Henri Jeannin
Henri Jeannin (* 21. Mai 1872 in Dampierre-sur-le-Doubs[1][2]; † 4. September 1973 in Beeskow[3]; auch eingedeutscht als Heinrich Jeannin, vollständiger Name Marie Henri Emile Jeannin[2])[4], Bruder von Emil Jeannin, war ein französisch-deutscher Rennfahrer und Unternehmer, der als Automobil- und Motorenfabrikant Anteil an der Motorisierung des Straßen-, Wasser- und Luftverkehrs hatte.
In seiner französischen Geburtsstadt Dampierre besuchte Jeannin das Gymnasium. Zur weiteren Ausbildung kam er dann auf das Lycée in Vesoul und trat nachher in das väterliche Geschäft in Mülhausen (im damaligen Reichsland Elsaß-Lothringen) ein.
Jeannin fand aber keinen Gefallen an der kaufmännischen Tätigkeit, sein ganzes Interesse galt dem Radsport. Er gab den Beruf auf, und es dauerte nicht lange, bis er zu den besten deutschen Radfahrern gehörte. Anfang 1890 war er wiederholt Meisterschaftsfahrer Elsass-Lothringens und siegte in verschiedenen internationalen Treffen überlegen über Radfahrer wie Alwin Vater, Michael Herty, Carl Jörns und Ludwig Opel.
Als dann das Automobil seinen Siegeszug durch die ganze Welt begann, war Jeannin einer der Ersten, der dessen große Zukunft erkannte. Er beteiligte sich erfolgreich an den ersten Automobilrennen und gewann im Jahr 1900 das Rennen auf der Trabrennbahn Westend in Berlin sowie 1905 in Hamburg-Bahrenfeld.
Jeannin kam im Oktober 1899 nach Berlin und erhielt im November 1899 eine Anstellung als Geschäftsführer bei der Allgemeinen Automobil-Gesellschaft Berlin (AAG)[5], wo er den Versuch unternahm, einen von Georg Klingenberg konstruierten Einzylinder-Wagen herzustellen.
Jeannin heiratete am 8. Mai 1901 seine Verlobte Frieda Bellmann (1873–1955) im Bezirk Schöneberg[2]. Nachdem die AAG Ende 1901 von der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft übernommen wurde, gründete er im April 1902 die Internationale Automobil Centrale Jeannin & Co. Commandit Gesellschaft[6], das erste Automobil-Verkaufsgeschäft in Berlin. Am 12. September 1902 meldete die Gesellschaft das Zeichen Argus als Warenzeichen an, welches am 17. Januar 1903 eingetragen wurde.[7]
Anfang 1904 liquidierte Jeannin die Gesellschaft[8] und gründete zeitgleich die Argus Motoren-Gesellschaft Jeannin & Co. Com. Ges., Berlin[9]. Bei der Gründung der Argus Motoren Gesellschaft im Jahr 1906 brachte Jeannin seine Kommanditgesellschaft und das eingetragene Warenzeichen als Stammeinlage mit ein und wurde deren Geschäftsführer.[10] Einen Hauptverdienst hat die Gesellschaft um die Entwicklung des Flugwesens in Deutschland, sie baute 1908 ihren ersten Flugmotor.
Außerdem war Jeannin an der Gründung des Berliner Automobil-Clubs, des Deutschen Motorboot-Clubs, des Deutschen Motoryacht-Clubs (später Kaiserlicher Yacht-Club) beteiligt.
Im Jahr 1936 kaufte er sich in Diensdorf ein direkt am Scharmützelsee gelegenes Ufergrundstück, wo er bis zu seinem Tod lebte.[11] Henri Jeannin starb am 4. September 1973 im Alter von 101 Jahren im Kreiskrankenhaus Beeskow[3]. Er wurde auf dem Friedhof in Diensdorf-Radlow neben seiner Ehefrau begraben. Die Gemeinde Diensdorf-Radlow stellte im Jahr 2017 eine Gedenkstele und eine Informationstafel neben dem Grab auf.[12][11]
Literatur
- Hans Christoph Graf von Seherr-Thoss: Die deutsche Automobilindustrie. Eine Dokumentation von 1886 bis 1979. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1979, ISBN 3-421-02284-4.
