Josef Winternitz

Josef Winternitz, Pseudonym Josef Lenz (* 18. Februar 1896 i​n Oxford; † 22. März 1952 i​n London) w​ar ein deutscher Ökonom u​nd KPD-Funktionär.

Leben

Winternitz w​ar ein Sohn d​es österreichischen Indologen u​nd Ethnologen Moriz Winternitz. Er studierte i​n Prag Philosophie, w​ar Mitglied d​er tschechoslowakischen Sozialdemokratie (ČSSD) u​nd später d​er Kommunistischen Partei (KSČ). 1923 g​ing er n​ach Deutschland u​nd wurde hauptamtlicher Funktionär u​nd Theoretiker d​er KPD. Er schrieb u​nter den Pseudonymen «Lenz» u​nd «Sommer». Ab 1927 w​ar er Kandidat d​es Zentralkomitees d​er KPD u​nd ab 1929 Mitglied. 1933 emigrierte Winternitz i​n die Tschechoslowakei, 1939 n​ach England. 1945 b​is 1948 w​ar er Mitglied d​er KP Großbritanniens. Im September 1948 g​ing Winternitz n​ach Ostdeutschland zurück. Er schloss s​ich der SED a​n und w​urde Professor a​n der Universität Berlin, s​owie Leiter d​er Abteilung Politische Ökonomie a​m Wissenschaftlichen Forschungsinstitut d​er Parteihochschule „Karl Marx“. Im März 1949 w​urde er d​er erste Direktor d​es Marx-Engels-Lenin-Instituts. Ende Februar 1950 w​urde er jedoch entlassen, w​egen angeblicher Unterstützung e​iner „Kampagne d​er Imperialisten u​nd Tito-Agenten g​egen Stalin“.

Umbau der Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität

Ihrem Charakter nach begann die Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät nach dem Krieg als auf die kapitalistische Marktökonomie bezogene Lehreinheit. Außer den dominierenden Vertretern der traditionellen "bürgerlichen" Betriebswirtschaftslehre, gab es nur Jürgen Kuczynski und einige weitere Lehrbeauftragten unter den Dozenten. Gegen Bruno Rogowsky und Konrad Mellerowicz wurden regelrechte Kampagnen von Seiten der Studenten gestartet, die sich auch der Störung der Lehrtätigkeit durch provokative Wandzeitungen bedienten. Die SED-und-FDJ-Hochschulgruppen, die zu dieser Zeit keineswegs eine dominante Bewegung unter den Studenten darstellten, traten hierbei durch besonderes Engagement hervor. Winternitz, 1950 zum Dekan der Fakultät gewählt, verfasste Artikel gegen Mellerowicz und gab der zuvor noch studentischen Kampagne damit die nötige offizielle Unterstützung. Außerdem hat er mit der Durchsetzung einer neuen Studienordnung im Wintersemester 1949/50 den entscheidenden Schritt zum vollständigen Umbau der Fakultät getan, der unter dem Dekanat von Kuczynski konsequent weiter betrieben wurde.[1] Als er im April 1951 aufgrund einer schweren Erkrankung seiner in London lebenden Frau seine Professur zurückgab (er war schon im Jahr zuvor nach London übergesiedelt), tat er dies "mit dem allergrößten Bedauern".[2] Einer anderen Darstellung zufolge sei er "wegen drohender Verhaftung" aufgrund seiner Parteinahme für die Tito-Kommunisten in der Zeitschrift Einheit 1951 wieder nach England übergesiedelt.

Publikationen

  • Relativitätstheorie und Erkenntnislehre. Eine Untersuchung über die erkenntnistheoretischen Grundlagen der Einsteinschen Theorie und die Bedeutung ihrer Ergebnisse für die allgemeinen Probleme des Naturerkennens. Teubner, Leipzig 1923.
  • Was wollen die Kommunisten? Vereinigte Internationaler Verlags-Anstalt. Berlin 1927.
  • Josef Lenz: Warum sind wir keine Pazifisten. In: Die Linkskurve. 1. Jg. Nr. 1 vom 1. August 1929, S. 3–7.
  • Die 2. Internationale und ihr Erbe 1889-1929. Hoym, Hamburg 1930.
  • Für eine freie deutsche Volkskultur. Kreibich, Prag 1936.
  • Marxism and nationality. Lawrence & Wishart, London 1944.
  • United Germany or divided Europe. London: British Council for German Democracy, London 1947.
  • The problem of full employment. A Marxist analysis. Lawrence & Wishart, London 1947.
  • Josef Winternitz: Value and Prizes: A Solution of the So-Called Transformation Problem. In: The Economic Journal. Band 58, Nr. 230, Juni 1948, S. 276–280.
  • Lenin und die Agrarfrage in Deutschland. Dietz Verlag, Berlin 1949.
  • Stalin und die nationale Frage. Dietz Verlag, Berlin 1950.

Literatur

  • Bernd-Rainer Barth: Winternitz, Joseph. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Mario Keßler: Josef Winternitz zwischen Prag, Berlin und London, in: ders.: Exil und Nach-Exil. Vertriebene Intellektuelle im 20. Jahrhundert. VSA-Verlag, Hamburg 2002, ISBN 3-87975-877-8, S. 55–78.

Einzelnachweise

  1. (Hrsg. Heinz-Elmar Tenorth) Geschichte der Universität Unter den Linden 1810-2010. Band 6: Selbstbehauptung einer Vision. Akademie Verlag, Berlin 2010, S. 261
  2. Abschrift eines Schreibens von Winternitz an den Rektor der Humboldt-Universität, Prof. Friedrich, 15. April 1951
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