Jan Gehl
Jan Gehl (* 17. September 1936) ist ein dänischer Architekt und Stadtplaner aus Kopenhagen, Gründer von Gehl Architects, Kopenhagen, sowie emeritierter Professor der Königlichen Dänischen Kunstakademie. Einen besonderen Fokus legt Gehl auf die Verbesserung der städtebaulichen Infrastruktur und die Optimierung der Lebensqualität der Menschen sowie insbesondere der Fußgänger, Radfahrer, Senioren und der Familie.[1][2]
Leben
Im Jahr 1960 schloss Gehl sein Studium an der Königlich Dänischen Kunstakademie ab und arbeitete von da an bis 1966 als Architekt. Gehl heiratete bald nach seinem Abschluss eine Psychologin, Ingrid Gehl (geb. Mundt[3]). Dies hatte großen Einfluss auf seine planerische Tätigkeit. Nach eigenem Bekunden kreiste ein Großteil der Konversation um die Frage, warum sich Architekten nicht für Menschen interessieren.[4] 1966 bekam Gehl ein Forschungsstipendium, im Rahmen dessen Jan und Ingrid Gehl in Italien die Interaktion zwischen öffentlichem Raum und öffentlichem Leben untersuchten.[5] Die 1970–71 nahezu zeitgleich erschienenen Dissertationen von Jan Gehl - Livet Melem Husen (dän. "Leben zwischen Häusern") - und Ingrid Gehl - Bo-Miljø (dän. "Lebensumfeld")[6][7] belegen die interdisziplinäre Arbeit des Paares an der Schnittstelle zwischen Architektur und Psychologie, welche für Jan Gehls spätere Arbeiten grundlegend war.
Gehl wurde anschließend Gastprofessor in Kanada, USA, Mexiko, Australien, Belgien, Deutschland, Polen und Norwegen.
Die Strøget in Kopenhagen als längste Fußgängerzone in Europa geht auf Gehl zurück. Sein Buch Public Spaces, Public Life beschreibt am Beispiel Kopenhagen, wie innerhalb von 40 Jahren aus einer vom Autoverkehr stark geprägten Stadt ein Ort der Verkehrsberuhigung mit vielen verschiedenen Begegnungszonen entstanden ist.[8][9]
Gehl betreut Stadtentwicklungsprojekte auf der ganzen Welt. So arbeitete er 2004 eine Studie für Transport for London über die Qualität des öffentlichen Raums in London aus. Im Jahr 2007 wurde er vom Department of Transportation von New York City beauftragt, dort die Bedingungen für Radfahrer und Fußgänger zu verbessern.
Gehls Konzepte stehen im Zentrum des Dokumentarfilms The Human Scale, der 2014 auch in Deutschland als DVD vertrieben wird.
Das von ihm geleitete Büro Gehl Architects arbeitet mit in der Dänischen Fahrrad-Botschaft (Cycling Embassy of Danmark, CED), die Kenntnisse und Erfahrungen bei der Förderung des Radverkehrs weltweit verbreitet.[10]
Zitate
„Viel zu lange haben wir Städte geplant, als wollten wir Autos glücklich machen. Dabei sollen Städte doch Menschen glücklich machen.“
„Heute wissen wir: Um das Leben in einer Stadt zu ersticken, gibt es keine effizienteren Mittel als Autos und Wolkenkratzer.“
„Denkt zuerst an die Menschen, dann an Verkehrswege. Eine gute Stadt ist wie eine gute Party. Die Leute bleiben dort länger als nötig, weil sie sich wohlfühlen.“
Auszeichnungen
- 1993: Sir Patrick Abercrombie Prize – für beispielhafte Beiträge zu Stadtplanung und territoriale Entwicklung, International Union of Architects
- 1998: EDRA Award, USA
- 2008: Landscape Institute Award, UK
- 2008: Ehrenmitglied des American Institute of Architects
- 2009: Civic Trust Award für die Brighton New Road, UK
- 2009: NYC Award, New York City, USA
- 2013: C.F. Hansen Medaille
- 2015: Global Award for Sustainable Architecture[14]
- 2016: Bertha-und-Carl-Benz-Preis[15]
Filme
- The Human Scale, 2012
- Wem gehören unsere Städte? Arte, 2015[16]
Veröffentlichungen
- J. Gehl: Life between buildings : using public space. Van Nostrand Reinhold, New York 1987, ISBN 0-442-23011-7.
- J. Gehl, L. Gemzøe: New city spaces. The Danish Architectural Press, Copenhagen 2000, ISBN 87-7407-235-8.
- J. Gehl, L. Gemzøe: Public Spaces Public Life. Danish Architectural Press, 2004.
- J. Gehl u. a.: New city life. The Danish Architectural Press, Denmark 2006, ISBN 87-7407-365-6.
- J. Gehl: Leben zwischen Häusern–Konzepte für den öffentlichen Raum. JOVIS Verlag, 2011, ISBN 978-3-86859-146-0.
- J. Gehl, B. Svarre: How to Study Public Life. Island Press, 2013, ISBN 978-1-61091-423-9.
- J. Gehl: Leben zwischen Häusern. JOVIS Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86859-146-0.
- J. Gehl: Städte für Menschen. JOVIS Verlag, Berlin 2015, ISBN 978-3-86859-356-3.
Quellen
- brandeins.de
- deutschlandfunk.de, 24. Januar 2016deutschlandfunk.de
- Hanns-J. Neubert: Der Stadtmensch. 8. April 2015, abgerufen am 15. Januar 2021.
- youtube.com
- Chronik des Büros Gehl Architects: 1965 - Observing people in Italy. Abgerufen am 15. Januar 2021 (englisch).
- Peters, Terri: Social sustainability in context: Rediscovering Ingrid Gehl's Bo-miljø (engl.). In: Architectural Research Quarterly, 20(4), 2016. S. 371–380 (372).
- BUILD (zuvor Statens Byggeforskningsinstitut (SBi)): SBi-Rapport 71 - Bo-Miljø. Abgerufen am 15. Januar 2021 (dänisch, englisch).
- pps.org
- ccc.govt.nz
- Gehl Architects auf der Seite der Dänischen Fahrrad-Botschaft, englisch (Memento vom 16. Januar 2014 im Internet Archive)
- Nicolas Büchse: So wollen wir leben! Spätestens im Lockdown hat sich gezeigt: Die Stadt muss neu gedacht werden, in: Stern Nr. 21, 20. Mai 2021, S. 22-28, hier S. 26.
- Nicolas Büchse: So wollen wir leben! Spätestens im Lockdown hat sich gezeigt: Die Stadt muss neu gedacht werden, in: Stern Nr. 21, 20. Mai 2021, S. 22-28, hier S. 27.
- Nicolas Büchse: So wollen wir leben! Spätestens im Lockdown hat sich gezeigt: Die Stadt muss neu gedacht werden, in: Stern Nr. 21, 20. Mai 2021, S. 22-28, hier S. 28.
- Global Award for Sustainable Architecture. Abgerufen am 2. Juni 2020 (englisch).
- Jan Gehl erhält dritten Bertha-und-Carl-Benz-Preis der Stadt Mannheim, Stadt Mannheim, 6. März 2016.
- Otto Langels: ARTE-Dokumentation: Die Zukunft unserer Städte. In: deutschlandfunk.de. 1. September 2015, abgerufen am 19. Juni 2016.