Generation X (Soziologie)
Generation X dient seit den frühen 1950er-Jahren als schlagwortartige Bezeichnung für eine Reihe unterschiedlicher Generationen bzw. Bevölkerungskohorten, denen von den jeweiligen Autoren jeweils unterschiedliche Charakterisierungen zugeschrieben werden.
Die Bezeichnung Generation X, auch als Gen X abgekürzt, bezieht sich heute allerdings meist konkret auf die den Baby-Boomern folgende Generation.[1] Sie wird vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum für Menschen benutzt, die von den mittleren 1960er bis in die frühen 1980er Jahre geboren wurden. Die gängigste Definition umfasst die Jahrgänge 1965 bis 1980, es gibt aber auch abweichende Positionen (so umfasst die Gen X etwa nach den US-amerikanischen Autoren William Strauss und Neil Howe die Jahrgänge 1961 bis 1981). Popularisiert wurde der Ausdruck speziell durch den 1991 erschienenen Roman Generation X von Douglas Coupland, der die Situation der damaligen Teenager und jungen Erwachsenen beschrieb.
Insbesondere in den USA werden die Angehörigen dieser Alterskohorte als Gen-Xer bezeichnet. In Deutschland wird die Generation X zeitlich und hinsichtlich ihrer Charakterisierung oft nicht präzise gegenüber der Generation Golf abgegrenzt, die daher auch als ihre spezifisch bundesdeutsche Ausprägung gelten kann.
Auf die Generation X folgt nach verbreiteter Ansicht die Generation Y (auch Millennials).[1]
Begriffsgeschichte
Der Begriff „Generation X“ wurde in den frühen 1950er-Jahren von dem US-amerikanischen Fotografen Robert Capa geprägt. Er verwendete das Schlagwort als Titel für eine Fotoreportage über junge Leute, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs herangewachsen sind. Die Reportage erschien erstmals 1953 in der renommierten britischen Zeitschrift Picture Post.[2]
Ebenfalls in den frühen 1950er-Jahren veröffentlichte das US-amerikanische Holiday Magazine unter der Überschrift Generation X eine Serie von Artikeln über die US-amerikanische Jugend dieser Zeit. Mitte der 1960er-Jahre führten die beiden britischen Soziologen Charles Hamblett und Jane Deverson eine Studie durch, in der es um die Mods und Rocker in Großbritannien ging und die unter dem Titel Generation X veröffentlicht wurde.[3] 1976 wurde die britische Punkband Generation X gegründet.
Charakterisierung
Nach Einschätzung des Autors des Romans Generation X, Douglas Coupland, ist für jene Generation charakteristisch, dass ihr prophezeit wurde, dass sie sich erstmals ohne Kriegseinwirkung mit weniger Wohlstand und ökonomischer Sicherheit begnügen müsse als die Elterngenerationen, aber andererseits für deren ökonomische und ökologische Sünden büße. Ursprünglich sollte der Begriff „Generation X“ andeuten, dass sich diese Generation bislang erfolgreich der Benennungswut von Werbeindustrie und journalistischem Gewerbe entzogen habe.
Couplands Buch erreichte die Bestsellerlisten und der Titel wurde zum Schlagwort für die bis dahin unbenannte Generation. Coupland stellt dem eingeschliffenen Lebensstil aus gesellschaftlichen und ökonomischen Zwängen eine „Lessness“ (von englisch less ‚weniger‘) genannte Philosophie gegenüber, die den Wert des Lebens nicht an der Anhäufung von Statussymbolen misst. Das „neue“ Wertsystem wird auch ironisch als „Exhibitionistische Bescheidenheit“ bezeichnet. Aufgrund dieses Lebensgefühls der Konsumverweigerung würde Couplands Generation X (z. B. von der Seattle Times) in Anlehnung an Gertrude Stein auch als „Lost Generation der Neunziger“ bezeichnet. Coupland stützt seine Beobachtungen am Ende des Buches mit einigen Statistiken und Zitaten aus verschiedenen Zeitschriften.
Soziologen verweisen darauf, dass die Angehörigen der Generation X die ersten Kinder im 20. Jahrhundert gewesen seien, bei denen regelmäßig beide Eltern berufstätig waren, ohne dass es (zumindest in den westlichen Ländern) bereits außerfamiliäre Betreuungsmöglichkeiten für sie gab. Das Phänomen der Schlüsselkinder, die nach Unterrichtsende oft mehrere Stunden ohne Aufsicht durch Erwachsene verbrachten, sei daher in den 1970er und 1980er Jahren in den westlichen Industrienationen ungewöhnlich weit verbreitet gewesen. Dies habe einerseits vielfach zu einem Gefühl der Verlorenheit, andererseits aber zu größerer Eigenständigkeit geführt. Musik und Kinofilme spielten eine große Rolle für viele der damals Heranwachsenden, während das Angebot an Fernsehprogrammen begrenzt war, Computerspiele noch in den Kinderschuhen steckten und Internet und Smartphones noch nicht existierten. In den 1990ern wurden der Generation X oftmals Zynismus und Nihilismus vorgeworfen; richtig ist, dass die damalige Populärkultur stark von Ironie geprägt war.
Literatur
- Martin Gloger: A Generation to end all generations. Zur Entmythologisierung des Generationenlabels „89er“. In: Vorgänge. Band 182, Nr. 2, 2008, S. 139–147.
- Edmund Fröhlich, Susanne Finsterer: Generation Chips. Hubert Krenn, Wien 2007, ISBN 978-3-902532-30-5.
- Jürg Pfister: Motivation der Generation X. Verlag für Theologie und Religionswissenschaft (VTR), Nürnberg 2003.
- Guido Jablonski: Generation X. Selbst- und Fremdbeschreibung einer Generation. Eine literaturwissenschaftliche Studie. Düsseldorf 2002 (Volltext [PDF; 1,3 MB] Phil. Diss.).
- Inken Bartels: Generation X. Zum inflationären Gebrauch des Begriffes „Generation“ im aktuellen Mediendiskurs. In: Vokus. Volkskundlich-kulturwissenschaftliche Schriften. Nr. 1, 2002 (Generation X. Zum inflationären Gebrauch des Begriffes „Generation“ im aktuellen Mediendiskurs (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive)).
Weblinks
- Bernd Weisbrod: Generation und Generationalität in der Neueren Geschichte In „Aus Politik und Zeitgeschichte“. 16. Februar 2005
Einzelnachweise
- Nikolas Wunderlin: Motivationsmodell GenZ - Motivation der Generation Z in der Arbeitswelt. 1. Auflage. WME know and learn, Lörrach 2021, ISBN 978-3-9860400-0-0, S. 73–90.
- Chris Dafoe: Carving a profile from a forgotten generation. In: The Globe and Mail. 9. November 1991.
- Charles Hamblett, Jane Deverson: Generation X. London 1964. Zitiert nach Bartels 2002.