Giulio Mancini
Giulio Mancini (* 21. Februar 1559 in Siena; † 22. August 1630 in Rom) war ein italienischer Arzt, Kunsttheoretiker und Biograph vorrangig italienischer Künstler. Sein Hauptwerk stellen die Considerazioni sulla pittura dar, die erst im 20. Jahrhundert ediert wurden, jedoch bereits im frühen Seicento handschriftlich kursierten und rezipiert wurden. Die Schrift ist insbesondere eine Hauptquelle für die Biographien der Maler Caravaggio und Annibale Carracci.
Leben
Giulio Mancini wird 1559 als Sohn des Arztes Bartolomeo di Niccolò und Camilla di Francesco Mucci geboren. Seine schulische Ausbildung in Siena erhält er bei den Jesuiten und wahrscheinlich nimmt er 1576 noch in derselben Stadt ein Studium auf. In diesen Jahren dürfte er bereits in Kontakt mit dem Kunstsammler Ippolito Agostini gestanden haben, für den Mancini nach seiner studienbedingten Übersiedelung nach Padua mehrere Kunstwerke nach Siena schickt. Ein in Siena aufbewahrtes Konvolut von Vorlesungsmitschriften stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Mancinis Zeit in Padua. Neben der Korrespondenz mit seinem älteren Bruder Deifebo sind vor allem rege Kontakte mit dem Paduaner Medizinprofessor Girolamo Mercuriale dokumentarisch überliefert, für den Mancini 1585 auch die Redaktion der Druckausgabe von De decoratione übernimmt.
1584 wechselt Mancini nach Bologna, wo er unter anderem mit Gaspare Tagliacozzi und Ulisse Aldrovandi in regem Kontakt steht, letzterem übereignet er einen (verschollenen) Pflanzentraktat. 1586 kehrt er zunächst nach Siena zurück, ist jedoch schon im Folgejahr wieder in Bologna nachweisbar. Am 31. Januar 1587 verteidigt er seine Dissertation, am 8. Juni dieses Jahres wird er zum Arzt im Sieneser Konvent Santo Spirito ernannt und noch im selben Jahr auf einen neugeschaffenen Lehrstuhl an der Universität Siena berufen. Aus dieser Zeit stammen zahlreiche medizinische Schriften, die sich allerdings nur handschriftlich – teilweise auch in Mitschriften oder Kopien – erhalten haben.
Zwischen 1590 und 1591 ist Mancini eingekerkert. Wahrscheinlich wegen der – von der Forschung ungeklärten – Hintergründe der Haft, doch auch aufgrund der Verläufe der Pest lässt er sich danach zunächst in Viterbo, später in Rom nieder. Ende 1592 erhält er den Posten eines Mediziners im römischen Krankenhaus Santo Spirito in Sassia. In Rom befreundet er sich schnell mit zahlreichen Kardinälen wie Francesco Maria Del Monte an, die für ihre Kunstpatronage bekannt sind; Giulio Mancini interessiert sich insbesondere für die Werke von Caravaggio. In seinen römischen Jahren baut Mancini selbst eine nicht unbedeutende Sammlung von Kunstwerken auf: In seiner Galerie sind neben Werken Caravaggios unter anderem Gemälde von Federico Barocci, Giuseppe Cesari, Annibale und Antonio Carracci, Domenichino, Giovanni Lanfranco und Guido Reni belegt. Mit zahlreichen dieser Künstler stand Mancini in direktem Kontakt, ebenso wie mit weiteren berühmten Sammlern seiner Zeit wie Cassiano Dal Pozzo oder Vincenzo Giustiniani.
