Hafen-Kooperation Offshore-Häfen Nordsee SH
Die Hafen-Kooperation Offshore-Häfen Nordsee SH war eine 2010 von neun schleswig-holsteinischen Häfen vereinbarte Kooperation, um die Windkraftanlagen im der Küste vorgelagerten Bereich der Nordsee und damit den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Zuge der Energiewende zu unterstützen.
Die Kooperation
Die Hafenstandorte an der Schleswig-Holsteinischen Nordseeküste Büsum, Brunsbüttel, Dagebüll, Helgoland, Husum, Rendsburg-Osterrönfeld, Wyk auf Föhr sowie die Sylter Häfen Hörnum und List auf Sylt haben Mitte 2010 eine enge Zusammenarbeit mit dem Schwerpunkt „Offshore-Windpark-Logistik“ vereinbart. Mit dieser Kooperation werden die angeblichen Potentiale des Bundeslandes Schleswig-Holstein mit seinen Hafenstandorten für die Windparks in der Nordsee gebündelt. Unterstützt wird die Initiative von den Stadt- und Kreisverwaltungen, Wirtschaftsunternehmen, Wirtschaftsförderungen, IHK zu Flensburg und zu Kiel, Windenergieanlagen-Herstellern, der Netzwerkagentur windcomm schleswig-holstein e.v. und dem Maritimen Cluster (Geschäftsstelle Norddeutschland).
Die Kooperation dient der Vernetzung der Hafenstandorte mit dem Schwerpunkt „Produktions-, Logistik- und Serivehäfen für Offshore-Windparks“. Durch die Zusammenarbeit soll den Kunden und Vertretern der Branche sowie öffentlichen Vertretern das Potential der Nordseehäfen in Schleswig-Holstein aufgezeigt werden.
Allgemeiner Hintergrund
Offshore-Windparks – Sinn und Nutzen
Steigende Kosten für fossile Rohstoffe und ein Wandel des Umweltbewusstseins innerhalb der Gesellschaft haben die Nachfrage nach regenerativen Energien stark vorangetrieben. Im Jahr 2011 wurden bereits 20,04 % des bundesweiten Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien (Windenergie, Wasserkraft, Biomasse, Photovoltaik und Geothermie) bereitgestellt.[1] Eine EU-Richtlinie schreibt vor, dass bis zum Jahr 2020 insgesamt mindestens 20 % der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien erfolgen soll, Deutschland hat sich höhere Ziele auferlegt. Einen wesentlichen Anteil daran hat die Windenergie. Ende 2011 waren in Deutschland 22.297 Windenergieanlagen mit einer elektrischen Leistung von 29.075 Megawatt (MW) installiert.[2]
Die bisher installierten Anlagen stehen hauptsächlich auf dem Land. Durch die Errichtung der Windkraftanlagen auf offener See ergeben sich Vorteile. Zum einen ist auf dem Meer eine großflächige, konzentrierte Errichtung von Windparks gegenüber Standorten an Land möglich, ebenso wie die Aufstellung von großen und sehr leistungsstarken Windenergieanlagen (WEA), die an Land kaum noch zu transportieren sind. Der zweite wesentliche Vorteil ist die höhere Windeffizienz. Auf offener See sind konstantere Windbedingungen sowie höhere Windgeschwindigkeiten gegeben, wodurch eine bessere Auslastung sowie eine höhere Stromgewinnung möglich ist. Allerdings ist der Bau von Offshore-Windenergieanlagen sowie deren Infrastruktur, vor allem des Netzanschlusses, deutlich teurer als der Bau von Windkraftanlagen an Land. Zudem gestaltet sich die Wartung sowie eine eventuelle Reparatur schwieriger, da die Anlagen bei widrigen Wetterbedingungen zum Teil nicht erreicht werden können. Als erster deutscher Offshore-Windpark wurde alpha ventus am 27. März 2010 45 Kilometer nördlich der Insel Borkum eröffnet. Neben der Hauptfunktion „Stromgewinnung“ liefert er auch wichtige Erkenntnisse für spätere Windparks auf See (RAVE).
Offshore-Windpark – Studien und Planungen
Bis zum Jahr 2015 sollen ca. 3,6 GW installierte Leistung in den Betrieb gehen. Das entspricht ca. 20 % der gesamten Offshore-Windparks weltweit. In der deutschen AWZ der Nordsee sind derzeit 26 Offshore-Windparks mit über 1800 Windenergieanlagen genehmigt. Die meisten Projekte sollen voraussichtlich bis zum Jahr 2020 realisiert werden.
