Geismar (Adelsgeschlecht)
Geismar ist der Name eines alten Adelsgeschlechtes (Ritterstand), das wahrscheinlich aus der Umgebung von Fritzlar stammte, im 12. Jahrhundert als Ministeriale dem Erzbistum Mainz diente und später im Umkreis der Städte Hofgeismar, Göttingen und Warburg begütert war. Aus ihm gingen u. a. zahlreiche Ratsherren und Bürgermeister der Stadt Warburg, Äbte und ein kaiserlich-russischer General hervor.
Geschichte
Die Ursprünge der Familie liegen wahrscheinlich in der bereits in prähistorischer Zeit bestehenden Siedlung Geismar bei Fritzlar. Sie wurde 722/23 als Gaesmare[1] und 774 als Gesmari bezeichnet.[2]
1082 wurde in einer Urkunde des Mainzer Erzbischofs Sigfrid I. ein Hove Geismari auf dem Gebiet der heutigen Stadt Hofgeismar erwähnt.[3] erwähnt. Möglicherweise handelte es sich hier um den seit karolingischen Zeiten bestehenden Fronhof, an den bis heute eine Straßenbezeichnung („Am Fronhof“) erinnert. Seit dem 9. Jahrhundert gehörte der Hof Geismari zum Fränkischen Reich und nach einer Schenkung zum Erzbistum Mainz.
1185 verkaufte ein Konrad de Geismare den Zehnten zu Deiderode an das Kloster Reinhausen. Er war Ministerial, Afterlehnsnehmer des Erzbistums Mainz und Vasall des Konrad von Schöneberg.[4] Die Edelherren von Schöneberg, vormals Herren zu Eberschütz, hatten nach der Ermordung des Erzbischofs Adalbert I. von Mainz im Januar 1152 dessen 4,5 km nördlich von Hofgeismar gelegene Burg Schöneberg als Lehen bekommen und sich nach ihr benannt.
1209 wurde mit dem Ritter Bartoldus de Geismaria ein weiterer Anhänger derer von Geismar bekannt. Er verkaufte dem Kloster Pöhlde für 88 Mark den Zehnten zu Radolfshausen mit Einwilligung seines Lehnsherrn, des Grafen Albert von Everstein. 1221 wurde ein Friedrich von Geismar urkundlich genannt.[5] 1235 erschien ein Hartmod von Geismar, ein Geistlicher, als Zeuge eines Verkaufs des Klosters Helmarshausen an das Kloster Willebadessen. 1240 wirkte ein Dietrich von Geismar als Ratsherr in Marsberg. 1244 wurden der soeben verstorbene Ritter Röttger von Geismar, und sein Sohn, der Ritter Hermann I. von Geismar, erwähnt.[6] 1262 war ein Arnold von Geismar Zeuge in Urkunden des Klosters Abdinghof und des Klosters Gehrden.
Ab etwa 1200 besaßen und bewirtschafteten Familienmitglieder das etwa sechs km nördlich von Warburg gelegene Gut Riepen.
Nach Gründung der Warburger Neustadt unter Bischof Bernhard IV. zur Lippe zogen Familienmitglieder derer von Geismar dorthin. Die Familie gehörte zu den führenden Geschlechtern und stellte im Wechsel mit den anderen Patrizierfamilien von 1287 bis 1760, über zehn Generationen, der Stadt zahlreiche Ratsherren und Bürgermeister. Die von Geismar besaßen einige Immobilien in der Neustadt, darunter einen Hof in der Sternstraße, neben dem Hardehäuser Mönchehof[7], und ein 1343 erbautes Haus in der Marktstraße 13, das die Inschrift trug: 1343 feria 3 post Pentec. Bartoldus de Geismar me fieri curavit[8] und 1857 abbrannte. Hinzu kamen zahlreiche Landgüter in der Umgebung, Mühlen[9], ein Salzwerk in Salzkotten[10] u. a.
Mehrere von Geismars bewährten sich zudem als Truppenführer bei den zahlreichen Fehden und Kriegen, in die Warburg verwickelt wurde. So schlug 1314 Bürgermeister Johann I. von Geismar den Angriff eines Ritterbündnisses um Johann Berkule in einer Schlacht am Desenberg nieder. 1433 bekämpfte Bürgermeister Bertold VI. von Geismar erfolgreich einen Übergriff Friedrich von Padbergs in Folge der Padberger Fehde. Im Dreißigjährigen Krieg verteidigte Bürgermeister Bernhard VIII. von Geismar 1622 die Stadt erfolgreich während der Belagerung durch Christian von Braunschweig und ließ 1627 in der Neustädter Kirche St. Johannes Baptist einen Seitenaltar errichten.
