Heinrich Hornung
Heinrich Kurt Felix August Ernst Hornung (* 26. Januar 1900 in Erndtebrück, NRW; † 24. November 1981 in Kassel) war ein deutscher Mediziner.
Er war Oberstabsarzt, Oberregierungs- und Medizinalrat in Kassel sowie Dozent für Öffentliches Gesundheitswesen und Arzneimittelgesetzeskunde an der Philipps-Universität Marburg. Bekannt wurde er als Initiator und wissenschaftlicher Begleiter des ersten deutschen Versuchs zur Trinkwasserfluoridierung im Kasseler Ortsteil Wahlershausen.
Leben und Werk
Seine Eltern waren der praktische Arzt, späterer „aktiver Militärarzt“ und Regierungsmedizinalrat Julius Albert Heinrich Victor Hornung (1868–1958) und dessen Ehefrau Helene (1877–1966) geb. Bauermeister. Zu den bekannten Vorfahren väterlicherseits gehört laut Hornung der Maler Lucas Cranach.[1][2] Nach Schulbesuch im Kadettenhaus Wahlstatt bei Liegnitz, im Augusta-Viktoria-Gymnasium in Posen und Schulpforta bei Naumburg bestand Hornung im Sommer 1918 die Notreifeprüfung und trat als Fahnenjunker bei der Nachrichten-Ersatz-Abteilung 3 in Frankfurt an der Oder ein. Vom Heeresdienst als Unteroffizier entlassen, begann er an der Universität Halle ein Medizinstudium und bestand im Sommer 1921 an der Universität Freiburg die ärztliche Vorprüfung. Die ärztliche Prüfung legte er am 23. Juni 1924 in Leipzig ab, nachdem er dort – und zuvor für ein Semester in München – sein Medizinstudium fortgesetzt hatte. Seine Promotion zum Dr. med. erhielt er 1925 (unter Richard Kockel) im Institut für gerichtliche Medizin der Universität Leipzig mit einer Dissertation über „Die forensische Bedeutung des Hellsehens und der Gedankenübertragung“.[3] Mit dieser Arbeit bemühte er sich die Parapsychologie zu widerlegen, die sich damals als Wissenschaft zu profilieren suchte u. a. über die Kriminaltelepathie.[4] Als Stabsarzt der 5. Württembergischen Sanitätsabteilung an das Hygiene-Institut der Universität Freiburg kommandiert,[5] berichtete er 1935 über eine Typhus-Epidemie im Schwarzwald, die durch eine Verunreinigung von Trinkwasser mit Fäkalien hervorgerufen worden war und über „Zephirol, ein neues Desinfektionsmittel.“[6][7] Die „Desinfektionsmittelfrage“ beschäftigte ihn auch 1939 noch, als er als Oberstabsarzt beim Wehrkreisarzt X, Hamburg, tätig war.[8] Die hygienische Untersuchungsstelle des Wehrkreises X, deren Gebiet Norddeutschland von Emden bis Lübeck und von Flensburg bis zum Steinhuder Meer umfasste, hatte bis 1940 bei über 100.000 Soldaten die Blutgruppen bestimmt um die „Beziehung der Blutgruppen zu rassischen Merkmalen“ zu eruieren.[9] Aus der Hygienischen Untersuchungsstelle der Wehrmacht für das Protektorat Böhmen und Mähren berichtete Oberstabsarzt Hornung 1940 über Fälle von Buday-Sepsis, bei der der Erreger nur schwer nachweisbar ist.[10] Sein Verhalten in Prag[11] wurde später als „von Kollegialität geprägt“ beschrieben und er selbst als „kultivierter Mensch“ empfunden, der z. B. Smetana schätzte.[12] Im Januar 1945 fasste er Berichte über die „Gesundheitsfürsorge durch die deutsche Wehrmacht für die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten“ (Niederlande, Belgien, Frankreich, Balkan, Griechenland, Italien, Sowjetrussland) zusammen.[13] Hier beschrieb er fast idyllische Verhältnisse, die aufgrund des hohen ethischen Stands des deutschen Arztes, seinen Forscherdrang und Organisationsgabe zustande kamen, sowie durch dessen Bereitschaft „in selbstlosester Weise sein ärztliches Können auch den Fremdvölkern zur Verfügung zu stellen.“ Überall seien mit begeistertem Einsatz Impfungen (Tuberkulose, Masern, Typhus etc.) durchgeführt, die Versorgung mit hygienisch einwandfreiem Wasser sichergestellt und Medikamente wie Impfseren großzügig aus dem Reich geliefert worden. Die „ungeheuer segensreichen“ Tätigkeiten des deutschen Sanitätsoffiziers seien von „garnicht zu ermessendem Segen für Europa, ja für die ganze Menschheit gewesen.“ Nach Ende des Zweiten Weltkriegs interessierte sich Hornung für die Gesundheitspolitik in den USA und präsentierte in einem Beitrag kommentarlos Standpunkte in der dortigen Diskussion über eine Einführung der Sozialversicherung.[14]
