Gorillas (Unternehmen)
Die Gorillas Operations Germany GmbH & Co KG ist ein 2020 in Berlin gegründeter Lieferdienst für Lebensmittel und andere Supermarktwaren in Großstädten. Dazu gehören eine Online-Bestellplattform, kleine Auslieferungslager in zentralen Lagen und angestellte Fahrradkuriere. Das Unternehmen besteht aus der Gorillas Operations Germany GmbH & Co KG und in Berlin seit einem Arbeitskampf aus wenigstens 21 weiteren Unternehmen mit dem Namen Gorillas Warehouse Operations GmbH & Co. KG, welche die Lager des Unternehmens betreiben.[2] Die ursprüngliche Firma des Unternehmens, die Gorillas Technologies GmbH aus Frankfurt am Main, ist inzwischen gelöscht worden.[3]
Gorillas Operations Germany GmbH & Co KG | |
---|---|
Rechtsform | GmbH & Co. KG |
Gründung | 2020 |
Sitz | Rheinsberger Straße, Berlin, Deutschland |
Leitung | Kağan Sümer |
Mitarbeiterzahl | ungefähr 10.000[1] |
Branche | Lieferdienst für Lebensmittel |
Website | gorillas.io |
Geschäftsmodell
Das Unternehmen ist im Jahre 2020 mit dem Versprechen angetreten, Lebensmittel und andere Supermarktwaren, die über seine App bestellt werden, per Fahrradkurier zu denselben Preisen zu liefern, wie sie im Supermarkt verlangt werden.[4] Hinzu komme ein Lieferpreis von 1,80 Euro, jedoch kein Mindestbestellwert.[5] Die Auslieferung beim Kunden erfolge innerhalb von 10 Minuten nach Auftragseingang.[6] Die Website des Unternehmens wirbt mit dem Spruch „Schneller als du“.[7] Ziel des Unternehmens ist es, vor allem Spontankäufe zu ermöglichen, wobei langfristig ein Lieferungswert von durchschnittlich 30 Euro angestrebt werden soll.[8]
Das Geschäftsmodell basiert auf dem 2013 in Philadelphia gegründeten amerikanischen Vorbild goPuff, dessen Geschäftsmodell wiederum zahlreiche weitere Startups auf der Welt bereits übernommen haben.[9] Zu den im deutschen Markt relevanten Wettbewerbern von Gorillas zählt u. a. das Ende 2020 gegründete Startup Flink,[10] das mit der Rewe Group zusammenarbeitet.[11] November 2021 wurde bekannt, dass in Berlin ein „Franchise-Model“ für die Warenhäuser eingeführt werden soll, das heißt, die einzelnen Warenhäuser des Startups sollen eigenständige Unternehmenseinheiten bilden und den Großteil der Aufgaben übernehmen.
Geschichte
Gorillas ging aus dem Online-Supermarkt Getgoodys von Kağan Sümer hervor.[8] Um das Wachstum zu beschleunigen, holte dieser Anfang 2020 Jörg Kattner an Bord.[12] Dieser hatte zuvor bei Rocket Internet gearbeitet, zuletzt als COO des Projektes Hellofreshgo von HelloFresh. Im Juni 2020 begann Gorillas mit ersten Auslieferungen und erlebte seitdem eine rasante Entwicklung, die es bis Mitte 2021 zu einem Einhorn machte, also zu einem Unternehmen mit einer Marktbewertung von mehr als einer Milliarde US-Dollar.[13] Anfang Februar 2021 wurde bekannt, dass Jörg Kattner das Unternehmen verlasse, aber Anteilseigner bleibe. COO und ebenfalls Anteilseigner wurde Felix Chrobog, früher Deutschlandchef von Deliveroo, welcher das Unternehmen im Mai 2021 allerdings ebenfalls verließ.[14][4]
Ende März 2021 war das Unternehmen bereits in zwölf Städten aktiv.[4] Es hatte bis zu diesem Zeitpunkt bei Investoren bereits eine Finanzierung von einer viertel Milliarde Euro eingeworben.[15] Bis Anfang Juni stieg die Zahl der deutschen Städte, in denen aus 50 Warenlagern geliefert wird, auf 17 an. Etwa 1000 Personen würden beschäftigt.[16] Im Juni 2021 ist das Unternehmen gemäß der eigenen Homepage außerhalb der deutschen Städte Berlin, Bonn, Bremen, Dresden, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Fürth, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Karlsruhe, Köln, Leipzig, München, Nürnberg, Offenbach am Main sowie Stuttgart,[17] in den Ländern England (London und Manchester), Frankreich (Paris), Italien (Mailand) und den Niederlanden (Amsterdam, Den Haag, Groningen, Haarlem, Leiden, Nijmegen, Rotterdam, Tilburg, Utrecht) sowie seit Ende Mai 2021 in den USA (New York City) aktiv.[7][18] Langfristig hofft das Unternehmen, ca. 50 Prozent der Lebensmittel-Ausgaben seiner Kunden einzunehmen.[19]
Im Oktober 2021 beteiligte sich Delivery Hero mit 200 Mio. Euro an Gorillas und erhielt dabei acht Prozent der Anteile.[20] Dieses Investment erfolgt im Kontext einer dritten Finanzierungsrunde von Gorillas, in der das Unternehmen fast eine Milliarde Euro einsammeln konnte. Im Dezember 2021 erklärte Delivery Hero den Rückzug seiner Eigenmarke Foodpanda vom deutschen Markt; seine Fahrradkuriere wurden von Gorillas übernommen.[21] Seit November 2021 beliefert der Handelskonzern Bünting diverse Warenlager der Gorillas.
