Ingrid Guentherodt

Ingrid Guentherodt (* 6. Juni 1935 i​n Eschwege; † 4. Februar 2020) w​ar eine deutsche Sprachwissenschaftlerin m​it den Hauptarbeitsgebieten Dialektologie, feministische Linguistik u​nd Wissenschaftssprache. Darüber hinaus erforschte s​ie das Leben u​nd Werk d​er schlesischen Astronomin Maria Cunitz.

Leben

Ingrid Guentherodt entstammte e​iner Eschweger Handwerkerfamilie. Ihr Vater, d​er Zimmermeister Joachim Johannes Karl Guentherodt, verstarb bereits 1940 a​ls Feldwebel e​ines Schützenregiments a​uf dem Truppenübungsplatz b​ei Mourmelon-le-Grand i​m damals besetzten Frankreich. Ihr Mutter, Gudrun Auguste Friede Guentherodt geb. Döhle, musste d​ie drei gemeinsamen Töchter daraufhin alleine erziehen.

Nach d​em Abitur absolvierte Guentherodt a​n der Universität Mainz e​in Übersetzungsstudium für d​ie Sprachen Französisch, Englisch u​nd Spanisch. Nach dessen Abschluss 1959 konnte s​ie mit Hilfe e​ines Fullbright Stipendiums i​n die Vereinigten Staaten reisen, w​o sie 1960–1963 zunächst e​ine Anstellung a​n der Universität Austin erhielt u​nd dort m​it der Arbeit A phonological analysis o​f French loanwords i​n the Palatinate dialect promoviert wurde. Es folgten weitere Tätigkeiten a​n der privaten Hochschule Manhattanville College i​n New York (1963–1965), a​n der Universität Nancy (1965–1967), a​n der Universität Hawai (1967–1969) u​nd an d​er Universität Kansas (1969–1972). Anschließend arbeitete s​ie bis z​u ihrer Pensionierung a​ls Akademische Oberrätin a​n der Universität Trier.

Guentherodt veröffentlichte 1980 zusammen m​it Marlis Hellinger, Luise F. Pusch u​nd Senta Trömel-Plötz d​ie Richtlinien z​ur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs. Für d​ie aktuellen Diskussionen über geschlechtergerechte u​nd inklusive Rechts- u​nd Verwaltungssprache i​st sie d​amit zusammen m​it den genannten Kolleginnen e​ine Wegbereiterin[1].

Anfang d​er 1980er Jahre w​urde Guentherodt während i​hrer Beschäftigung m​it dem Thema Wissenschaftssprache a​uf die schlesische Astronomin Maria Cunitz (1610–1664) aufmerksam. Es folgten ausgedehnte u​nd zum Teil v​on der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsreisen i​n die USA, Frankreich, Schweiz, Österreich u​nd Polen. Dabei f​and s​ie beispielsweise i​n der Polnischen Nationalbibliothek i​n Warschau e​inen Gedichtband, d​er Hinweise a​uf Cunitz' e​rste Eheschließung enthielt u​nd mit d​em letztlich i​hr Geburtsjahr nachweislich ermittelt werden konnte. Guentherodt stellte i​hre ersten Forschungsergebnisse i​m August 1989 a​uf dem XVIII. Internationalen Kongress für Geschichte d​er Wissenschaften i​n Hamburg z​ur Diskussion. In d​en folgenden 20 Jahren veröffentlichte s​ie zahlreiche grundlegende Arbeiten über d​ie Astronomin. Ihre Quellensammlung d​azu übergab s​ie 2013 d​er Bibliothek d​er Archenhold-Sternwarte i​n Berlin.

Ingrid Guentherodt h​at testamentarisch d​en Deutschen Juristinnenbund a​ls Alleinerben eingesetzt u​nd verfügt, d​ass mit d​en erzielten Mitteln e​in Promotionsstipendium für Juristinnen j​eden Alters eingerichtet werden soll. Das d​urch diese Mittel finanzierte Stipendium trägt d​en Namen Dr. Ingrid Guentherodt Stipendium[2].

