Juul (Unternehmen)
Juul Labs, Inc. ist der Hersteller einer gleichnamigen E-Zigarette mit Sitz in Kalifornien. In den USA hatte das Unternehmen Ende 2018 einen Marktanteil von 75 % aller verkauften E-Zigaretten.[2]
Juul Labs, Inc. | |
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Rechtsform | Inc. |
Gründung | 22. Mai 2015 |
Sitz | San Francisco, Kalifornien |
Leitung | K.C. Crosthwaite, CEO James Monsees, CPO Adam Bowen, CTO |
Mitarbeiterzahl | 1500 (2018) |
Umsatz | 2 Milliarden US $ (2018)[1] |
Website | https://www.juul.com/ |
Stand: September 2019 |
Geschichte
Juul wurde von Adam Bowen und James Monsees gegründet. Beide hatten Design an der Stanford University studiert und gründeten im Jahr 2006 das Unternehmen Ploom, nachdem sie Einblick in die umfangreiche USCF-Bibliothek über zuvor geheime Unterlagen der Tabakindustrie genommen hatten, die nach dem MSA (Master Settlement Agreement) der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden mussten. Ihr erstes Produkt basierte auf einer alten Erfindung zum trockenen Erhitzen von Tabak, welches sie „Pax“ nannten. Die erste Ausführung wurde noch mit Butangas betrieben, dann aber auf elektrische Beheizung umgestellt. Als elektrische Zigarette wenig erfolgreich, behauptete es sich später zum trockenen Verdampfen von Kräutern als Vaporizer zum überwiegenden Gebrauch mit Cannabis und kann fast als Referenzgerät in den USA betrachtet werden.[3] Später verkauften sie die Marke Ploom und eine Produktlinie an ein japanisches Unternehmen und firmierten danach unter Pax Labs. Aus diesem Unternehmen spalteten sie später Juul ab.[4] Auch hier griffen sie wiederum auf einsehbare Unterlagen der Tabakindustrie zurück und etablierten auf Basis eines alten Reynold-Patentes die Nikotinabgabe mittels in den sauren pH-Bereich verschobenen protonierten Nikotins – die Nikotinsalze. Durch diesen Kunstgriff konnte der Nikotingehalt deutlich erhöht werden, ohne beim Inhalieren harsch, kratzig oder gar Hustenanfälle auslösend zu wirken. Der Verkauf der Juul-Produkte in den USA begann am 1. Juni 2015.[5] Die Umsätze von E-Zigaretten stiegen im Jahr nach der Markteinführung von Juul um 800 Prozent.[6] Da die E-Zigaretten in den USA viele Konsumenten im Jugendalter fand, entwickelte sich „to juul“ zu einem geläufigen Verb der Jugendsprache.[7]
Im Dezember 2018 erwarb die Altria Group 35 % der Anteile an Juul und zahlte dafür 12,8 Milliarden Dollar.[8] Anfang 2019 startete Juul den Vertrieb der Produkte in Deutschland.[9] Im Jahr 2020 wurde bekannt, dass Juul den deutschen Markt wieder aufgeben will.[10]
Im Spätsommer 2019 nahmen mehrere US-Behörden Ermittlungen wegen mindestens 11 Todesfällen auf (Stand Mitte September 2019), die in einen Zusammenhang mit Vaping gebracht werden. Drohende Verbote und gesetzliche Beschränkungen setzten die gesamte Branche unter Druck. Die Ablösung von CEO Kevin Burns wurde am 25. September 2019 bekanntgegeben. K.C. Crosthwaite von Altria soll das Amt übernehmen.[11] Ende Oktober 2019 gab Altria bekannt, den Wert seiner Beteiligung an Juul (nicht die Anzahl der Anteile) um 4,5 Milliarden Dollar nach unten zu korrigieren.[12]
Produkte
Das Juul-System besteht aus einer Batterie, einem Erhitzer und einer Kapsel, die E-Liquids enthält. Das Handgerät wird über einen USB-Anschluss aufgeladen und ähnelt in seiner Form einem USB-Stick.[13]
In die Juul-Geräte können nur Kapseln des Herstellers eingesetzt werden.[14] Die nikotin-salzbasierten E-Liquids werden in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten und enthalten in den USA 59 Milligramm Nikotin pro Milliliter. In der Europäischen Union vertriebene Liquids enthalten aufgrund gesetzlicher Vorgaben maximal 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter Flüssigkeit.[15]
Nach zwei einstweiligen Verfügungen eines Wettbewerbers aufgrund fehlender Recycling-Symbole auf den Kartuschen und einem möglicherweise niedrigeren Nikotingehalt als auf der Verpackung ausgewiesen, musste Juul im September 2019 nach einer richterlichen Verfügung den Verkauf von noch nicht im Handel befindlichen Kartuschen vorübergehend einstellen.[16]
Gesundheitsgefahren
Da Juul-Liquids Nikotin enthalten, gelten sie als stark suchterregend. Ute Mons vom DKFZ urteilte: „Auch wenn E-Zigaretten deutlich weniger Schadstoffe enthalten als herkömmliche Zigaretten, sind sie gesundheitlich bedenklich und besitzen ein Abhängigkeitspotenzial – letzteres gilt insbesondere für Juul, die selbst bei Einhalten der gesetzlichen Vorgaben mit 20 Milligramm pro Milliliter sehr viel Nikotin enthält.“[17] Aufgrund der einfachen Bedienung, der ansprechenden Optik und des fruchtigen Geschmacks gelten die Produkte als für Jugendliche ansprechend.[18] Scott Gottlieb sagte als ehemaliger Chef der FDA, dass er nicht zulassen werde, dass eine ganze Generation Jugendlicher durch diese Produkte nikotinabhängig werde.[19]
