Johann Tennhardt
Johann(es) Tennhardt (auch Tennhart; * 2. Juni 1661 in Dobergast (Sachsen); † 12. September 1720 in Kassel) war ein inspirierter Visionär.
Der Bauernsohn Tennhardt wurde nach dem vorzeitig beendeten Besuch der Fürstenschule Zeitz Barbier und Perückenmacher. Frühe Neigung zu mystisch-erbaulichen Schriften (Johannes Tauler, Johann Arndt, Pierre Poiret) und erste visionäre Erlebnisse schon im Jugendalter sollten seinen späteren Weg bestimmen. 1688 ließ er sich in Nürnberg nieder, wo er 1691 eine wohlhabende Bürgerstochter heiratete. Der frühe Tod seiner Frau im Jahr 1695 führte zu einer anhaltenden Krise, in deren Verlauf er seinen Beruf als Perückenmacher (mit der biblischen Begründung 1 Kor 11,4–7 ) aufgab, unter zunehmendem Verlust seines Vermögens.
Sein von ihm selbst auf 1704 datiertes „Berufungserlebnis“ führte in der Folge zur umfassenden schriftlichen Fixierung seiner visionären Neuoffenbarungen als „Kanzlist“ göttlicher „Diktatworte“, in Traktaten und Briefen.
Scharf fällt seine Kritik an der herrschenden Orthodoxie und deren „Maulchristentum“ aus. Tennhardts Kritik am orthodoxen Lehrgebäude erstreckte sich auf Inhalte wie Kindertaufe, Ablehnung der Realpräsenz Christi im Abendmahl und die Ablehnung der Rechtfertigung „allein aus Glauben“ (zugunsten asketischer Übung und daraus folgender Öffnung für das „innere Wort Gottes“). Gleichwohl ist die Schärfe der Auseinandersetzung um Tennhardt eher mit seiner Kritik an der lauen und selbstgerechten Amtsführung großer Teile der orthodoxen Geistlichkeit erklärbar – eine Anklage, mit der Tennhardt in der eigentlich schon überlebten Zeit der Orthodoxie nicht allein stand.
1710 veröffentlichten Freunde seine autobiographische Schrift Gott allein soll die Ehre sein, zusammen mit einer Reihe erster Eingebungen. Nach mehrfacher Inhaftierung und einem teilweisen Widerruf seiner Behauptungen, nach anhaltendem Druckverbot in Nürnberg, verzichtete Tennhardt endgültig auf sein Nürnberger Bürgerrecht und ließ sich in Frankfurt nieder. Hier erschien seine „Warnung wegen des unnötigen Separierens“, eine deutliche Abgrenzung gegen die an sich sachlich und räumlich enge Nachbarschaft zu den Inspirierten, wie zum Beispiel Johann Friedrich Rock, bzw. zu den wachsenden, nahezu ausschließlich separatistischen Inspirationsgemeinden. Wahrscheinlich aber ist der tiefere Grund dieser Abgrenzung in Tennhardts Überzeugung zu suchen, das einzige wahre Offenbarungs-„Werkzeug“ Gottes zu sein.
Spätere gelegentliche Versuche, Tennhardt als „Vorläufer“ des „Sehers“ und „visionären Theologen“ Emanuel Swedenborgs darzustellen, erweisen ihm wohl der Ehre zu viel. So mag das Urteil Johann Heinrich Jung-Stillings der Wirklichkeit näher kommen, Tennhardt habe zu den „Schwärmern“ gehört, „die es zwar gut meinten, allein in deren Köpfen eine sehr subtile Verrückung, mißverstandene Bekehrungssucht und unverständige Grillen herrschten; hätte sie die Geistlichkeit verständiger behandelt, so hätten sie weniger Bewegung gemacht“[1].
Literatur
- Friedrich Braun: Joh. Tennhardt. Ein Beitrag zur Geschichte des Pietismus. München 1934 (hier auch Bibliographie)
- Eberhard Fritz: Radikaler Pietismus in Württemberg. Religiöse Ideale im Konflikt mit gesellschaftlichen Realitäten. Tübingen 2003
- Paul Tschackert: Tennhart, Johann. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 570 f.
- Eberhard Zwink: Johann Tennhardt. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 11, Bautz, Herzberg 1996, ISBN 3-88309-064-6, Sp. 663–668.
Weblinks
Referenzen
- Theobald oder die Schwärmer, Sämtl. Schriften, Bd. VI, 1838, S. 23