In Folge der Verarmung der Stadt nach dem Dreißigjährigen Krieg mehrten sich allerdings die Klagen über die Stadträte, denen Vettern- und Günstlingswirtschaft, fehlende Rechnungslegung, Ungerechtigkeit, Überheblichkeit und Verantwortungslosigkeit vorgeworfen wurde.[11] Daraufhin verordnete 1667 der Landesherr, Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg, der Stadt eine neue Ratsverfassung mit einem Wahlmännersystem, das de facto zur Entmachtung der alten Patrizierfamilien führte. Hinzu kam Streitigkeiten über die Besteuerung auswärtiger Güter. Martin II. von Geismar, noch 1644–1667 Ratsherr und Bürgermeister, verließ daraufhin mit seiner Familie die Stadt, zog sich auf das Gut Riepen zurück und erbaute sich dort ein barockes Herrenhaus. 1714 wurde seinem Sohn Wilhelm Otto von Geismar durch Kaiser Karl VI. der Titel eines Reichsfreiherren verliehen.
Stammreihen
Stammlinie Riepen
- Albert I. von Geismar, erw. 1274[12].
- Berthold I. von Geismar, erw. 1295 als Zeuge "Bertholdus de Ripen"[13], † vor 1314, ⚭ Bertradis Schultete von Helmern, Tochter des Ritters Gerhards Schultete von Helmern, 3 Söhne, darunter Eckehard von Geismar, erw. 1312–1358, ältester Erbgesessener auf Riepen, 1340 Bm. der Neustadt Warburg, Heinrich von Geismar, erw. 1309–1321, Kaufmann, Ratsherr, Vasall des Grafen von Everstein und:
- Johann I. von Geismar, erw. 1303–1335, Ratsherr und Bürgermeister, 1314 Truppenführer bei der Niederschlagung eines Ritterangriffs am Desenberg, danach Stiftung eines Altars "Beatae Maria virg. beatae Georgii" in der Warburg-Neustädter Kirche St. Johannes Baptist, 1319 Erwerb einer Salzwerkes in Salzkotten, Stiftung zugunsten des Klosters Volkhardinghausen, 1323 Stiftung zugunsten des Klosters Willebadessen, ⚭ mit Grete von Dalheim, Tochter des Bm. Requin von Dalheim, 5 Kinder, darunter Grete von Geismar ⚭ Heinrich von Spiegel, Ida von Geismar ⚭ Johann Rave von Papenheim und:
- Berthold II. von Geismar erw. 1343–1375, Erbauer des Hauses Eulenspiegel in der Warburger Neustadt, Ratsherr, Camerarius und Richter, ⚭ NN von Brakel, Tochter des Bm. Johann IV. von Brakel und N. von Westheim, 5 Kinder, darunter:
- Cord (Kurt) von Geismar, 1376–1402 Ratsherr, Weinherr und Bürgermeister, 1390, nach dem Tod von Eckehards Sohn Berthold III., Erbe von Haus Riepen, ⚭ N. von Eissen, 8 Kinder, darunter:
- Bertold VI. von Geismar, erw. 1404–1463, Ratsherr, 1433 Truppenführer gegen Friedrich von Padberg u. a., 1436 erster Bürgermeister nach der Vereinigung der beiden Städte Warburg, Lehnsrichter derer von Papenheim, ⚭ Mechtild Reussen, Tochter des Kaufmanns und Bm. Ulrich III. Reussen und Gertrud von Listingen, 7 Kinder, darunter:
- Bernhard II. von Geismar, 1462–1488 Ratsherr und Bürgermeister, Lehnsnehmer u. a. des Bistums Paderborn, der Grafschaft Waldeck und des Stifts Corvey[14] u. a. zur Mittelmühle und weiteren Gütern in Warburg, Audaxen, Germete, Molhausen bei Warburg, Papenheim, Menne, Bühne, Dössel, Snefelde vor Blankenrode, Ordelinghausen bei Beverungen, Ottbergen, Dinglinghausen bei Korbach, Rotheim u. a., ⚭ (2.) Anna von Schwerten, 3 Söhne, darunter:
- Georg I. von Geismar, 1518–1548 Ratsherr und Bürgermeister, † 1551, ⚭ Elisabeth Odeken, Tochter von Rh. Curt Odeken und Hildburg von Steinheim, 8 Kinder, darunter Bernhard IV. von Geismar, Student in Köln, Ratsherr und Bürgermeister, ⚭ Windela Nabercord, und:
- Berthold X. von Geismar, nach 1515–1576, Ratsherr und Bürgermeister, ⚭ Elisabeth zur Westen (Thorwesten) aus Salzkotten, Tochter von Curd Thorwesten zu Neuhaus und Elisabeth Heidenreich, 5 Kinder, darunter:
- Herbold von Geismar, 1567–1601 Ratsherr und Bürgermeister zu Warburg, 1567–1592 belehnt, Führer der Gegenreformation in Zusammenarbeit mit den Paderborner Jesuiten, ⚭ Elisabeth von Menne, Tochter des Bm. Ulrich von Menne und Elisabeth von Sieghard, 2 Söhne: Bernhard VIII. von Geismar, ⚭ Margarete Geyer, 1595 bis 1635 mehrfach Bürgermeister, Verteidiger der Stadt 1622 die gegen Christian von Braunschweig. Sein Bruder:
