Guarino da Verona
Guarino da Verona (auch Guarino Veronese, Guarino Guarini; * 1374 in Verona; † 4. Dezember 1460 in Ferrara) war ein Gelehrter und Humanist der italienischen Renaissance.
Zeitliche Einordnung
Im Jahre 1374 kauft der florentinische Staatskanzler Coluccio Salutati (1331–1406) Teile von Francesco Petrarcas (1304–1374) Bibliothek (der damals größten Privatbibliothek Europas) und übernimmt auch die Führung beim Sammeln alter Handschriften und der Wiederbelebung der griechischen Sprache. 1375 Kanzler von Florenz geworden, beginnt Salutati mit der Reformation der Florentiner Schulen.
Das Renaissance-Interesse an der Antike erstreckt sich zunehmend auch auf die griechische Kultur. Nicht zuletzt die theologischen Unionskontakte der katholischen Kirche mit der griechisch-orthodoxen Kirche führen viele Lehrer der griechischen Sprache und Literatur nach Italien, darunter 1397 als erster der griechische Gelehrte Manuel Chrysoloras (1353–1415) aus Konstantinopel. Nach seiner Ankunft in Italien wirkt er als Griechisch-Lehrer, zuerst in Verona, danach in Venedig und Florenz.
Etwa zur gleichen Zeit holt der florentinische Staatsmann Salutati zur Unterstützung bei der Büchersammlung und -übersetzung Guarino und Niccolò Niccoli (1363–1437), die beide bei Johannes von Ravenna (1356–1417) studierten, nach Florenz.
Leben
Nach seiner frühen Jugend in Verona studiert Guarino Griechisch in Konstantinopel. 1403 ist Guarino, zusammen mit Giovanni Aurispa und Francesco Filelfo, einer der ersten Italiener, die nach Konstantinopel gehen. Dort studiert er fünf Jahre Griechisch an der Schule von Manuel Chrysoloras, den er zuvor in Italien kennengelernt hat. Er bringt 50 Manuskripte mit zurück, bzw. die drei kommen mit mehreren hundert Codices zurück: Geschichtsschreiber, Kirchenväter, Dichter, Philosophen. So erreichen Werke von Demosthenes, Lukian, Cassius Dio, Xenophon, Strabon, Diodor, Platon und den Platonikern Italien. Eine populäre Anekdote der Humanisten berichtet, Guarino habe sich über den Verlust eines einzigen der Manuskripte (das mit einem anderen Schiff unterging) derart gegrämt, dass seine Haare über Nacht grau geworden seien.
Guarino übersetzt den ganzen Strabon aus dem Griechischen (wofür er 1000 Scudi erhält), etwa 15 von Plutarchs Heldenleben sowie einige Werke von Lukian und Isokrates. Er verfasst außerdem eine lateinische Elementargrammatik.
Den Rest seines Lebens lehrt er in Verona, Florenz, Venedig und Ferrara Griechisch und Geschichte.
1427 findet Guarino das verlorengegangene Werk des Celsus wieder. 1429 wird er von Niccolò III. d’Este zur Prinzenerziehung seines Sohnes Leonello nach Ferrara berufen. In Ferrara unterhält er (auch?) eine Privatschule. 1434 wird sein jüngster Sohn Battista Guarino geboren. 1436 wird er durch die Förderung durch Leonello d’Este als Griechisch-Professor an die Universität Ferrara berufen. Ab 1438 wirkt er außerdem als Übersetzer für die griechischsprachigen Teilnehmer des Konzils von Basel/Ferrara/Florenz. Etwa zur gleichen Zeit beginnt Peter Luder bei Guarino seine humanistischen Studien. Die von ihm und Vittorino da Feltre in Mantua (1425) gegründeten Schulen beeinflussen insbesondere durch ihre Wertschätzung der griechischen Sprache und Kultur die Pädagogik und dienen bis ins 18. Jahrhundert als Schulmodell, das über Gründung der Lateinschule hinüber führte zum Humanistischen Gymnasium neuzeitlicher Prägung.
Bedeutung
Neben seiner überragenden Rolle als Fürsprecher und Lehrer der griechischen Sprache innerhalb der studia humaniora liegt Guarinos Bedeutung auch in seinen Übersetzungen Strabons begründet, dessen gesamtes Werk er (ins damalige Latein und Italienische) übersetzte. Außerdem übersetzte er noch einige der Bíoi parálleloi („Parallele Lebensbeschreibungen“) Plutarchs und verfasste ein Kompendium über die griechische Grammatik des Chrysoloras; schließlich schrieb er auch eine Reihe von kommentierenden Aufsätzen zu Persius, Martial, den Satiren des Juvenal und einigen Schriften des Aristoteles und Ciceros.
Editionen
- Remigio Sabbadini (Hrsg.): Epistolario. 3 Bände. 1915–19 (Nachdruck 1967).
- Carmina. Hrsg. von Aldo Manetti, 1985.
- Maria I. Campanale (Hrsg.): Giochi di specchi per il principe. L'orazione di Guarino per Leonello d'Este. Edipuglia, Bari 2012, ISBN 978-88-7228-685-2 (kritische Edition mit ausführlicher Einleitung)
Literatur
- Gino Pistilli: Guarini, Guarino (Guarino Veronese, Varino). In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 60: Grosso–Guglielmo da Forlì. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2003.
- Renate Schweyen: Guarino Veronese. Philosophie und humanistische Pädagogik (= Humanistische Bibliothek. Reihe 3: Skripten. Bd. 3). Fink, München 1973, ISSN 0177-9494, zugleich: München, Univ., Diss., 1970/71.
- Dorothee Gall: Guarino da Verona. In: Peter Kuhlmann, Helmuth Schneider (Hrsg.): Geschichte der Altertumswissenschaften. Biographisches Lexikon (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 6). Metzler, Stuttgart/Weimar 2012, ISBN 978-3-476-02033-8, Sp. 516–518.
Weblinks
- Edmund Burke: Guarino da Verona. In: Catholic Encyclopedia, Band 7, Robert Appleton Company, New York 1910.
- Werke von Guarino da Verona im Gesamtkatalog der Wiegendrucke
- Guarino da Verona in Ferrara (engl.)