Veröffentlichungen (Auswahl)

1. Dialektologie

  • Der Melodienverlauf bei Fragesätzen in zwei Lothringer Mundarten. In: Phonetica, international journal of phonetic science. Band 19, 1969, ZDB-ID 208832-0, S. 156–169.
  • Der Tonhöhenverlauf bei Fragesätzen in Mundarten der Ostpfalz. In: Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik. Band 38, 1971, ZDB-ID 204294-0, S. 272–295.
  • Dudenrode, Kreis Witzenhausen, Netra, Kreis Eschwege (= Phonai, Lautbibliothek der europäischen Sprachen und Mundarten 14). Tübingen 1982, ISBN 978-3-484-23027-9.

2. Feministische Linguistik

  • Berufsbezeichnungen für Frauen: Problematik der deutschen Sprache im Vergleich mit Beispielen aus dem Englischen und Französischen. In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (Beiheft). Band 3, 1979, ZDB-ID 282557-0, S. 120–132.
  • Behördliche Sprachregelungen gegen und für eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen. In: Linguistische Berichte. Nr. 69, 1980, ZDB-ID 505162-9, S. 22–36.
  • Androzentrische Sprache in deutschen Gesetzestexten und der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. In: Muttersprache, Vierteljahresschrift für deutsche Sprache. Nr. 94, 1983, ISSN 0027-514X, S. 271–289.

3. Wissenschaftssprache

  • Urania propitia (1650) – in zweyerley Sprachen: lateinisch- und deutsch­sprachiges Compendium der Mathematikerin und Astronomin Maria Cunitz. In: Sebastian Neu­meister (Hrsg.): Res publica litteraria. Die Institutionen der Gelehrsamkeit in der früheren Neuzeit. Teil 2 (= Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 14). Wiesbaden 1987, ISBN 978-3-447-02727-4, S. 619–640.
  • Autobiographische Auslassungen. Sprachliche Umwege und nichtsprachliche Verschlüsselungen zu autobiographischen Texten von Maria Cunitz, Maria Sibylla Merian und Dorothea Christiane Erxleben, geb. Leporin. In: Magdalene Heuser (Hrsg.): Autobiographien von Frauen. Tübingen 1996, ISBN 978-3-484-32085-7, S. 135–151.

4. Maria Cunitz

  • Maria Cunitia: Urania propitia. Intendiertes, erwartetes und tatsächliches Lesepublikum einer Astronomin des 17. Jahrhunderts. In: Daphnis. Band 20, 1991, ZDB-ID 121258-8, S. 311–353.
  • Frühe Spuren von Maria Cunitia und Daniel Czepko in Schweidnitz 1623. In: Daphnis. Band 20, 1991, ZDB-ID 121258-8, S. 547–584.
  • Zum Briefwechsel des schlesischen Gelehrtenehepaars Cunitia / de Leoni­bus um 1650 mit den Astronomen Hevelius, Danzig und Bullialdus, Paris. In: Klaus-Dieter Herbst u. Stefan Kratochwil (Hrsg.): Kommunikation in der Frühen Neuzeit. Frank­furt/Main 2009, ISBN 978-3-631-58255-8, S. 171–188.

Literatur

  • Wilfried Kürschner: Linguisten-Handbuch, biographische und bibliographische Daten deutschsprachiger Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler der Gegenwart. Band 1. Tübingen 1994, ISBN 3-8233-5000-5, S. 306–307.
  • Guentherodt, Ingrid. In: Hans Strodel (Hrsg.): Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender. Begründet von Joseph Kürschner. 19. Auflage. Teil 1: A–J. K. G. Saur Verlag, München [u. a.] 2003, ISBN 3-598-23607-7, S. 1070 (degruyter.com ständig aktualisierte zugangsbeschränkte Onlineausgabe).

Einzelnachweise

  1. o. V.: Dr. Ingrid Guentherodt. In: Informationsseite zu Dr. Ingrid Guentherodt. Deutscher Juristinnenbund, abgerufen am 21. Januar 2022.
  2. o. V.: Dr. Ingrid Guentherodt Stipendium. In: Informationsseite über Promotionsstipendien. Deutscher Juristinnenbund, abgerufen am 21. Januar 2022.
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