Zahlreiche Schriften Mancinis zur Medizin, doch auch zur Politik, Astrologie, der Ehre, der Liebe oder dem Wesen des Cortegianos sind aus den Jahren in Rom erhalten oder zumindest dem Titel oder Gegenstand nach belegt. Seinen bedeutsamsten Traktat bilden jedoch die Considerazioni sulla pittura (Überlegungen zur Malerei), die zwar erst 1956 und 1957 ediert werden, doch schon von Zeitgenossen wie Giovanni Pietro Bellori, Carlo Cesare Malvasia und Filippo Baldinucci rezipiert werden. Die erste Phase der Niederschrift bilden die Jahre 1617 bis 1619 (noch unter dem Titel Discorso di pittura), anschließend überarbeitete Mancini selbst den Text mehrfach (mindestens bis in das Jahr 1628), so dass die Considerazioni heute in verschiedenen Redaktionen überliefert sind, die sich wiederum in zahlreichen Abschriften und Kopien erhalten haben. Neben den zahlreichen faktischen Informationen, die in diesem Traktat enthalten sind, liegt die Bedeutung der Considerazioni auch in ihrer Textgestaltung. Sie unterscheidet sich von den Vorläufern der Kunstliteratur des Cinquecentos, da sie gezielt Dilettanten und Kunstsammler anspricht und diesen Leserschichten das Handwerkszeug vermittelt, um Kunst zu beurteilen und zu klassifizieren, damit sie auf diese Weise eine Kunstsammlung aufbauen können.
Am 9. August 1623 wird Giulio Mancini zum Leibarzt des neugewählten Papstes Urban VIII. ernannt, in den Folgejahren erhält er zudem zahlreiche kirchliche Würdetitel und Pfründen. Er stirbt am 22. August 1630 und wird am darauffolgenden Tag in der Kirche Santi Vincenzo e Anastasio beerdigt, im April 1633 wird sein Körper, dem testamentarischen Wunsch des Verstorbenen folgend, nach Siena überführt und dort in der Familienkapelle in San Martino bestattet.
Schriften (in Auswahl)
- Viaggio per Roma. Hrsg. von Ludwig Schudt. Klinkhardt & Biermann, Leipzig 1923.
- Considerazioni sulla pittura. Hrsg. von Adriana Marucchi mit Kommentar von Luigi Salerno. Accademia Nazionale dei Lincei, Rom 1956–1957.
Literatur
- Theodor Schreiber: Über die Kunsttraktate des Giulio Mancini. In: Gesammelte Studien zur Kunstgeschichte. Eine Festgabe zum 4. Mai 1885 für Anton Springer. Seemann, Leipzig 1885, S. 103–110.
- Julius von Schlosser: Die Kunstliteratur. Ein Handbuch zur Quellenkunde der neueren Kunstgeschichte. Schroll, Wien 1924 (Unveränderter Nachdruck. ebenda 1985, ISBN 3-7031-0604-2).
- Donatella L. Sparti: Mancini, Giulio. In: Mario Caravale (Hrsg.): Dizionario Biografico degli Italiani (DBI). Band 68: Malatacca–Mangelli. Istituto della Enciclopedia Italiana, Rom 2007.
- S. De Renzi: Medical competence, anatomy and the polity in seventeenth-century Rome. In: Renaissance Studies. Band 21, Nummer 4, September 2007, S. 551–567, doi:10.1111/j.1477-4658.2007.00462.x, PMID 21949463, PMC 3175805 (freier Volltext).
- Frances Gage: Exercise for Mind and Body: Giulio Mancini, Collecting, and the Beholding of Landscape Painting in the Seventeenth Century. In: Renaissance Quarterly 61, 4 (2008), S. 1167–1207.
- Frances Gage: Teaching Them to Serve and Obey: Giulio Mancini on Collecting Religious Art in Seventeenth-Century Rome. In: Gail Feigenbaum, Sybille Ebert-Schifferer (Hrsg.): Sacred possessions. Collecting Italian religious art. Getty Research Institute, Los Angeles 2011, S. 68–82.
- Frances Gage: Painting as Medicine in Early Modern Rome: Giulio Mancini and the Efficacy of Art. Pennsylvania State University Press, University Park 2016, ISBN 978-0-271-07103-9.