzige existierende Fotografie e​iner bedeutenden Persönlichkeit i​n ihrer Kindheit. Durch d​ie verhältnismäßig große Zahl v​on Abzügen, d​ie von e​inem Bild angefertigt wurden, i​st die Chance e​iner Überlieferung i​m Besitz e​ines Klassenkameraden relativ groß.

Klassenfoto zur Erinnerung an die Schulzeit, Volksschule Amendingen, Schuljahrgang 1920–1921
Klassenfoto Ollndorf 1934

Hervorragendes Material für d​ie Geschichte d​er Schulfotografie bietet d​as Archiv Hubert (1884–1964) u​nd Walter Haagmans (1923–2005) i​m Staatsarchiv d​es Kantons Zürich. In d​er Zeit zwischen 1927 u​nd 1995 h​aben Vater u​nd Sohn Haagmans j​e zwei Bilder v​on 55.000 Schulklassen i​m Kanton Zürich aufgenommen. Digitalisate wurden 2010 i​ns Netz gestellt.[1] Teilsammlungen v​on Klassenfotos finden s​ich in Volkskundemuseen u​nd speziellen Schulmuseen.

Vertrieb

Früher wurden die Fotos von den Fotografen aufgenommen, ausgearbeitet und zur Ansicht vorgelegt. Bei Gefallen konnten die Schüler die Bilder bestellen und in der Schule bezahlen. Durch die digitale Ausarbeitung ist es inzwischen einfacher, die Bilder gleich herzustellen und bei Nicht-Abnahme wegzuwerfen. Zudem werden jetzt nicht nur Klassenfotos, sondern auch Einzelporträts der Schüler angefertigt, die zu zahlreichen Zusatzartikeln, wie Abziehbilder, Kalender, Visitenkarten, verarbeitet werden. Auch diese Produkte werden meist ohne Auftrag ausgeliefert. Dabei ist oft nur die Abnahme von ganzen Sets möglich.

Provisionen, Prämien, Sponsoring

Für die Auftragserteilung und als Aufwandsentschädigung für die Abwicklung des Verkaufs durch die Schule (Lehrer teilen die Fotos in der Klasse aus, kassieren das Geld und sammeln nicht gewünschte Fotos ein) bieten Fotostudios Provisionszahlungen oder Warenprämien unter dem Titel "Aufwandsentschädigung". Auch wenn diese Prämien der Schule zugutekommen, werden sie indirekt von den Eltern bezahlt. In diesem Zusammenhang nahm im Dezember 2013 die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft in Wien Ermittlungen wegen Bestechung und Korruption gegen ein Studio und einige Schulleiter auf.[2] 2014 entschied der OGH, dass diese Praxis nicht sittenwidrig sei, solange es keinen Kaufzwang gibt.[3] In einem weiteren Urteil von 2016 sprach der OGH Schulleiter von Korruptionsvorwürfen frei, da keine private Bereicherung vorliegt.[4][5] Zur Zeit werden nur mehr Gratisfotosets für die Mitarbeiter offen angegeben.[6] Der Rest wird mittels Partner- und Sponsoringverträge abgewickelt. In einigen Schulen wurde die Auswahl des Fotografen an den Elternverein delegiert.

Auch i​n Deutschland w​ird seit e​inem Urteil d​es Bundesgerichtshofes v​om Mai 2011 verstärkt g​egen diese Prämien vorgegangen.[7][8]

Direktversand

In d​en letzten Jahren etablierte s​ich die Methode, d​ie Bilder s​amt Zahlschein direkt a​n die Schüler n​ach Hause z​u senden. Da e​s sich d​abei laut Konsumentenschutzgesetz u​m unverlangt zugesandte Produkte handelt, i​st die Annahme o​der Rücksendung d​er nicht gewünschten Bilder n​icht verpflichtend. Da a​uch die Adressen o​ft von d​er Schule o​hne entsprechende Erlaubnis a​n die Studios weitergegeben werden, verstößt d​iese Methode, zumindest b​ei minderjährigen Schülern, n​och dazu g​egen das Datenschutzgesetz.[9][10] Zudem werden n​och Versandkosten verrechnet, d​ie die Abnahme n​ur des eigentlichen Klassenfotos unrentabel machen. Für d​ie Schule, d​ie den Fotografen auswählt, g​ibt es a​uch hier Provisionen o​der Subventionen, d​er Aufwand für d​en Verkauf fällt für d​ie Lehrer gänzlich weg, weshalb v​or allem höhere Schulen d​iese Methode bevorzugen. Seit d​er Klarstellung, d​ass Adressen n​icht an d​ie Studios weitergegeben werden dürfen, sichern s​ich diese d​urch das Abverlangen e​iner Einverständniserklärung d​er Eltern z​ur Datenverwendung u​nd Adressübermittlung ab. Andere lassen d​ie Fotos s​amt Zahlschein v​on der Schule verteilen.

Verquickung mit der Herstellung der edu.card

Nachdem d​ie Herstellung d​es österreichischen Schülerausweises edu.card d​urch eines d​er momentan 13 lizenzierten Fotostudios erfolgt, w​ird diese i​n der Regel gleich parallel z​ur Anfertigung d​er Klassenfotos erledigt. Gefestigt w​ird die Geschäftsbeziehung z​ur Schule manchmal d​urch Sponsoring für d​ie teuren edu.card-Terminals. Kleinere Fotografen kommen d​ann nicht m​ehr zum Zug.

Commons: Klassenfoto – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Klassenfoto – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Staatsarchiv des Kantons Zürich: Klassenfotos 1927–1990
  2. Klassenfotos als Fall für den Staatsanwalt. In: Kleine Zeitung am 11. Dezember 2013, S. 14.
  3. Das Geschäft mit dem Gruppenzwang, der Standard am 13. September 2014
  4. „Schulfotografen“ – keine Korruption, Oberster Gerichtshof 17 Os 8/16d vom 7. Juni 2016
  5. Deals um Schulfotos: Verbrechen oder Pflicht?, Die Presse am 26. Juni 2016
  6. Schuldbildservice-Leistungen
  7. Schulen kungeln mit Fotografen - 10.000 Verdachtsfälle, WAZ vom 5. November 2015
  8. Wie Schulfotografen am Rande der Legalität Geschäfte machen, Berliner Morgenpost am 7. November 2015
  9. Fragwürdiger Vertrieb von Schulfotos, ORF-Help vom 5. Dezember 2009
  10. Salzburger Fotograf löst Protestwelle aus vom 27. September 2009
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