Käthchenhaus
Das Käthchenhaus ist ein privater Profanbau des 14. Jahrhunderts am Marktplatz in Heilbronn. Das Haus mit dem markanten Erker an der Ecke Marktplatz/Kaiserstraße erhielt seinen heutigen Namen im 19. Jahrhundert durch das damals populäre Schauspiel Das Käthchen von Heilbronn.
Geschichte
Früher hieß das Käthchenhaus einfach Steinhaus, weil es im Unterschied zu den meisten übrigen Gebäuden der Stadt von unten bis oben aus massiven Heilbronner Sandstein erbaut worden war. Seine Erbauungsgeschichte ist so gut wie unbekannt. Jedenfalls muss der Bau von einem „steinreichen“[1] Heilbronner Bürger des 14. Jahrhunderts gebaut worden sein.
Im 16. Jahrhundert soll hier der Reformator Johann Lachmann gewohnt haben, weswegen es auch Lachmann'sches Haus genannt wurde. Dem Reformator wird der Auftrag zur Ausgestaltung des Erkers mit Reliefbildern von vier Propheten zugeschrieben. Später wurde das Haus auch Weingand'sches Haus genannt, und im 16. Jahrhundert tritt die Familie Hüngelin als Besitzer auf. Weiter sollen im 16. Jahrhundert in dem Gebäude auch Reichsschultheiße und der Syndicus gewohnt haben.[2]
Weder das Käthchen von Heilbronn, eine fiktive Figur aus Heinrich von Kleists gleichnamigem Schauspiel von 1808, noch eines ihrer vermuteten historischen Vorbilder waren in dem Gebäude zuhause. Gleichwohl sollte das Käthchen zur Namensgeberin des Gebäudes werden, als die Stadt im 19. Jahrhundert durch das populäre Schauspiel weitere Bekanntheit erlangte.
1919 ging das Gebäude in den Besitz des aus Karlsruhe stammenden Kaufmanns August Dietsche über, der das Haus restaurierte und dort ein Spezialgeschäft für Haus- und Küchengeräte eröffnete. 1934 erfolgte ein weiterer Umbau, wobei unter dem Verputz ein Renaissance-Giebel zum Vorschein kam. Beim Luftangriff auf Heilbronn am 4. Dezember 1944 wurde das Gebäude stark beschädigt: das Dach und das Hausinnere verbrannten vollständig, lediglich die steinerne Fassade blieb erhalten. Abermals unter Dietsche erfolgte bis 1949 eine neuerliche Restaurierung, wobei insbesondere die Dach- und Giebelkonstruktion nur sehr vereinfacht rekonstruiert wurde. Auf den zum Marktplatz gewandten Barockgiebel wurde beim Wiederaufbau völlig verzichtet. Das Erdgeschoss wurde als schlichte Gewerbefläche ausgestaltet, in der der Besitzer noch einige Jahre sein Haushaltswarengeschäft betrieb, bevor er das Erdgeschoss an eine Supermarktkette vermietete. Nach Ablauf dieses Mietvertrages im Jahr 2005 bezog ein Café die Gewerbefläche.
Heute bildet das Gebäude, das sich weiterhin im Besitz der Erben des Kaufmanns Dietsche befindet, die Südostecke des Käthchenhofs. Das zweite Obergeschoss des Kätchenhauses mit dem markanten Erker ist seit den 1950er Jahren an den Männerbund „Schlaraffia Heylbronnen“ vermietet und kann nicht besichtigt werden.
Beschreibung
Ganz im Stil mittelalterlicher Wohntürme besteht dieses Gebäude aus drei Stockwerken, ganz aus Sandstein mit zugemauerten Fenstern aus der Zeit der Gotik und anderen aus der Renaissance. Auf dem Erker, der von Balthasar Wolff 1534 gestaltet worden ist, sind Brustbilder der vier biblischen Propheten Jesaja, Jeremia, Hosea und Habakuk abgebildet.[3]
Jesaja
Als erster Prophet Israels verhieß Jesaja den Israeliten einen zukünftigen Messias als gerechten Richter und Retter der Armen. Die Inschrift
- “JESAIAS 5 C 23 VAE QVI JVSTIFICATIS IMPIVM PRO MVNERIBVS”
ist ein Zitat aus dem Buch Jesaja:
“22 Vae […] 23 […] qui justificatis impium pro muneribus,”
„22 Wehe denen, […] 23 […] die den Gottlosen wegen eines Bestechungsgeschenkes gerecht sprechen,“
Jeremia
Jeremia ist neben Jesaja ein großer Schriftprophet des Tanach. Am Erker ist folgende Inschrift zu lesen:
- “HIEREMIAS 5 CA IVDICIVM PAVPEVM NON IVDICAVERVNT”,
die dem Buch Jeremia entnommen ist:
“judicium pauperum non judicaverunt.”
„den Rechtsanspruch der Armen setzen sie nicht durch.“
Hosea
Das Buch Hosea eröffnet die Reihe der Zwölf kleinen Propheten im Tanach. Wie später Jeremia (Jer 31,20 ) und Jesaja (Jes 63,15 ) betonte Hosea aber auch Gottes Leidenschaft für sein untreues Volk und sein Mitleiden an dessen Schicksal bis hin zum „Schmerz“ (Hos 11,8 ). Die Inschrift am Erker:
- “HOSEAS 4 C NON EST VERITAS I~EC MIA MIVVS CIENCIA TER”
gibt verkürzt den folgenden Vers wieder:
“non est enim veritas, et non est misericordia, et non est scientia Dei in terra.”
„denn keine Wahrheit und keine Liebe und keine Erkenntnis Gottes ist im Land.“
Habakuk
Habakuk erteilte Weherufe über Habsüchtige, Ausbeuter, Gewalttätige und Götzendiener (Hab 2,6–20 ). Die Inschrift
- “HABACVC I CA INPIVS ARCET AT& CIRCVNDAT PIVM”,
in etwa mit der Bedeutung „Der Gottlose übervorteilt den Gerechten“, geht auf den Anfang des ersten Kapitels des Buches Habakuk zurück, findet sich jedoch nicht wörtlich dort wieder. So liest man bei Habakuk beispielsweise:
“quia impius prævalet adversus justum, propterea egreditur judicium perversum.”
„Denn der Gottlose kreist den Gerechten ein; darum kommt verdrehtes Recht heraus.“
Rezeption
Der benachbarte Gebäudekomplex Käthchenhof wurde nach dem Käthchenhaus benannt.
Quellen
- Geschichte der Stadt Heilbronn – Stadtgeschichte Teil 1: 741 bis etwa 1803 (von Christhard Schrenk): Als „steinreicher“ Heilbronner Bürger des frühen Mittelalters kämen die Heilbronner Bankiers in Frage, die sog. südfranzösischen „Kawerschen“ und Kaufleute aus dem italienischen Asti.
- Oberamtsbeschreibung Heilbronn 1904
- Der Erker am Käthchenhaus Schwaben und Franken: Heimatgeschichtliche Beilage der „Heilbronner Stimme“ Samstag, 7. Mai 1955