Vor der Nordseeküste Schleswig-Holsteins sind sieben Offshore-Windparks mit 735 Windenergieanlagen in der ersten Baustufe genehmigt und z. T. in Bau. Weitere vier Parks mit zusätzlichen 219 Anlagen sind im Genehmigungsverfahren. Die damit verbundenen Investitionen in Infrastruktur und Technik werden über 1 Mrd. Euro pro errichtetem Windpark betragen. Zusätzlich sind erhebliche Wertschöpfungseffekte durch den Betrieb der Windparks zu erwarten, insbesondere im Zuge von Service- und Wartungsaktivitäten. Bis 2020 sollen im gesamten Nordseeraum mehr als 7800 Anlagen errichtet werden. Hinzu kommen weitere Projekte in der Ostsee und in der Irischen See, so dass die insgesamt 132 geplanten Projekte ein Installationsvolumen von über 9500 Windenergieanlagen aufweisen werden. Die Hälfte der Projekte wird mit 5-MW-Turbinen bzw. mit größeren Anlagen gebaut. Für die übrigen Vorhaben sind Anlagen mit einer Leistung von 3–4 MW vorgesehen.
Die hierdurch entstehenden Nachfragen haben Auswirkungen insbesondere auf die Hafeninfrastrukturen an den Produktions- und Endmontage-Standorten der Offshore-Industrie, die für die Errichtung der Windparks in Betracht kommen. Kaianlagen, Montage- und Lagerflächen müssen den hohen Anforderungen der Industrie nach Flächengrößen, Gewichten und Ausrüstung genügen.
Das Branchennetzwerk der schleswig-holsteinischen Windenergiewirtschaft wind-comm schleswig-holstein hat vor diesem Hintergrund eine Offshore-Strategie erarbeitet. Analysiert wurde dabei die gesamte Wertschöpfungskette der Offshore-Windkraftindustrie, mit dem Ziel, die Bereiche zu identifizieren, in denen nach aktuellem Stand eine erfolgreiche Positionierung des Landes möglich und realistisch ist. In welchen Segmenten der Wertschöpfungskette noch Chancen für eine Etablierung des Landes bestehen, welche einzelnen Standortpotenziale in den Regionen vorhanden sind und welche Maßnahmen dafür entsprechend umzusetzen sind, bilden dabei die wesentlichen Inhalte. Im Folgenden werden die grundlegenden Ergebnisse der Offshore-Strategie näher erläutert.
Handlungsfelder
Auf dieser Grundlage wurden im Offshore-Konzept verschiedene Handlungsfelder identifiziert, die für Schleswig-Holstein erfolgversprechend sein können, um damit einhergehend zusätzliche Wertschöpfung und Arbeitsplätze in die Region zu lenken. Als wesentliche übergeordnete Handlungsfelder, für die eine Positionierung Schleswig-Holsteins mit Bezug zu Hafenstandorten möglich ist, konnten die Bereiche Offshore-Assembling, Großkomponentenfertigung und Service/Wartung identifiziert werden. Im Einzelnen bedeutet dies, dass im Rahmen der Errichtung der Offshore-Windparks in der Nordsee ein noch nicht gesättigter Bedarf an Lager-, Montage- und Umschlagflächen für Windkraftanlagen und deren Komponenten besteht. Pro Windpark mit durchschnittlich 80 WEA ergibt ein entsprechender Flächenbedarf von rd. 15 ha. Darüber hinaus konnte das Erfordernis zusätzlicher Produktionsflächen für die Offshore-WEA-Großkomponenten Fundamente und Türme analysiert werden. Die entsprechend vorhandenen Produktionskapazitäten für diese Komponenten reichen bei weitem nicht aus, den bis 2020 zu erwartenden Bedarf zu decken. Hier ergeben sich demnach Möglichkeiten für eine erfolgreiche Bewerbung der schleswig-holsteinischen Häfen. Langfristig wirkende Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte könnten sich des Weiteren für viele Nordseehäfen aus dem Service- und Wartungsbereich für die Offshore-Windkraft ergeben. Hier bestehen erhebliche Bedarfe für die Etablierung von Reaktions- und Versorgungshäfen, insbesondere für die der schleswig-holsteinischen Nordseeküste vorgelagerten Projekte.
Nordseeküste Schleswig-Holstein
Sieben Windparks mit 735 Windenergieanlagen sind in der ersten Baustufe vor der Nordseeküste Schleswig-Holsteins genehmigt und z. T. bereits in Bau, 219 Anlagen in weiteren vier Parks befinden sich im Genehmigungsverfahren. Bei den Gesamtkosten der Infrastruktur und Technik werden in diese elf Windparks rund 11 Mrd. Euro investiert.
