Jean-Pierre Boyer (Politiker)
Jean-Pierre Boyer (* 28. Februar 1776 in Port-au-Prince, Saint-Domingue; † 9. Juli 1850 in Paris) war ein haitianischer Politiker und von 1818 bis 1843 Präsident der Republik Haiti.
Leben
Als Mulatte in Port-au-Prince in der damaligen französischen Kolonie Saint-Domingue auf Hispaniola geboren, erwarb Boyer in Frankreich europäische Bildung und trat 1792 in das republikanische Militär ein. Bald zum Bataillonschef befördert, nahm er bei der Invasion der Engländer auf San Domingo an den Unternehmungen des Generals André Rigaud Anteil. Später focht er wieder unter Rigaud gegen François-Dominique Toussaint L’Ouverture, musste jedoch mit Rigaud die Insel verlassen und in Frankreich Zuflucht suchen. Er kehrte 1802 mit der Expedition des Generals Charles Victoire Emmanuel Leclerc nach Haiti zurück. Hier kämpfte er anfangs wieder gegen Toussaint, unterstützte aber bald die Verbindung der Schwarzen und Mulatten im haitianischen Freiheitskampf.
Nach Jean-Jacques Dessalines' Thronbesteigung stellte sich Boyer mit Alexandre Sabès Pétion an die Spitze der Farbigen. Beide halfen dem General Henri Christophe, den Despoten Dessalines 1806 zu stürzen. Sie verließen Christophe aber, als dieser selbst nach der Herrschaft strebte. Pétion gründete im südwestlichen Teil der Insel eine unabhängige Republik, Boyer aber erhielt die Kommandantur der Hauptstadt Port-au-Prince und die Würde eines Generalmajors. Siegreich gegen die Truppen Christophes, der im Norden Haitis die Republik der Schwarzen in ein Königreich Haiti umgewandelt hatte und als Henri I. dort herrschte, wurde er vom sterbenden Pétion am 29. März 1818 dem Volk als Nachfolger empfohlen und zum Präsidenten der Republik gewählt.
Boyer ordnete das Finanzwesen des Staates, verbesserte die Verwaltung und begünstigte Künste und Wissenschaften. Nach dem Selbstmord Henris I. vereinigte er 1820 seine von Mulatten dominierte Republik mit der mehrheitlich von Schwarzen beherrschten im Norden, nahm 1821 auch das östliche, spanisch gebliebene Gebiet in Besitz und erwirkte 1825 die Unabhängigkeitserklärung des jungen Staates von Frankreich. Zum Präsidenten auf Lebenszeit gewählt, stand er unter fortwährenden Auseinandersetzungen mit dem Repräsentantenhaus über 15 Jahre an der Spitze der Republik. Im Frühjahr 1842 wurde Haiti von einem furchtbaren Erdbeben heimgesucht, das einige Städte fast vernichtete. Boyer wurde 1843 durch eine von den Mulatten Hérard Dumesle und Charles Rivière-Hérard geleitete Verschwörung gestürzt und flüchtete am 13. März auf einem englischen Kriegsschiff nach Jamaika, wo er förmlich abdankte. Nach längerem Aufenthalt auf Jamaika ging er nach Paris, wo er 1850 starb.
Literatur
- Jean-Pierre Boyer (Politiker). In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 3, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 292.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Alexandre Sabès Pétion | Präsident von Süd-Haiti 1818–1820 | - |
Henri I. (König Nord-Haiti) Wiedervereinigung mit Nord-Haiti | Präsident von Haiti 1820–1843 | Charles Rivière-Hérard |