Kardaun
Kardaun (italienisch Cardano) ist ein Dorf in Südtirol sowie eine Fraktion und der Sitz der Gemeinde Karneid. Kardaun hat knapp 450 Einwohner und grenzt im Westen direkt an die Südtiroler Landeshauptstadt Bozen.
Kardaun ist mit 300 m s.l.m. das tiefstgelegenste Dorf des Eisacktals, das hier seinen schluchtartigen Charakter verliert, ehe es sich im Bozner Talkessel mit dem Etschtal vereint. Bei Kardaun zweigt das Eggental vom Eisacktal Richtung Südosten ab. Der kleine Ortskern liegt im engen Talboden zwischen dem Eisack und dem Kardauner bzw. Eggentaler Bach.
Das Ortsbild ist heute stark von den großen Verkehrsinfrastrukturen bestimmt, die sich von Bozen kommend ins Eisacktal ziehen: die Brennerautobahn, die Brennerstaatsstraße und die Brennerbahn. Zudem führt die Radroute 1 „Brenner–Salurn“ vorbei, die bei Kardaun als Radkunstweg „Augenreise“ gestaltet ist.
In Kardaun befinden sich das Rathaus der Gemeinde Karneid, eine Grundschule für die deutsche Sprachgruppe, ein Sozial- und Gesundheitssprengels sowie ein Sozialzentrum mit Behindertenwerkstätte.
Geschichte
Möglicherweise ist die aus der Antike bezeugte römische Militärstation Pons Drusi bei Kardaun zu suchen.
Die Örtlichkeit Kardaun wird im Traditionsbuch des hier begüterten Augustinerchorhhernstifts Neustift in den Jahren 1190–1196 als Kardun ersturkundlich genannt.[1] Der Name dürfe auf lateinisch carduus zurückgehen; das mögliche Ausgangswort *Cardumen (Mengensuffix -men) bedeutet soviel wie ‚bei den Disteln‘.[2]
Historisch war Kardaun bis 1760 der Standort eines Zollhauses des Kunterswegs, der – ausgehend von der bis 1866 bestehenden Brücke am Feigenstein – seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die Eisackschlucht zwischen Kardaun und Kollmann als bedeutende inner- und transalpine Verkehrsroute erschlossen hatte. Gerichtsherrschaftlich rechnete Kardaun in älterer Zeit zum Gerichtssprengel Steinegg, wie Urkunden des 15. Jahrhunderts bezeugen („ad Gardaun in iurisdictione Stainegkh“ im Jahr 1426; „im Gardaun im gericht Stainegkh“ 1490).[3] Im gleichen Zusammenhang ist 1490 auch das Ortsried Unterkardaun (Vnndergardaun) belegt.[3]
Die Maria-Hilf-Kirche im Dorf wurde um 1700 erbaut, 1875 vergrößert und 1944 aufgrund der Bombardierung der Brennerbahnlinie im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt; ihr wurde in der Nachkriegszeit eine an erhöhter Position nach Entwurf von Erich Pattis neu errichtete Pfarrkirche zur Seite gestellt (mit Fassadenfresko des Hl. Wolfgang von Johann Baptist Oberkofler).[4]
Im 19. und 20. Jahrhundert befand sich in Kardaun eine Porzellanfabrik, die die Lehmvorkommen des Gebiets nutzte.[5]
Nach Kardaun benannt sind das seit 1929 in Betrieb stehende Wasserkraftwerk Kardaun, das auf der gegenüberliegenden Seite des Eisacks in Leitach auf Bozner Gemeindegebiet liegt, und der in den 1990er Jahren erbaute Kardauntunnel der Brennerbahn.
Literatur
- Hans Rottensteiner: Gemeinde Karneid: Steinegg, Gummer, Karneid, Kardaun und Blumau (Südtiroler Gebietsführer 11). Bozen: Athesia 1977.
Weblinks
- Kardaun auf suedtirolerland.it
Einzelnachweise
- Max Schrott: Liber testamentorum Conventus Neocellensis (Geschichtsquellen des Etschlandes 1). Bozen 1967, Nr. 143.
- Christian Schneller: Beiträge zur Ortsnamenkunde Tirols. Hrsg.: Zweigverein der Leo-Gesellschaft für Tirol und Vorarlberg. Verlag der Vereinsbuchhandlung, Innsbruck 2017.
- Hannes Obermair: Bozen Süd – Bolzano Nord. Schriftlichkeit und urkundliche Überlieferung der Stadt Bozen bis 1500. Band 2. Stadtgemeinde Bozen, Bozen 2008, ISBN 978-88-901870-1-8, S. 67 f. Nr. 972 und S. 208 Nr. 1267.
- Josef Weingartner: Die Kunstdenkmäler Südtirols. Band 2: Bozen und Umgebung, Unterland, Burggrafenamt, Vinschgau. 7. Auflage, bearb. von Magdalena Hörmann-Weingartner. Bozen-Innsbruck-Wien: Athesia-Tyrolia 1991. ISBN 88-7014-642-1, S. 109–110.
- Traudl Oberrauch-Wittig, Klaus-Jürgen Wittig: Zur Chronologie der Porzellanfabrik von Ignaz Kircher in Kardaun bei Bozen. In: Der Schlern 71, 1997, S. 139–154.