Ab Wintersemester 1945 war Hornung an der Universität Marburg als außerplanmäßiger Professor für Öffentliches Gesundheitswesen sowie für Apotheken- und Arzneimittelgesetzeskunde beschäftigt. Gleichzeitig war er Medizinaldezernent beim Regierungspräsidenten in Kassel.[15] In dieser Position bezog er aktiv zu zwei sehr kontrovers diskutierten Themen Stellung: die BCG-Impfung zum Schutz vor Tuberkulose und die Fluoridierung von Trinkwasser zur Prophylaxe der Zahnkaries. Im Juli 1960 trat Hornung vorzeitig „aus Gesundheitsrücksichten im Alter von 60 Jahren in den Ruhestand.“[16] Verheiratet war er mit Margarete (1898–1988), geb. Gievers, mit der er vier Kinder hatte.[1]
BCG Schutzimpfung in Kurhessen
Im Jahr 1948 wurde im Regierungsbezirk Kassel (Kurhessen), der in 18 Stadt- bzw. Landkreisen insgesamt 1.260.000 Einwohner hatte, mit Hilfe des Dänischen Roten Kreuzes eine BCG-Schutzimpfung der Schulkinder zur Tuberkulose-Bekämpfung durchgeführt. Die bei den Aufklärungskampagnen gewonnenen praktischen Erfahrungen stellte Hornung 1950 zusammen.[17] Laut seinem Bericht war die Impfung freiwillig und von der Medizinalabteilung des hessischen Innenministeriums in die Wege geleitet worden. Unter Beteiligung eines „dänischen Komitees mit großen Erfahrungen“ wurden zunächst Amtsärzte und Lungenfachärzte in Vorträgen und Versammlungen über die Grundlagen aufgeklärt und dabei „eine Reihe von Experten gewonnen“, die in weiteren Versammlungen Ärzte, Lehrer und zuletzt Eltern zu informieren suchten. Dass die Beteiligung der Bevölkerung an der Impfung in den einzelnen Kreisen am Ende sehr unterschiedlich war, führte Hornung auf Widerstand aus „Laienkreisen“ und „auch von einzelnen Ärzten“ zurück, deren Argumente gegen die Schutzimpfung „im Grunde genommen meist dieselben waren.“ Anhand einiger Beispiele erläuterte er in seinem Bericht, mit „welchen Schwierigkeiten zu kämpfen war, um die Schutzimpfung durchzudrücken“ (so der Original-Wortlaut!). So sei von den Impfgegnern der „nicht erwiesene Nutzen“ angeführt worden, ferner das Argument, dass Erfolge und Verträglichkeit bei der unterernährten deutschen Bevölkerung nicht wie bei den Aktionen im Ausland erwartet werden könnten und es sei auch auf das Lübecker Impfunglück verwiesen worden. Nach dem Hinweis, dass sich selbstverständlich „auch die Naturapostel meldeten“, scheint es Hornung zweckmäßig, „dieses Laiengewäsch niedriger zu hängen, damit man die Lehre aus diesen Vorkommnissen ziehen kann, dass unsere Gesundheitsführung daran krankt, dass wir in Deutschland viel zu wenig für Aufklärung in gesundheitlichen Fragen getan haben. Die Gesundheitserziehung des Volkes muss bereits in der Schule so intensiv erfolgen, dass derartige Propheten von vornherein von der Bevölkerung ausgelacht werden. Es müsste uns hierzu der Amerikaner mit seinem intensiven 'Public Health Education' Programm als Vorbild dienen.“ Im Verlauf von einem Jahr nach der Impfung seien sechs von 52.000 geimpften Kindern an Tuberkulose erkrankt, was nach Hornung nicht unbedingt etwas mit der Impfung zu tun habe. In diesem Zusammenhang seien Einwände gegen die Aussagekraft der Tuberkulinproben bei der Voruntersuchung praktisch „ohne Bedeutung, wie die verschwindend geringe Zahl von Erkrankten bei 50.000 Geimpften beweist.“
Weblinks
- Literatur von und über Heinrich Hornung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Hornung, Heinrich Kurt Felix August Ernst. Hessische Biografie. (Stand: 15. April 2021). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
Einzelnachweise
- Wer ist wer? 12. Ausgabe von Degeners Wer ist's? Berlin 1955, 611
- H. Hornung: Apotheken- und Arzneimittelgesetzeskunde mit geschichtlicher Rückschau. Vorlesungen gehalten an der Philipps-Universität Marburg. Deutscher Apotheker-Verlag, Stuttgart 1955, S. 20.