Weblinks
Einzelnachweise
- Geburtsurkunde (Acte de naissance) Nr. 8/1872, Standesamt Dampierre-sur-le-Doubs, Archives départementales du Doubs
- laut Heiratsurkunde Nr. 304 vom 8. Mai 1901 im Heiratsregister des Standesamt Schöneberg I, Bezirk Schöneberg, Repositur P Rep. 160 im Landesarchiv Berlin
- Sterbeurkunde Nr. 152/1973, Standesamt Beeskow, Stadtarchiv Beeskow
- Wolfgang Gebhardt: Deutsche Omnibusse seit 1895. Motorbuch Verlag, 1996, S. 31 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- Eintragung unter Nr. 19433 in das Gesellschaftsregister des Königlichen Amtsgerichts II zu Berlin vom 8. Dezember 1899, veröffentlicht in Central-Handels-Register für das Deutsche Reich (Nr. 293 B); Sechste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger, Nr. 293. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 12. Dezember 1899, abgerufen am 13. Juni 2020 (linke Seite, zweite Spalte oben): „[…] Geschäftsführer ist 1) der Kaufmann Hans Eduard Acker zu Berlin, 2) der Kaufmann Heinrich Jeannin zu Berlin.“
- Central-Handels-Register für das Deutsche Reich (Nr. 85 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger, Nr. 85. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 11. April 1902, abgerufen am 13. Juni 2020 (linke Seite, erste Spalte unten): „Nr. 14 453 Kommanditgesellschaft: Internationale Automobil Centrale Jeannin & Co. Commandit Gesellschaft. Persönlich haftender Gesellschafter: Henri Jeannin, Kaufmann, Schöneberg. Ein Kommanditist ist vorhanden. Die Gesellschaft hat am 1. April 1902 begonnen.“
- Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 35 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 35. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 10. Februar 1903, abgerufen am 13. Juni 2020 (rechte Seite, zweite Spalte oben): „Nr. 57 686. J. 1763. Klasse 10. Argus 12/9 1902. Internationale Automobil-Centrale Comm.-Ges. Jeannin & Co., Berlin, Charlottenstr. 39. 17/1 1903. G[eschäftsbetrieb]: Herstellung und Vertrieb von Motorwagen und sämtlichen Motorwagenteilen. W[aren]: Motorwagen und sämtliche Motorwagenteile. – Beschr.“
- Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 62 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 62. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 12. März 1904, abgerufen am 13. Juni 2020 (erste Spalte mittig): „Bei Nr. 14 453 (Internationale Automobil Centrale Jeannin & Co. Commanditgesellschaft, Berlin): Die Firma lautet jetzt: Internationale Automobil Centrale Dr. Mengers & Bellmann. Die bisherigen Gesellschafter haben die Gesellschaft aufgelöst und Geschäft und Firma an den Kaufmann Dr. phil Hans Mengers, Berlin und den Kaufmann Walter Bellmann, Schöneberg [Anm.: hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Jeannins Schwager], veräußert, welche das Geschäft als offene Handelsgesellschaft betreiben. Die Gesellschaft hat am 1. Februar 1904 begonnen. […]“
- Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 36 A); Fünfte Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 36. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 11. Februar 1904, abgerufen am 13. Juni 2020 (rechte Seite, dritte Spalte, oberes Drittel): „Nr. 227[3]8 Kommanditgesellschaft: Argus Motoren-Gesellschaft Jeannin & Co. Com. Ges., Berlin, und als persönlich haftender Gesellschafter Henry Jeannin, Kaufmann, Charlottenburg. Die Gesellschaft hat am 1. Februar 1904 begonnen. Ein Kommanditist ist vorhanden.“
- Zentral-Handelsregister für das Deutsche Reich (Nr. 287 A); Sechste Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger, Nr. 287. In: Deutscher Reichsanzeiger. Universitätsbibliothek Mannheim, 5. Dezember 1906, abgerufen am 13. Juni 2020 (rechte Seite, erste Spalte unten): „Nr. 4024 Argus Motoren Gesellschaft mit beschränkter Haftung. […] Die Gesellschafterin in Firma Argus Motoren Gesellschaft Jeannin & Co. Commanditgesellschaft zu Berlin bringt in die Gesellschaft ein: ihr gesamtes in Berlin, Prinz Louis Ferdinandstraße 1, betriebenes Geschäft mit Aktiven und Passiven, einschließlich sämtlicher Schutzrechte, Modelle, Zeichnungen, Gerätschaften und Aufträge. […]“
- Bernhard Schwiete: "Charmant bis ins hohe Alter"; Auf dem Friedhof in Diensdorf-Radlow erinnert eine neue Stele an das Leben von Henri Jeannin. In: Online-Portal der Märkische Oderzeitung MOZ.de. Märkisches Medienhaus GmbH & Co. KG, 15. Dezember 2017, abgerufen am 4. Februar 2018.
- Bernhard Schwiete: Eine Stele für das alte Rennfahrer-Grab. In: Online-Portal der Märkische Oderzeitung MOZ.de. Märkisches Medienhaus GmbH & Co. KG, 17. Februar 2017, abgerufen am 13. Juni 2020.