Funktionen der Häfen in der Offshore-Logistik
Eine fein abgestimmte logistische Kette ist erforderlich, um die Installation, den Betrieb und die Wartung der Offshore-Windparks durchzuführen. Als wichtiges Glied müssen sich auch die Seehäfen auf die zukünftigen Aufgaben einstellen und verschiedene Funktionen erfüllen:
Hafen für Assembling und Großkomponentenfertigung (Basis-/Installationshafen)
Schwerlastfähige Hafenanlage mit ausreichender Wassertiefe und mit genügend Freifläche zur Pufferung und Vorinstallation der WEA-Komponenten ist erforderlich. Von diesem Standort wird der Aufbau und die Installation von Offshore-Windparks durchgeführt.
Derzeit erfüllen die Hafenstandorte Brunsbüttel und Rendsburg-Osterrönfeld diese Voraussetzungen.
Reaktionshafen (Servicehafen)
Die Reaktionshäfen zeichnen sich durch eine geringe Entfernung zu den Windparks aus und sind Ausgangspunkt für spontane und kurzfristige Reparaturen. An den Reaktionshäfen werden Betriebsmittel, Werkzeuge und kleinere Komponenten vorgehalten. Außerdem bestehen Möglichkeiten der Lagerung und Verschiffung von großen Offshore-Komponenten (z. B. Rotorblätter, „Gondeln“). Beispielsweise dient der Hafen Norddeich als Reaktionspunkt für das Testfeld alpha-ventus.
Im Rahmen der Kooperation übernehmen die Hafenstandorte Büsum, Dagebüll, Husum und Brunsbüttel diese Funktion.
Versorgungshafen (Servicehafen)
Versorgungshäfen dienen der Versorgung der Reaktionspunkte und teilweise auch der Windparks selbst (wenn Entfernung und Seebedingungen dieses zulassen). Es handelt sich dabei im Wesentlichen um regelmäßige und geplante Transporte. Zumeist werden als Versorgungsstandorte Häfen an der Festlandküste in Frage kommen. An den Versorgungshäfen werden ausreichend Betriebsmittel, Werkzeuge, kleinere und mittelgroßer Komponenten gelagert. Außerdem bestehen Möglichkeiten der Lagerung und Verschiffung von großen Offshore-Komponenten (z. B. Rotorblätter, Gondeln). Zusätzlich sind Kapazitäten für Personen-, Büro- und Sozialräume notwendig.
Die Hafenstandorte Helgoland, Hörnum, List und Wyk auf Föhr erfüllen diese Voraussetzungen.
Positionierung der Nordseehäfen in Schleswig-Holstein
In dem wertschöpfungsintensiven Feld von Offshore-Assembling und Fertigung größerer Komponenten, wie Fundamente und Türme, bestehen noch Möglichkeiten für die Ansiedlung entsprechender Unternehmen. Im schleswig-holsteinischen Nordseebereich bietet sich hierfür der Standort Brunsbüttel in besonderem Maße an, da er die vorgenannten Anforderungskriterien weitestgehend erfüllen kann. Ergänzend dazu steht das Angebot des Hafens Rendsburg-Osterrönfeld zur Verfügung. Dieser Standort eignet sich beispielsweise für die Produktion von Turmsegmenten für Offshore- aber auch Onshore-Windkraftanlagen.
Chancen für wesentliche und langfristige Beschäftigungseffekte durch Betreiber von Offshore-Windparks und Hersteller von Anlagen bestehen für Schleswig-Holstein zudem im Service- und Wartungsbereich für die Offshore-Windparks. In diesem Zusammenhang sind die an der Nordseeküste gelegenen kleinen und mittleren Häfen von besonderer Bedeutung. Sie eignen sich mit ihren Möglichkeiten für die Funktionen Reaktions- und/oder Versorgungshafen der Offshore-Windparks. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Insel Helgoland ein, insbesondere als Reaktionspunkt für die nahe gelegenen Offshore-Windparks. Aber auch die übrigen Häfen, wie Husum, Büsum und Dagebüll als Versorgungshäfen sowie Hörnum, List und Wyk auf den nordfriesischen Inseln als Reaktionshäfen sind aufgrund ihres Potenzials von Bedeutung.
Vernetzung der Hafenstandorte
Nachfolgend werden drei Beispiele erläutert, wie die Hafenstandorte untereinander vernetzt werden können und welche Aufgabe dabei die Hafenstandorte übernehmen. Diese aber auch andere Vernetzungsszenarien sind möglich. Inwiefern die Häfen letztendlich zusammenwirken ist von den jeweiligen Kundenanforderungen abhängig.