Ein Verkauf an Jugendliche ist durch gesetzgeberische Änderung mittlerweile ausgeschlossen worden. Die Abgabe aller Tabakerzeugnisse, einschließlich Electronic Nicotine Delivery Systems (ENDS), ist in den USA nur noch an Erwachsene (Mindestalter 21 Jahre) erlaubt. Das Gesetz passierte den Kongress und wurde am 20. Dezember 2019 vom Präsidenten unterzeichnet.[20]
Aufgrund der Beliebtheit der Juul-Produkte bei Jugendlichen warnten in einigen US-Bundesstaaten Gouverneure Schulen vor den Produkten.[21] Die FDA ermittelte gegen das Unternehmen aufgrund des Verdachts, dass Juul in der Vermarktung bewusst Jugendliche anspreche.[22] Die FDA durchsuchte den Firmensitz und stellte dabei mehr als 1000 Dokumente über die Vermarktungsstrategien des Unternehmens sicher. Im November 2018 verpflichtete die FDA Juul, Produkte nur noch an Erwachsene zu verkaufen, die ihr Alter nachweisen können. Das Unternehmen stellte daraufhin die Vermarktung über Instagram und Facebook ein. Das Unternehmen engagierte zusätzliche Lobbyisten und spendete vermehrt für Parteien.[23]
Für Deutschland scheint diese Gefahr hingegen gering. Der im Juli 2020 vorgestellte Suchtbericht der BZgA weist nach einer Befragung in der Altersgruppe der 12- bis 17-jährigen zur Benutzung der „Juul“ eine Zustimmung, diese jemals probiert zu haben, im Promillebereich aus.[24]
Literatur
- Lauren Etter: The Devil’s Playbook: Big Tobacco, Juul, and the Addiction of a New Generation. Random House, New York 2021, ISBN 978-0-593-23798-4.
Einzelnachweise
- Juul Sheds Its Anti-Smoking Cred and Embraces Big Tobacco. Wired.com vom 20. Dezember 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Milliardenschwerer Einstieg – Marlboro dampft mit Juul. Ard.de vom 20. Dezember 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Chris Kirkham: Juul disregarded early evidence it was hooking teens . Reuters Investigativ vom 5. November 2019. Abgerufen am 14. Juli 2020.
- Jia Tolentino: The promise of vaping and the rise of Juul. The New Yorker online vom 7. Mai 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- VAPE NEWSNew Product: PAX LABS Introduces E-CIGARETTE JUUL. Vapenews.com vom 1. Juni 2015. Abgerufen am 26. September 2019.
- Nils Pfändler: Snus und Juul – Experten befürchten eine neue Nikotinwelle. Neue Zürcher Zeitung online vom 22. Februar 2019. Abgerufen am 5. September 2019.
- Jia Tolentino: The promise of vaping and the rise of Juul. The New Yorker online vom 7. Mai 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Einstieg bei Juul – Marlboro investiert 12,8 Milliarden in E-Zigarettenfirma. Managermagazin online vom 20. Dezember 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Umstrittene E-Zigarette Juul kommt nach Deutschland. Handelsblatt online vom 9. Dezember 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Juul zieht sich zurück, In: FAZ vom 16. Oktober 2020
- Sheila Kaplan, Matt Richtel and Julie Creswell:"Juul Replaces Its C.E.O. With a Tobacco Executive" New York Times vom 26. September 2019
- https://app.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/e-zigaretten-tabakkonzern-altria-muss-4-5-milliarden-dollar-auf-juul-anteile-abschreiben/25175798.html
- Magdalena Tröndle: E-Zigarette Juul – Experten warnen vor umstrittener E-Zigarette. Die Welt online vom 10. Dezember 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Umstrittene E-Zigarette Juul kommt nach Deutschland. Handelsblatt online vom 9. Dezember 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Julia Naftulin: Eine Studie zeigt, wie sich E-Zigaretten seit dem Hype um Juul in den USA verändert haben. Business Insider vom 13. Februar 2019. Abgerufen am 5. September 2019.
- Dinah Deckstein, Martin Hesse: Einstweilige Verfügung: Juul darf in Deutschland keine Kartuschen für E-Zigaretten mehr verkaufen. In: Spiegel Online. 20. September 2019 (spiegel.de [abgerufen am 26. September 2019]).
- "Juul" unter Schülern beliebt – Umstrittene E-Zigarette kommt nach Deutschland. N-tv.de vom 19. Dezember 2019. Abgerufen am 5. September 2019.
- Nils Pfändler: Snus und Juul – Experten befürchten eine neue Nikotinwelle. Neue Zürcher Zeitung online vom 22. Februar 2019. Abgerufen am 5. September 2019.
- Jia Tolentino: Goodbye to Juul Season. Newyorker.com vom 15. November 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- FDA Bekanntgabe: Newly Signed Legislation Raises Federal Minimum Age of Sale of Tobacco Products to 21, FDA, 15. Januar 2020, abgerufen am 8. August 2020
- Katharina Kort: Hier verstecken die Schüler ihre Juuls: In den USA ist die Vaping-Epidemie ausgebrochen, Handelsblatt vom 1. Februar 2020. Abgerufen am 7. Februar 2020.
- Matt Ritchel, Sheila Kaplan: Did Juul Lure Teenagers and Get ‘Customers for Life’? NY Times online vom 27. August 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- Jia Tolentino: Goodbye to Juul Season. Newyorker.com vom 15. November 2018. Abgerufen am 5. September 2019.
- BZgA: Drogenaffinitaet Jugendlicher 2019 Basisbericht; PDF, S. 23, veröffentlicht Juli 2020, abgerufen am 8. August 2020