Gerhard Bohner
Gerhard Bohner (* 19. Juni 1936 in Karlsruhe; † 13. Juli 1992 in Berlin) war ein deutscher Tänzer und Choreograf, der als einer der Pioniere des deutschen Tanztheaters gilt.
Leben und Wirken
Frühe Jahre
Gerhard Bohner wurde in Karlsruhe als Tänzer ausgebildet. Er arbeitete in Mannheim und Frankfurt und kam 1961 an die Deutsche Oper in Berlin, die dem klassischen Tanz verpflichtet war. 1964 begann er mit der Entwicklung eines eigenen choreographischen Stils, wobei er konsequent neue Musik für seine Werke bevorzugte. 1969 belegte Bohner beim choreografischen Wettbewerb der Kölner Sommertanz-Akademie den 2. Platz mit den Werken Frustration – Aggression und Spannen – Abschlaffen, die frustrierte Paarbeziehung zum Thema haben. Die Begegnung des Menschen mit dem Tod sowie Zwang und Disziplinierung bis hin zu Folter sind Themen, die ihn in seiner künstlerischen Laufbahn immer wieder beschäftigen werden.
Ab 1970 choreografierte er für verschiedene Auftraggeber. Carmina Burana und Catulli Carmina für die Kölner Bühnen entstanden 1970, Die Folterungen der Beatrice Cenci und Und so weiter für die Berliner Akademie der Künste, Malade imaginaire für das Folkwang-Tanzstudio und Machen = Opfern mit Tänzern der Hamburgischen Staatsoper 1971. Die Folterungen der Beatrice Cenci mit dem Einsatz klassischer Tanztechniken wurde Bohners erfolgreichstes Stück. Es folgte Lilith (1972), das Adams erster Frau (nach dem Talmud) gewidmet ist, wie dieser aus Erde gemacht und später dämonisiert, weil sie sich nicht unterordnet. Für Bohner ist sie "Verkörperung einer Freiheitsidee", die er in eine bürgerliche Familie eindringen lässt[1].
Tanztheater Darmstadt
Lilith erarbeitete Bohner mit Tänzern des Tanztheaters Darmstadt, dessen Chefchoreograf mit eigener Kompanie er 1972 wurde. Die erste Produktion der Darmstädter Kompanie wurde vom Choreografen und seinem Ensemble als Experiment verstanden. Unter dem Thema "Mitbestimmung" wurde an einem Abend versucht, das Publikum an der Entstehung einer Choreographie zu beteiligen, um so den Probenprozess transparent zu machen und das Ballett zu "entzaubern". Auch die Grenzen dieses Verfahrens werden dabei deutlich. Machtstrukturen und Unterordnung waren für Bohner über Jahre ein Thema seiner künstlerischen Arbeit.
1973/74 brachte Bohner Variationen über ein Thema von heute heraus, das sich mit dem Abstreifen der neoromantischen Tanztradition befasst. Die Beschäftigung mit Oskar Schlemmer und einer Neuinterpretation seiner Bauhaustänze folgte. Bohner verließ Darmstadt nach der Spielzeit 1974/75 resigniert und aufgerieben von Auseinandersetzungen und mangelnder Akzeptanz nach den Premieren von La Création du monde und Der wunderbare Mandarin.
Drei Jahre lang arbeitete er als freischaffender Choreograf. Er erarbeitete Unterwegs für das Nederlands Dans Theater, nahm Pina Bauschs Einladung an, für Café Müller zu choreografieren und brachte Oskar Schlemmers Triadisches Ballett in seiner Bearbeitung auf die Bühne.
Tanztheater in Bremen
1978 wurde er von Generalintendant Arno Wüstenhöfer ans Bremer Tanztheater geholt, das er gemeinsam mit Reinhild Hoffmann leiten sollte. In dieser Zeit entstanden drei Choreografien: Die Dinge in meiner Hand, Zwei Giraffen tanzen Tango und Bilder einer Ausstellung. Nach drei Jahren wurde Bohners Vertrag nicht verlängert und er verließ 1981 die Bremer Bühne.
Tätigkeit als freier Choreograf
Er arbeitete als freier Choreograf weiter, vorwiegend mit Solos für sich selbst, wurde von alten Weggefährten an ihre Theater eingeladen, inszenierte für Patrick Steckel eine große Szene von Heiner Müllers Germania Tod in Berlin und choreografierte auf Einladung des Berliner Hebbel-Theaters Angst und Geometrie. Bohner lebte als freier Tänzer und Choreograph bis zu seinem Tod in Berlin.
Tod und Grabstätte
Gerhard Bohner starb 1992 im Alter von 56 Jahren in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof Heerstraße in Berlin-Westend (Feld 4-A-20).[2]
Auszeichnungen
- 1972: Deutscher Kritikerpreis
- 1992: Deutscher Kritikerpreis
Einzelnachweise
- (Schmidt, Tanztheater in Deutschland)
- Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Begräbnisstätten. Pharus-Plan, Berlin 2018, ISBN 978-3-86514-206-1. S. 484.
Literatur
- Dirk Scheper, Gerhard Bohner: Gerhard Bohner – Tänzer und Choreograph. Edition Hentrich, 1991, ISBN 3-89468-011-3
- Jochen Schmidt: Tanztheater in Deutschland. Propyläen Verlag, 1992, ISBN 3-549-05206-5
Weblinks
- Literatur von und über Gerhard Bohner im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gerhard-Bohner-Archiv im Archiv der Akademie der Künste, Berlin