Brunsbüttel / Büsum / Husum / Helgoland
Die Vernetzung der Hafenstandorte Brunsbüttel, Büsum, Husum und Helgoland ist eine Möglichkeit für die Installation, sowie dauerhafte Versorgung und Wartung der Offshore-Windparks im „Helgoland-Cluster“. Zur Installation sind schwerlastfähige Tiefwasserhäfen mit hafennahen Puffer- und Installationsflächen nötig. In Brunsbüttel sind die Möglichkeiten dafür geschaffen. Auch können hier Jack-up-Plattformen aufjacken. Von Brunsbüttel aus sind die Offshore-Windparks direkt und schnell zu erreichen.
Die Häfen Brunsbüttel, Büsum und Husum können darüber hinaus als Versorgungshafen für den Reaktionspunkt Helgoland genutzt werden. Büsum kann dabei auf eine RoRo-Rampe zurückgreifen, wodurch auch Fahrzeuge und Arbeitsgeräte verschifft werden können. Helgoland bietet mit seiner strategisch günstigen Lage kurze Anfahrtswege zu den Offshore-Windparks um als Reaktionspunkt zu fungieren. Da Helgoland ein Inselstandort ist, sind flexible Versorgungshäfen nötig. Mit Brunsbüttel, Büsum und Husum sind drei schnell zu erreichende Versorgungshäfen an der Küste Schleswig-Holsteins gelegen.
Dagebüll / Husum / Hörnum / List
Die Vernetzung der Häfen Dagebüll, Husum, Hörnum und List bietet optimale Voraussetzungen zur dauerhaften Versorgung und Wartung der Offshore-Windparks im „Sylt-Cluster“. Die Häfen Dagebüll und Husum fungieren hierbei als Versorgungshafen für die Reaktionshäfen Hörnum und List. Regelmäßige Verschiffungen von Ersatzteilen, Personal und Werkzeugen von Dagebüll und Husum zu den Reaktionshäfen sollen eine konstante und ausreichende Versorgung gewähren. Durch die zur Küste vorgelagerte Position der Häfen Hörnum und List können kurze Anfahrtswege zu den Offshore-Windparks zur Versorgung und Wartung geboten werden.
Brunsbüttel / Rendsburg-Osterrönfeld
Mit den Häfen Brunsbüttel und Rendsburg-Osterrönfeld sind gleich zwei schwerlastfähige Hafenstandorte innerhalb der Kooperation verfügbar. Über den Rendsburg Port können die Komponenten der Windkraftanlagen schon weit im Landesinneren auf den Verkehrsträger Schiff verladen werden. Weite Anfahrtswege über Land zu einem Seehafen entfallen. Zusätzlich sind am Hafen Rendsburg-Osterrönfeld ca. 80 ha frei verfügbare Gewerbefläche vorhanden. In Verbindung mit dem Schwerlasthafen bieten sich dort gute Voraussetzungen um einen Produktionsstandort für Windkraftanlagen zu errichten. Durch eine eingerichtete Shuttleverbindung über den Nord-Ostsee-Kanal bis nach Brunsbüttel könnten die Komponenten dort gesammelt und auf ein Errichterschiff verladen werden. Der Standort Brunsbüttel nimmt dadurch eine Hubfunktion ein.
Literatur
- Nordseehäfen präsentieren Hafenkonzept. In: Schiff & Hafen, Heft 2/2011, S. 44.
- Aktuelle Projekte des Maritimen Clusters Norddeutschland. In: Schiff & Hafen, Heft 9/2012, S. 58
Weblinks
- Pressemitteilung der Landesregierung Schleswig-Holstein, aufgerufen am 20. Dezember 2010
- Pressemitteilung des Gesamtverbandes Schleswig-Holsteinischer Häfen e.V., aufgerufen am 20. Dezember 2010
- Zeitungsartikel Hamburger Morgenpost vom 5. Dezember 2006, aufgerufen am 20. Dezember 2010
- Interaktive Windparkkarte
Einzelnachweise
- Erneuerbare Energien 2011 (Memento des Originals vom 5. Mai 2012 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 946 kB). Bundesumweltministerium, abgerufen am 21. April 2012.
- Status der Windenergienutzung in Deutschland 2011 (Memento des Originals vom 12. November 2013 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (PDF; 2,4 MB). Bundesverband Windenergie, abgerufen am 21. April 2012.