- Heinemann I. von Geismar, 1609–1649 Bürgermeister zu Warburg, ⚭ (2.) Anna von Papenheim (Spießen), 2 Söhne, darunter:
- Martin II. von Geismar, vor 1601–1685, 1644–1667 Ratsherr und Bürgermeister zu Warburg, 1653 mit 1 Hufe zu Rotheim belehnt[15], Bauherr des Gutshauses auf Riepen, ⚭ Elisabeth Catharina Maria von Hörde, Tochter des Christoph von Hörde und NN von Meschede, 3 Kinder, darunter:
- Wilhelm Otto von Geismar, 1644–1727, Freiherr auf Riepen, Oberst, ⚭ Susanna Maria von Bolandt, Tochter von Wilhelm von Bolandt und Agnes von Hillen, Enkelin von Johann Bolandt, 4 Kinder, darunter Caspar Ferdinand von Geismar, 1680–1757, Fürstabt "Benedikt" zu Werden und:
- Martin Justus von Geismar, 1695–1735, Freiherr auf Riepen, ⚭ Johanna Eleonore von Heym, Tochter von Dietrich von Heym und Magdalena von Buttlar, 5 Kinder, darunter:
- Clemens August von Geismar, 1740–1794, Freiherr auf Severinghausen bei Ahlen, Major im Hochstift Münster, ⚭ Bernardine von Berswordt, Tochter von Johann Philipp von Berswordt, 6 Kinder, darunter Sophie von Geismar, ⚭ 1803 mit Joseph von Papen und:
- Friedrich Caspar von Geismar, 1783–1848, General im russischen Kaiserreich, verh., 11 Kinder
Linie Justus (erloschen)
- Justus I. von Geismar, † 1676, Bruder von Martin II. von Geismar (s. o.), 1638–1666 Bürgermeister, ⚭ 1. Margarete von Steinheim † 1660, 2. Maria Sophie von Exterde aus Lügde, 8 Kinder, darunter Johann Heinrich von Geismar, 1666–1718, Fürstabt "Coelestin" zu Werden, Wilhelm Otto von Geismar, † 1720, Erbmarschall im Hochstift Paderborn, Justus Mauritius von Geismar, 1659–1661 Student, dann Dr. jur. und Kanzler an der Karls-Universität Prag, und:
- Christoff Gottfried von Geismar, 1662–1725, 1678 Student, dann Canonicus Dr. jur. zu Fritzlar, Professor, Tassischer Rat und Hofmeister, Hofmarschall und Präsident zu Heidelberg, Assessor am Reichskammergericht, ⚭ Elisabeth Mosbach von Lindenfels † 1725, ein Sohn:
- Lothar Franz Anton von Geismar-Mosbach von Lindenfels ⚭ Catharina Agnes Eva von Kerpen, † 1772, 4 Kinder:
- Carlotte von Geismar, badische Hofdame, Elisabeth von Geismar ⚭ N. von Rehbach, Anna Maria von Geismar ⚭ N. von Steindorff und Hugo Franz Lothar von Geismar, 1757–1800 Kurmainzer Rat, keine Nachkommen.
Erinnerungskultur
- Die Geismargasse in Warburg wurde nach der Familie benannt.
Literatur
- Friedrich-Josef-Liborius Heidenreich: Geschichte der Familie von Geismar, in: Die Stadt Warburg 1036-1986, hg. von Franz Mürmann, Warburg 1986, Bd. 1, S. 169 ff.
- Heinrich Schoppmeyer: Warburg in Mittelalter und Neuzeit, in: Die Stadt Warburg 1036-1986, hg. von Franz Mürmann, Warburg 1986, Bd. 1, S. 199 ff.
- Franz-Josef Dubbi: Coelestin und Benedikt von Geismar, Reichsäbte von Werden, in: Aus Warburg: 23 Lebensbilder aus 7 Jahrhunderten, hg. vom Museumsverein Warburg e.V., Warburg 2007, S. 39
Weblinks
Einzelnachweise
- Vita Bonif. Monumenta Germaniae Historica Scriptores rerum Germanicarum capitulum 6 S. 31
- Vita Wigb. Monumenta Germaniae Historica Scriptores XV, 1 capitulum 5 S. 39
- „Hofgeismar, Landkreis Kassel“. Historisches Ortslexikon für Hessen (Stand: 27. März 2014). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS). Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde (HLGL), abgerufen am 14. Juli 2014.
- Manfred Hamann: Urkundenbuch des Klosters Reinhausen. Nr. 13. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1991, ISBN 3-7752-5860-4.
- WUB zu 1221
- WUB zu 1244
- INA Warburg, zit. nach Heidenreich 1986, S. 173
- WZ 23, 173, zit. nach Heidenreich 1986, S. 175
- Akte 170/172 A.V.Paderborn zu 1411
- Wald.Urk.StA.Ms Nr 9288 zum 26.12.1319, zit. nach Heidenreich 1986, S. 173
- Schoppmeyer 1986, S. 280
- WUB zu 1274, Lehnsurkunde des E.H. von Schönenberg
- WUB 3 zu 29.4.1295
- StA Ms, Corveyer Lehnbuch mit Urkunden von 1303, 1361, 1440, 1447, 16. Jh. bis 1759
- Waldecker Urkunden-Nr. 5458-5463, zit. nach Heidenreich 1986, S. 191