Herzklappenrekonstruktion
Als Herzklappenrekonstruktion bezeichnet man die Wiederherstellung der Form und somit auch der Funktion einer natürlichen funktionsgestörten Herzklappe. Je nach Position (Aortenklappe, Mitralklappe, Pulmonalklappe oder Trikuspidalklappe) und Art bzw. Ursache der Funktionsstörung kommen unterschiedliche Verfahren zum Einsatz.
Geschichte
Bereits vor der Entwicklung von Herzklappenprothesen wurde eine erste Sprengung einer verengten Aortenklappe zur Behandlung der Aortenstenose von dem französischen Chirurgen Théodore Tuffier durchgeführt. Der amerikanische Chirurg Elliot Cutler führte 1923 eine erste Sprengung einer verengten Mitralklappe durch, der englische Chirurg Henry Souttar, dem eine digitale Sprengung der Mitralstenose gelang, folgte 1926. Die ersten Versuche waren aus heutiger Sicht experimentell.
Die erste künstliche Herzklappe mit einer Kugelprothese wurde 1961 durch die beiden Amerikaner Albert Starr und Lowell Edwards implantiert.[1]
Indikation
Die Indikation zur Operation wird in Abhängigkeit von klinischer Symptomatik und objektivierbaren Kriterien gestellt.[2] Ziel ist in erster Linie die Verbesserung der Lebenserwartung durch kausale Behandlung einer akuten oder chronischen Herzinsuffizienz, in zweiter Linie auch eine Symptomverbesserung. Die Rekonstruktion ist dabei eine Alternativbehandlung zum Herzklappenersatz, der häufig aufgrund der schweren Zerstörung der Klappe nicht vermeidbar ist.
Für den Herzklappenersatz stehen je nach Patientenalter verschiedene Verfahren zur Verfügung. Allen gemeinsam ist, dass mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten langfristige Komplikationen des Klappenersatzes unvermeidbar sind.[3][4][5] Hierzu gehören Gerinnselbildung (Thrombembolie) an der Klappenprothese, Blutungen unter der Hemmung der Blutgerinnung, der Verschleiß von biologischen Prothesen und die Empfindlichkeit für eine Entzündung (Prothesenendokarditis).
Nach der Herzklappenrekonstruktion ergeben sich andere Ergebnisse, die sich auch zwischen den verschiedenen Herzklappen unterscheiden. Allen Herzklappen ist gemein, dass nach einer Rekonstruktion das Risiko der Gerinnselbildung minimal ist, eine Hemmung der Blutgerinnung ist in der Regel nicht erforderlich und Blutungen entfallen somit. Die Wahrscheinlichkeit einer Herzklappenentzündung ist deutlich geringer als nach Ersatz.[3][4][5]
Für viele erkrankte Herzklappen bleibt der Ersatz das beste Verfahren. In den letzten 30 Jahren sind jedoch für verschiedene Herzklappenfehler Rekonstruktionsverfahren entwickelt und zur Routine geworden. Dies trifft besonders für die Aortenklappeninsuffizienz, die Mitralklappeninsuffizienz und die Triskupidalklappeninsuffizienz zu. Bei der angeborenen Aortenstenose ist häufig eine Rekonstruktion möglich, bei der erworbenen praktisch nicht. Auch die rheumatische Mitralstenose und die Trikuspidalklappenstenose sind häufig durch eine Rekonstruktion behandelbar. Nicht jeder Klappenfehler sollte automatisch operiert werden; auch die Rekonstruktion zählt zu den Operationen. Regelmäßig wird überprüft, wann eine Operation sinnvoll ist. Die folgende Aufstellung gibt einen vereinfachten Überblick über die Indikationen:
Aortenklappenstenose mit nur geringer oder ohne Verkalkung der Klappe
- schwere Aortenklappenstenose mit Symptomatik
- schwere Aortenklappenstenose ohne Symptomatik mit reduzierter Pumpfunktion (EF - Auswurffraktion < 50 %) oder pathologischem Belastungstest oder rascher Progredienz
Aortenklappeninsuffizienz
- schwere Aortenklappeninsuffizienz und Symptomatik
