Hermann Lichtenthal
Hermann Lichtenthal (* 1795 in Schlesien; † 15. Oktober 1853 in Sankt Petersburg) war ein Hersteller von Klavieren in Brüssel und später in Sankt Petersburg. Zahlreiche Patente gingen auf seinen Erfindergeist zurück.
Geschichte
Lichtenthal öffnete zunächst um 1823 eine Werkstatt in Brüssel auf dem Waterloo-Boulevard 27. Dann siedelte er nach Sankt Petersburg um und gründete dort 1840 eine eigene Fabrik, die bald 50 Arbeiter beschäftigte. Einer seiner Handwerkermeister war der aus Thüringen stammende Johann Tresselt, der spätere Eigner der J. Tresselt Pianofortefabrik.[1]
Die Entstehung der Fabrik verdankte Lichtenthal der Russifizierungspolitik Zar Nikolaus', bis zu dessen Tod im Jahre 1855. Die Gründung der Lichtenthal-Fabrik fiel in diese Modernisierungsphase der russischen Industrie. Restriktive Einfuhrzölle ab 1841 führten zu einem fast unbegrenzten Markt für inländische Instrumente. Weiterhin ermöglichten niedrige Löhne und Steuerersparnisse ein Monopol für in Russland hergestellte Klaviere.
„Anfangs der vierziger Jahre tauchte in Petersburg der belgische Pianofortefabrikant Hermann Lichtenthal auf, der das englische System des Clavierbaues befolgte. Dieses welches heut' zu Tage in Nordamerika sich auf die äußerste Spitze seines Prinzips hinauf getrieben findet, bezweckt, durch erhöhte Widerstandskraft der Tastenmechanik wuchtigere Wirkung der Hämmer auf die Saiten zu erzielen, und dadurch den Ton klang voller zu machen, wie die Befolger dieses Systems (irrthümlich) vermeinen. Lichtenthal war schon von früher her mit Franz Liszt bekannt, und als nun dieser damals eben auftauchende Glanzstern der höchsten Clavier-Virtuosität im Jahre 1842 in Petersburg eintraf, bat Lichtenthal ihn, daß er sich seiner (d. h. Lichtenthal's) Instrumente zu den hier anberaumten Konzerten bedienen möchte. Wer den herrlichen, liebenswürdigen Menschen Franz Liszt näher zu kennen das Glück hatte, der weiß, daß er, wenn nur irgend wie seinerſeits erfüllbar, keine Bitte abzuschlagen vermochte. Zudem war Liszt sich seines genialen Hochmeisterthums bewußt; ihm war es gleich, welche Spielart irgend welches Instrument auswies; er brauchte nur eine, höchstens zwei Passagen über die Tasten zur Probe gleiten zu lassen, – oft nur mit der linken Hand allein, – und sofort war, selbſt auch das ungeheuerlichste Clavier ihm völlig unterthan. Auch im folgenden Jahre (1843) spielte Liszt in seinen Concerten allhier und in Moskau auf Lichtenthal'schen Inſtrumenten.“
Um 1885 gab es in Sankt Petersburg neben Lichtenthals 60 weitere Manufakturen sowie größere und kleinere andere Fabriken, die sich dem Klavierbau verschrieben hatten.[3] Bis auf wenige Ausnahmen waren das alles deutschbaltische oder aus Deutschland eingewanderte Instrumentenbauer. Namen wie Schröder, Mühlbach, Tischner, Becker oder Diederichs zierten die Klaviere.
Einzelnachweise
- Ludwig Damböck: Bericht über die Gewerbe-Ausstellung des Russischen Reichs zu St. Petersburg im Jahre 1849. Gerold, 1849, S. 186 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Zitiert aus Neue Zeitschrift für Musik. 1896, Band 92, Teil 2
- Archivlink (Memento des Originals vom 23. November 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.