- H. Hornung: Die forensische Bedeutung des Hellsehens und der Gedankenübertragung. Inaug.-Diss., Leipzig 1925; diese Arbeit wurde im Archiv für Kriminologie 76:Nr. 4 (Feb. 1925) S. 247 abgedruckt.
- Heather Wolffram: Crime, Clairvoyance and the Weimar Police. J. Contemp. History 44:Nr. 4 (Oct. 2009) 581
- M. Honecker: Vorlesungsverzeichnis für das Sommerhalbjahr 1935 nebst Personenverzeichnis und Zahlung der Studierenden vom Winterhalbjahr 1934/35. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, S. 60.
- H. Hornung: Eine Trinkwasser-Typhusepidemie im Schwarzwald. Arch. Hyg. Bakteriol. 113 (1935) 158
- H. Hornung: Zephirol, ein neues Desinfektionsmittel. Z. f. Immunitätsforsch. 84:Nr. 2/3 (1935) 119
- H. Hornung: Zur Desinfektionsmittelfrage. Münch. Med. Wschr. 66:Nr. 32 (Aug. 1939) S. 1230.
- H. Hornung: Über die Beziehung der Blutgruppen zu rassischen Merkmalen. Münch. Med. Wschr. 87:Nr. 5 (1940) 125
- H. Hornung: Zur Kenntnis unklarer Sepsisfälle (Bacillus Buday-Sepsis). Die Med. Welt 14 (1940) 1278
- Unter den "Personalakten aus der Verwaltung des Kurators der deutschen wissenschaftlichen Hochschulen in Prag", unter denen sich zahlreiche Personalakten des Lehrkörpers und der Verwaltungsbediensteten der Deutschen Karls-Universität befinden, gibt es im Deutschen Bundesarchiv auch eine Akte „Heinrich Hornung“, Laufzeit 1944, R31/389
- Monika Glettler, Alena Mísková: Prager Professoren 1938–1948. Zwischen Wissenschaft und Politik. Klartext Verlag, Essen, 2001, S. 595.
- H. Hornung: Gesundheitsfürsorge durch die deutsche Wehrmacht für die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten. Auf Grund von Berichten und Aktenunterlagen zusammengestellt von Oberstabsarzt Dozent Dr. med. habil. Heinrich Hornung, Hygieniker beim Heeresarzt. Januar 1945. Sanitätsakademie der Bundeswehr, Fachinformationsstelle und virtuelle Bibliothek. München.
- Heinrich Hornung: USA und die Sozialversicherung. Amerikanische Argumente im Widerstreit. Der öffentl. Gesundheitsdienst 11:Nr. 6 (Sept. 1949) 219
- Prof. Dr. med. Hornung wird heute 80. Hessische Allgemeine, Sa. 26. Januar 1980 (mit Bild).
- Kleine Meldungen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, vom 14. Juni 1960, S. 4.
- H. Hornung: Die BCG-Schutzimpfung in Kurhessen. Zeitschr. f. Immunitätsforsch. 107 (1950) 126