Kontroversen
Arbeitsbedingungen
Mediale Bekanntheit erlangte das Unternehmen vor allem aufgrund von Beschwerden der angestellten Fahrradkuriere über die Arbeitsbedingungen. Die Kuriere sind direkt angestellt, können zwischen Teil- und Vollzeitvertrag wählen[22] und wurden mit 10,50 €[23] knapp über dem Mindestlohn bezahlt, hinzu kamen Trinkgelder. Die neu gewählte Bundesregierung unter Führung einer rot-grün-gelben Koalition hat im Koalitionsvertrag ihr Vorhaben angekündigt, den Mindestlohn für alle Branchen auf 12 € anzuheben, dem das Unternehmen mit einer Anhebung des Stundenlohns für seine Fahrer zuvorkam. Die vor allem migrantischen Angestellten beklagten insbesondere die lange Probezeit von sechs Monaten, zu geringe Stundenlöhne sowie ausstehende oder falsch kalkulierte Lohnzahlungen, geringe Unterstützungsleistungen, und für die körperlich schwere Arbeit unangemessene Arbeitsausrüstung sowie das Gewicht der einzelnen Lieferungen. Vereinzelt wurden dazu eine rassistische und sexistische Arbeitsatmosphäre in den Warenhäusern sowie die Nutzung privater Mobiltelefone für die Arbeit, einschließlich der Herausgabe von persönlichen Daten an Kunden, kritisiert.[24]
Verhinderung von Betriebsratsarbeit
Dem Unternehmen wird vorgeworfen, die Gründung von Betriebsräten zu behindern. Im Juni 2021 wählten die Berliner Angestellten einen Wahlvorstand zur Organisation einer Betriebsratswahl.[25] Im Juli 2021 traf sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mit Vertretern von diesen, um sich ein Bild über deren Lage zu machen.[26][27] Im Oktober 2021 kam es zu wilden Streiks und Kündigungen gegenüber streikenden Mitarbeitern in Berlin,[28] nachdem Firmenleiter Kağan Sümer wenige Monate zuvor noch Kündigungen aufgrund von Streiks ausgeschlossen hatte.[29] Der im November 2021 bekannt gewordene Wechsel zu einem Franchise-Model für einzelne Warenhäuser bestärkt Kritiker, die Gorillas vorwerfen, Union Busting zu betreiben.[30][31]
Die Geschäftsführung von Gorillas scheiterte nach einer Abweisung durch das Arbeitsgericht Berlin im November 2021 in zweiter Instanz auch vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bei einem weiteren Versuch, die laufende Betriebsratswahl zu verhindern.[32] Der Betriebsrat gründete sich schließlich am 27. November 2021. Die Geschäftsführung will die Wahl nachträglich anfechten lassen.[33]
Mangelnder Datenschutz
Im Mai 2021 berichtete die IT-Forscher-Gruppe „Zerforschung“ über mangelnden Datenschutz der technischen Infrastruktur von Gorillas, zeitweise seien rund 200.000 Kundendaten frei verfügbar gewesen.[34] Nach Angaben des Unternehmens sei die technische Lücke inzwischen geschlossen worden.[35]
Übermäßige Inanspruchnahme des öffentlichen Raums
Das Bezirksamt des Berliner Bezirks Pankow verhängte nach vorherigen Bußgeldandrohungen[36] wegen unrechtmäßiger gewerblicher Nutzung des öffentlichen Straßenraums im Juni 2021 ein Zwangsgeld gegen das Unternehmen. Hintergrund war die große Menge der auf Gehwegen abgestellten Fahrräder.[37] Im Vorfeld war es zu Beschwerden von Anwohnern gekommen.[38]
Weblinks
Einzelnachweise
- Unsere Haltung zur Bildung eines Betriebsrats. In: Gorillas.io. Gorillas.io, 21. Juli 2021, abgerufen am 27. Juli 2021.