- schwere Aortenklappeninsuffizienz ohne Symptomatik mit reduzierter Pumpfunktion (EF < 50 %) oder endsystolischem Durchmesser des linken Ventrikels > 50 mm
- Aneurysma der Aorta ascendens (aufsteigende Aorta) mit Gefahr des Platzens
Mitralklappenstenose mit nur geringer oder ohne Verkalkung der Klappe
- Symptomatik und Klappenöffnungsfläche < 1,5 cm²
Mitralklappeninsuffizienz
- schwere Mitralklappeninsuffizienz und Symptomatik und EF > 30 %
- schwere Mitralklappeninsuffizienz und hohe Erfolgswahrscheinlichkeit einer Rekonstruktion
- schwere Mitralklappeninsuffizienz ohne Symptomatik mit EF < 60 % oder neu aufgetretenem Vorhofflimmern oder systolischem pulmonal-arteriellem Druck > 50 mmHg
Trikuspidalklappeninsuffizienz
- schwere Trikuspidalklappeninsuffizienz und Symptomatik
- deutliche Trikuspidalklappeninsuffizienz und Notwendigkeit einer anderen Operation am Herzen
Operationstechnik
Die Operationstechnik variiert zwischen der Mitralklappenrekonstruktion, der Aortenklappenrekonstruktion, der Pulmonalklappenrekonstruktion und der Trikuspidalklappenrekonstruktion. Details sollten unter den jeweiligen Stichworten nachgelesen werden. Allen Operation ist gemein, dass das Resultat intraoperativ echokardiographisch überprüft werden soll.[2] Nach Indikationsstellung werden Untersuchungen zur Abschätzung des Operations- und Narkoserisikos durchgeführt. Diese umfassen z. B. eine Lungenfunktionsprüfung und eine Herzkatheteruntersuchung. In neuerer Zeit besteht auch die Möglichkeit, die Herzkranzgefäße durch ein EKG-getriggertes CT darzustellen. Wird eine koronare Herzkrankheit festgestellt, wird in der Regel die Anlage von Koronararterienbypässen empfohlen, die in einer Sitzung mit dem Klappenersatz erfolgen kann.
Minimal-invasive Verfahren
Neben der offen-chirurgischen Technik mit Eröffnen des Brustkorbs wurden minimal-invasive Techniken entwickelt. Auch hier bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Herzklappen, so dass auf die einzelnen Herzklappenfehler verwiesen werden soll.
Nachsorge
Antikoagulation
Im Gegensatz zum Klappenersatz ist nach der Rekonstruktion keine Hemmung der Blutgerinnung (Antikoagulation) erforderlich. Lediglich das Auftreten von unregelmäßigem Herzschlag (Vorhofflimmern) kann eine Antikoagulation erfordern, um die Bildung von Gerinnseln im linken Vorhof zu verhindern.
Endokarditisprophylaxe
Nach Herzklappenersatz wird in der Regel eine lebenslange Endokarditisprophylaxe bei allen Eingriffen im Bereich des Mund-Rachen-Raums (z. B. Zahnchirurgie, Tonsillektomie) durchgeführt.[2] Es ist unklar, ob dies auch nach einer Herzklappenrekonstruktion notwendig ist.
Literatur
- Martin Steiner: Beurteilung von biologischen und mechanischen Herzklappenprothesen anhand zeitaufgelöster Verfahren (Dissertation). VVB Laufersweiler Verlag, Gießen 2005, ISBN 3-89687-053-X, S. 319.
- Michael J. Eichler: In vitro Kavitationsuntersuchungen an mechanischen Herzklappenprothesen (Dissertation). Logos Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-8325-0398-6, S. 175.
Einzelnachweise
- L. Wi Stephenson: History of Cardiac Surgery. In: L. H. Cohn, L. H. Edmunds Jr. (Hrsg.): Cardiac Surgery in the Adult. McGraw-Hill, New York 2003, S. 3–29.
- A. Vahanian, O. Alfieri et al.: Guidelines on the management of valvular heart disease (version 2012). In: Eur Heart J. Band 33, Nr. 19, Oktober 2012, S. 2451–2496.
- Hans-Joachim Schäfers: Klinische Grundlagen der Herz- und Thoraxchirurgie. 1. Auflage. ABW Wissenschaftsverlagsgesellschaft, 2003
- Hans-Joachim Schäfers: Current Treatment of Mitral Regurgitation. 2010 (englisch)
- Hans-Joachim Schäfers: Current treatment of aortic regurgitation. UNI-MED Science, 2013 (englisch)