Herrenhaus Lüssow
Das Herrenhaus Lüssow liegt im Westen der Ortschaft Lüssow in der Stadtgemeinde Gützkow und wird wegen seiner Größe auch als Schloss Lüssow bezeichnet.
Herrenhaus Lüssow | |
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Herrenhaus Lüssow Ostseite – rechts mit Portal 1910 | |
Daten | |
Ort | Lüssow |
Bauherr | Achim von Voß-Wolffradt |
Baustil | Neorenaissance |
Baujahr | 1868 |
Koordinaten | 53° 54′ 53,8″ N, 13° 29′ 35,8″ O |
Geschichte
Seit Mitte des 17. Jahrhunderts war Lüssow, das schon vorher ein Lehngut war, im Besitz der Familie von Wolffradt. Der Gutshof hatte alle üblichen Wirtschaftsgebäude, wie Scheune, Speicher, Stallungen und sonstige Nebengebäude, aber auch Unterkünfte für die Bediensteten. Sie waren überwiegend mit gespalteten Feldsteinen und Backsteinen gebaut, letztere wurden in einer eigenen Ziegelei nordöstlich des Dorfes hergestellt.
1841 starb Hermann von Wolffradt ohne Nachkommen und vererbte Lüssow und die anderen Besitzungen an seinen Vetter Achim von Voß aus Mecklenburg unter der Auflage, den Doppelnamen von Voß-Wolffradt zu übernehmen.
Achim von Voß-Wolffradt ließ ab 1867 das Herrenhaus erbauen, das aber nicht am Gutshof stand, sondern weiter westlich abgesondert in einem Park, der aber durch seine Tochter, eine verheiratete Gräfin von Behr-Negendank besonders initiiert wurde. Das Herrenhaus wurde 1868 fertig gestellt.[1]
Vor der Besetzung durch die Rote Armee Ende April 1945 beging die Besitzerfamilie Selbstmord.
Im Schloss wurde 1946 eine Typhuskrankenstation eingerichtet, ansonsten war es Wohnunterkunft für Flüchtlinge.
Am Schloss wurden 1947 die Mauer vom Schloss zum Tor teilweise, das Tor zur Wagenremise und der Eiskeller abgebrochen, um Baumaterial für Ställe und Schuppen der Flüchtlinge zu errichten.
1950 wurden vier Unterrichtsräume im Schloss eingerichtet, weil das alte Schulhaus im Dorf für die Schüleranzahl nicht mehr ausreichte. Ab 1952 war dann sämtlicher Schulunterricht im ehemaligen Herrenhaus. Ab 1960 wurden dann die höheren Klassen nach Gützkow verlegt.
1968 und 1969 wurde dann das Gebäude leider wegen fehlender Reparaturkapazitäten umfassend verunstaltet: Der Ostturm über dem Haupteingang wurde bis auf einen Stumpf abgebaut, die Zwerchhausgiebel werden begradigt – Verzierungen und Voluten abgeschlagen und zum Schluss werden die Flankentürme der Veranda bis auf die Stümpfe abgebrochen.
Der Schulbetrieb im Schloss wurde 1972 gänzlich eingestellt, lediglich der Kindergarten blieb noch. Von den neun Wohnungen in den Obergeschossen waren nur noch vier belegt. Gelegentlich wurden der Saal und die Nebenräume für Veranstaltungen (Erntefeste usw.) genutzt.
Der Kindergarten zog dann 1984 zur so genannten „Wirtschaft“. Seitdem stand das Gebäude leer. Dann begann der Raubabbau an der Gebäudeausrüstung – die Kamine, Türen, Treppengelände und alles Verwertbare wurden gestohlen und Vandalismus fand statt.[2]
In einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) wurde 1994 mit der Beräumung und Sanierung des Parks begonnen.
Lüssower Einwohner gründeten im März 1996 den Verein Schloß und Gut Lüssow. Sie sicherten zusammen mit der Deutschen Stiftung Denkmalschutz die Finanzierung der Dacherneuerung und der Sicherungsmaßnahmen für das Gebäude.
Ein zweiter Erfolg war, dass das Traditionellen vorpommerschen Landgutes Lüssow bis 2004 in ein Landwirtschaftsmuseum umgestaltet wurde.
2013 wurde das Schloss einschließlich der zugehörigen Ländereien wie Park und Nebenflächen, sowie die so genannte „Wirtschaft“ mit Grundstück, an einen Investor verkauft.
Architektur
Der zwei- und dreigeschossig, elfachsige Putzbau der Neorenaissance steht auf einem erhöhten Sockelgeschoss aus behauenen Feldsteinen. Das Gebäude hatte an der Ostseite einen Treppenturm mit einem spitzen Turmhelm; hier lag der Haupteingang. An der Westseite befand sich eine Veranda, die durch zwei kleinere vorgezogene Türme flankiert wurde.
Das Gebäude in H-Form hat beidseitig durchgehende dreigeschossige Zwerchhäuser, deren Giebel früher reich verziert waren. Gebäudemittig befindet sich zweigeschossige Zwerchgiebel.
Im Kellergeschoss befanden sich die Wirtschafts- und Lagerräume für das Schloss, einschließlich der Küche sowie der Essraum für das „Gesinde“. Für die Herrschaft gab es einen Speiseaufzug zum Speisesaal, der vor der Terrasse lag.
Im Erdgeschoss lagen die weiteren Repräsentationsräume wie der große Saal mit seinen zwei großen Kaminen gegenüber dem Haupteingang sowie die Bibliothek, das Musikzimmer und das Arbeitszimmer des Gutsherrn. Zu den flankierenden Türmen der Veranda gab es gesonderte Zugangsräume.
Im ersten Obergeschoss befanden sich die Wohnräume der Herrschaften und im Dachgeschoss die Wohnräume des Dienstpersonals.
Vom Schloss wurden in der Bauphase 1867/68 die Mauer vom Schloss zum Tor, das Tor zur Wagenremise und ein Eiskeller errichtet. Das Tor war den Zwerchgiebeln nachempfunden, hatte aber im Wesentlichen nur dekorative Funktionen.
Nach 1945 wurde das Herrenhaus zunächst Unterkunft für Flüchtlinge für über 20 Familien. Zugleich wurde neben einer Typhuskrankenabteil auch eine Ambulanz mit einer Geburtsstation (Storchenzimmer) etabliert.
1950/52 wurden die Anzahl der Flüchtlingsunterkünfte reduziert und es erfolgte die Einrichtung einer Schule mit Unterrichtsräumen im 1. und 2. Geschoss sowie einem Kindergarten. Danach wurden nur noch einige Rückbauten vorgenommen.
Literatur
- Heinrich Berghaus: Landbuch des Herzogtums Pommern und des Fürstentums Rügen. Teil IV, Band II, Anklam 1868, S. 136–216. (Google Bücher)
Einzelnachweise
- Ortschronik Lüssow 1228–1945. (PDF; 33 kB) Abgerufen am 24. April 2013.
- Ortschronik Lüssow 1946–1989. (PDF; 15 kB) Abgerufen am 24. April 2013.