- Amtsgericht Berlin (Charlottenburg), Handelsregisterauszüge HRA 59339, HRA 59322, HRA 59313, HRA 59328, HRA 59310, HRA 59323, HRA 59324, HRA 59338, HRA 59319, HRA 59364, HRA 59353, HRA 59308, HRA 59326, HRA 59317, HRA 59320, HRA 59315, HRA 59329, HRA 59368, HRA 59413, HRA 59463, HRA 59798
- Handelsregister Amtsgericht Frankfurt am Main HRB 126015
- Lisa Ksienrzyk: Schneller Abgang -- Einer der Gorillas-Gründer hört auf. In: Gründerszene. businessinsider.de, 3. Februar 2021, abgerufen am 5. Juni 2021.
- Sarah Heuberger: Gorillas -- Dieser neue Lieferdienst bringt Lebensmittel in unter 10 Minuten. In: Gründerszene. businessinsider.de, 11. Juni 2020, abgerufen am 5. Juni 2021.
- Catherine Hoffmann: Welche Anbieter in München Lebensmittel liefern. Abgerufen am 9. Juni 2021.
- Schneller als du: Lebensmittel geliefert in 10 Minuten. In: gorillas.io/de. Abgerufen am 5. Juni 2021.
- Philipp Westermeyer, Christian Cohrs: Delivery-Startup Gorillas: Kein Jahr nach dem Launch schon eine Milliarde wert? In: omr.com. 25. Januar 2021, abgerufen am 18. Juni 2021.
- Der rollende Supermarkt: Gorillas verspricht die 10-Minuten-Lebensmittel-Lieferung in Berlin. In: Supermarktblog. 8. Juni 2020, abgerufen am 18. Juni 2021.
- Christoph Kapalschinski und Florian Kolf: Online-Lieferdienste: Der nächste Investoren-Hype: Kunden erhalten binnen weniger Minuten ihre Lebensmittel. In: handelsblatt.com. 17. Februar 2021, abgerufen am 5. Juni 2021: „Apps wie Gorillas und Flink liefern Supermarkt-Ware in kürzester Zeit. Die Anbieter kämpfen in einem Milliardenmarkt um die Vormacht in deutschen Metropolen.“
- Bündnis mit Rewe 10-Minuten-Lieferdienst Flink bekommt 200 Millionen Euro. In: manager-magazin.de. 4. Juni 2021, abgerufen am 4. Juni 2021: „Der Kampf der Schnelllieferdienste geht in die nächste Runde: Sieben Monate nach der Gründung sichert sich das Berliner Start-up Flink 200 Millionen Euro, um seinen 10-Minuten-Lieferdienst weiter auszurollen. Zudem kooperiert der Online-Lieferdienst künftig mit Rewe.“
- Lisa Ksienrzyk: Neue Tech-Wette -- Was verbirgt sich hinter dem 10-Minuten-Lieferdienst Gorillas? In: Gründerszene. businessinsider.de, 8. September 2020, abgerufen am 5. Juni 2021.
- Thorsten Mumme: Von Gorillas bis N26 Diese deutschen Start-ups sind derzeit mehr als eine Milliarde Dollar wert. In: tagesspiegel.de. 16. April 2021, abgerufen am 6. Juni 2021.
- Sarah Heuberger 14 Mai 2021: Gorillas verliert schon wieder einen Mitgründer. 14. Mai 2021, abgerufen am 18. Juni 2021 (deutsch).
- Juliane Küpper: Milliardenschwerer Lieferdienst -- Gorillas begrüßt Investoren im 10-Minutentakt. In: n-tv.de. 26. März 2021, abgerufen am 5. Juni 2021.
