Halim Dener
Halim Dener (* 23. Dezember 1977 im Landkreis Genç, Bingöl, Türkei[1]; † 29. Juni 1994 in Hannover am Steintor) war ein Flüchtling und Aktivist kurdischer Herkunft. Bekannt wurde er durch die Umstände seines Todes.
Leben
Halim Dener wuchs in der nordwestkurdischen Provinz Bingöl im Osten der Türkei auf. Da er und seine Familie kurdischer Abstammung waren, wurden sie und andere kurdische Bewohner oft vom türkischen Militär heimgesucht. Vermutlich aus diesem Hintergrund stellte er Anfang Mai 1994 einen Asylantrag für Deutschland. Der Asylantrag wurde von ihm allerdings unter dem falschen Namen Ayhan Eser gestellt, um, wie später plausibel wurde, seine Familie nicht zu gefährden, die damals im noch bis Juni 1994 bestehenden Dorf Parcuk lebte, das durch das türkische Militär gebrandschatzt wurde. Dener soll vor seiner Ausreise in einem türkischen Gefängnis gefoltert worden sein. Mit 16 Jahren kam er dann als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Neustadt am Rübenberge. Dort wurde er politisch aktiv und setzte sich gegen die Kurdenverfolgung sowie das 1993 erlassene PKK-Verbot ein.
Umstände um seinen Tod
Am späten Abend des 30. Juni 1994, einem Donnerstagabend, befanden sich Dener und andere Kurden am Steintorplatz, um dort Plakate der PKK-Untergrundorganisation Eniya Rizgariya Neteweyî ya Kurdistanê(ERNK) zu kleben. Circa 20 Minuten vor Mitternacht, die Nacht zum 01. Juli,[2] wurden Polizisten auf die jungen Männer aufmerksam. Im weiteren Verlauf soll es zu Handgreiflichkeiten gekommen sein – bis hin zur Erschießung Deners durch einen Zivilpolizisten.
Der Tod Halim Deners löste Proteste und Sachbeschädigungen aus. Es wurden im Juli 1994 Polizeiwachen und -fahrzeuge angegriffen, um gegen den vermeintlichen Mord zu demonstrieren. Am 10. Juli fand eine Trauerkundgebung mit 16.000 Teilnehmern statt, bei der der ehemalige Oberbürgermeister Herbert Schmalstieg eine Rede hielt. Oberstaatsanwalt Nikolaus Borchers nahm Ermittlungen zum Fall auf und konnte 16 Aussagen sammeln. Jedoch sollen diese Aussagen miteinander widersprüchlich gewesen sein, was die Aufklärung des Falles erschwert habe. Am 8. Mai 1996 begann vor dem Oberlandesgericht Celle die Verhandlung gegen den Polizisten Klaus T. (* 1965 oder 1966) wegen fahrlässiger Tötung. Die Eltern von Halim Dener wollten als Nebenkläger auftreten, allerdings wurde seitens der türkischen Regierung ein Ausreisevisum ohne weitere Angabe von Gründen verweigert. Am 27. Juni 1997 wurde Klaus T. freigesprochen, weil Indizien für eine Fahrlässigkeit nicht gegeben waren. Der Schuss aus der Dienstwaffe, eine Smith & Wesson Kaliber 38, soll sich versehentlich gelöst haben, da Klaus T. im Wirren des Einsatzes unvorsichtig gehandelt habe. Zudem stand T. nach jener Nacht im Juni unter Polizeischutz, da Kurden gedroht hatten, ihn zu töten.
Demonstrationen rund um Halim Dener
Auch mehr als 20 Jahre nach seinem Tod wird Halim Dener zum Märtyrer im kurdischen Befreiungskampf stilisiert. Am 21. Juni 2014 fand am Steintor bis hin zum Klagesmarkt eine Gedenkdemo zum 20. Todestag von Halim Dener statt, an der zirka 550 Demonstranten teilnahmen. Die Demo verlief friedlich, es wurden jedoch verbotene Flaggen und Symbole der PKK gezeigt.[3] Am 30. Juni 2016 fand erneut eine Demonstration zum diesmal 22. Todestag von Halim Dener statt, bei der 200 Kurden anwesend waren. Die Demo, die erneut am Steintor stattfand, verlief friedlich.[4]
Diskussion um Mahnmal
Seit Jahren gibt es Diskussionen, ob für Halim Dener ein Mahnmal errichtet werden soll. Bisher wurde das abgelehnt, aus Besorgnis um mögliche Unruhen. Im März 2016, beim Newroz, dem kurdischen Neujahrsfest, hatten Unbekannte unbemerkt bei einer Zwischenkundgebung eine Gehwegplatte entfernt und eigenmächtig eine Gedenktafel eingelassen, auf der „Halim Dener, am 30. Juni 1994 von der Polizei ermordet“ eingraviert war. Die Stadt ließ die Tafel nur wenige Tage später wieder entfernen.[5]
Mehrere Initiativen des Bezirksrats Linden-Limmer und von Gedenkgruppen und Bürgern, der Tat angemessen zu gedenken, unter anderem auch durch die Umbenennung einer Grünfläche in Halim-Dener-Platz, sind bisher an der Stadtverwaltung Hannover gescheitert.[6]
In Bielefeld befindet sich an der Außenwand des Arbeiterjugendzentrums ein Graffiti, das Halim Dener darstellen soll.[7]
Weblinks
- Rückblick: Der Fall Halim Dener (Hannoversche Allgemeine)
- Kampagne Halim Dener
Literatur
- Halim Dener - Gefoltert. Geflüchtet. Verboten Erschossen. Verlag gegen den Strom, 2020. ISBN 3-9809970-0-6
Einzelnachweise
- Halim Dener. Abgerufen am 8. März 2019.
- Polizei: Richtig zugepackt. In: Der Spiegel. Band 28, 11. Juli 1994 (spiegel.de [abgerufen am 8. März 2019]).
- Gedenkdemo endet friedlich. Abgerufen am 8. März 2019.
- Mehr als 200 Kurden gedenken Halim Dener. In: Hannoversche Allgemeine. Abgerufen am 1. Juni 2021.
- Mehr als 200 Kurden gedenken Halim Dener. In: Hannoversche Allgemeine. Abgerufen am 1. Juni 2021.
- Nadine Conti: Polizeiopfer in Hannover: Kein Gedenkort für Halim Dener. In: die tageszeitung. Abgerufen am 29. Juni 2021.
- Andreas Schnadwinkel: AJZ-Vorstand ohne Strafe. In: Westfalenblatt. Abgerufen am 1. Juni 2021.