- Hannah Schultheiss: Zehn Minuten im Turbokapitalismus". In: ZEIT Online. 1. Juni 2021, abgerufen am 5. Juni 2021.
- Liefergebiete. In: gorillas.io. Abgerufen am 15. Juni 2021.
- Christine LaFave Grace: Technology: German Grocery Delivery Service Gorillas to Make U.S. Debut. In: Winsight Grocery Business. 24. Mai 2021, abgerufen am 6. Juni 2021.
- Hannah Schwär und Caspar Tobias Schlenk: „Gorillas 2.0“ – der Geheimplan des Liefer-Start-ups. In: Capital. 6. Juli 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.
- Delivery Hero beteiligt sich am Lieferdienst Gorillas. In: Zeit Online. 19. Oktober 2021, abgerufen am 19. Oktober 2021.
- Gorillas übernimmt 800 Fahrradkuriere von Foodpanda. In: Spiegel Online. 24. Dezember 2021, abgerufen am 24. Dezember 2021.
- Gorillas: So zermürbend sind die Arbeitsbedingungen beim Express-Lieferservice. Abgerufen am 18. Juni 2021.
- Milliardenbewertung: Gorillas: Superschneller App-Supermarkt erreicht Einhorn-Status im Eiltempo. Abgerufen am 9. Juni 2021.
- Anhaltende Streiks: Weshalb Gorillas-Mitarbeiter eigene Lagerhäuser blockieren. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 18. Juni 2021]).
- Hannah Schwär und John Stanley Hunter: Streit um Betriebsrat bei Lieferdienst-Start-up Gorillas. In: capital.de. 3. Juni 2021, abgerufen am 6. Juni 2021.
- Hannah Scherkamp: Arbeitsbedingungen bei Lieferdiensten: Es geht nicht nur um Gorillas - Hubertus Heil sprach heute mit Fahrern des Zehn-Minuten-Lieferdienstes. Höchste Zeit, sich einer Branche anzunehmen, die die neue Arbeiterklasse hervorbringt. In: Zeit Online. 20. Juli 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.
- Arbeitsschutz: Gorillas-Beschäftigte nach Treffen mit Hubertus Heil enttäuscht - Auch neu gegründete Unternehmen sollen Arbeitsschutzregeln einhalten, sagt der Arbeitsminister. Die streikenden Fahrer und Fahrerinnen hatten mehr Unterstützung erwartet. In: Zeit Online. 20. Juli 2021, abgerufen am 20. Juli 2021.
- Anton Rainer: Gorillas: Lieferdienst kündigt streikenden Fahrern. In: Der Spiegel. 5. Oktober 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 4. Dezember 2021]).
- Simon Zamora Martin: Nicht eure Affen. In fluter Nr. 81 (Winter 2021–2022), S. 33
- Anton Rainer: Gorillas will in Berlin Franchise-Modell einführen. In: Der Spiegel. 12. November 2021, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 17. November 2021]).
- Erik Peter: Lieferdienst Gorillas: Mini-Gorillas vs. Rider-Rechte. In: Die Tageszeitung: taz. 16. November 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 17. November 2021]).
- Kein Abbruch der Betriebsratswahl bei Fahrradlieferdienst „Gorillas“. In: Arbeitsgericht Berlin. 23. November 2021, abgerufen am 4. Dezember 2021.
- Christoph Kluge: Gorillas erhöht Stundenlohn auf zwölf Euro. In: Der Tagesspiegel Online. 3. Dezember 2021, ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 4. Dezember 2021]).
- Gorillas: Einhornaufschnitt, 150g, im Angebot 🦍❤️. 7. Mai 2021, abgerufen am 18. Juni 2021.
- Haluka Maier-Borst: Daten von 200.000 Gorillas-Kunden lagen ungeschützt im Netz. In: rbb24.de. 7. Mai 2021, abgerufen am 18. Juni 2021.
- Christian Hönicke: Berliner Behörde droht „Gorillas“ mit Geldstrafe. In: Tagesspiegel.de. 17. Juni 2021, abgerufen am 18. Juni 2021.
- Christian Hönicke: „Gorillas“ ignorieren Anordnung und müssen nun Strafe zahlen. In: Tagesspiegel. 28. Juni 2021, abgerufen am 29. Juni 2021.
- Steffi Orbach: Anwohner vs. Lieferdienste: Kampf um öffentlichen Raum. In: Deutschlandfunk Nova. 17. Mai 2021, abgerufen am 11. Juni 2021.